Alben der Woche:Zu jaulig für den Alltagsgebrauch

Ansonsten ist Methyl Ethels neues Werk ziemlich elaboriert. Efdemins fantastischer Sound ist schlicht bezirzend und Black Taffy vermittelt ein angenehmes Transitgefühl.

Von den SZ-Popkritikern

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Ladytron - "Ladytron" (Indigo)

Ladytron Ladytron

Quelle: Indigo

"They only want you when you're 17 / When you're 21, you're no fun" ist die Zeile, mit der Ladytron berühmt wurden. Inzwischen sind sowohl Ladytron selbst als auch ihre Hörer weder 17 noch 21, sondern eher die Summe dieser beiden Zahlen. Fun sind sie trotzdem noch. Ihr neues, selbstbetiteltes Album erscheint nach sieben Jahren Pause. Auch hier ist es mal wieder so, dass die Band am besten klingt, wenn sie sich traut, rückhaltlos Achtziger zu sein. Beispielsweise in "The Island" mit seiner Brandung aus Spacegeigen. Die Songs arbeiten größtenteils nach demselben Prinzip: Relativ monoton stampfender Mid-Tempobeat, Keyboard drüber und monotone Vocals ohne große Ausschläge in der Tonhöhe, bei denen man sich nie ganz sicher ist, ob sie unbeteiligt oder emotional berührt klingen sollen. Ab und zu mal ein überraschender Harmoniewechsel. Wenn es etwas Positives an dem Siegeszug der Hiphop- / R'n'b-geprägten elektronischen Musik gibt, dann dass diese die Wall-of-sound-Musik von Broken Social Scene über Arcade Fire bis zu diesem ganzen Keyboardflächen-Popgedöns zurückgedrängt hat. Ladytron verzeiht man das.

Juliane Liebert

2 / 4

Methyl Ethel - "Triage" (4AD)

Methyl Ethel

Quelle: 4AD

Bei der australischen Rockband Methyl Ethel nervt mal wieder die Produktion. Was schade ist, denn kompositorisch ist das Album ziemlich elaboriert, vermutlich sortiert sie die englische Wikipedia auch deshalb unter "Art Rock" ein. Es gibt ein paar nette harmonische und rhythmische Spielereien. Basslines, die den Grundton vermeiden. Die androgyne Stimme des Sängers macht den Klang der Band einerseits interessant, andererseits ist es auf Dauer zu jaulig für den Alltagsgebrauch. Am gelungensten sind die Songs, die rhythmische Pointiertheit und eine gewisse Durchlässigkeit behalten, "Real Tight" etwa. Insgesamt täte es der Musik gut, wenn sie weniger glatt und laut produziert wäre und den manchmal sehr hübschen Klangcharakteristiken der Instrumente und den kompositorischen Ideen vertrauen würde, anstatt die Hörer wegblasen zu wollen.

Juliane Liebert

3 / 4

Black Taffy - "Elder Mentis" (Leaving Records)

Black Taffy Elder Mentis

Quelle: Leaving Records

Auf seinem neuen Album versucht es Black Taffy mit sanft eiernden Harfen, einem staubigen, sehr langsamen Hiphopbeat und tapegesättigtem Bass, viel Vinylgeknister. Ein "therapeutisches Album" wollte der in Dallas ansässige Produzent aufnehmen. Ob es wirksam ist, möge in medizinischen Studien untersucht werden. Jedenfalls wärmt es an regnerischen Februartagen effektiv die Seele (selbst wenn man nicht an Seelen glaubt). Auf "Elder Mantis" verbinden sich in bester Old-School-Manier collagierte Fragmente von meditativen Saiteninstrumentenklängen (besonders schön: die japanische Koto) mit einer Spur Trap und Trip Hop. Die Lo-Fi-Bearbeitung ist dabei kein billiger Retrolack, sondern erhöht die akustische Reibung, was fast so beruhigend wirkt wie Kaminfeuer. Dass sich das Soundprofil irgendwo zwischen japanischer Kirschblüte und britischem Nebel bewegt, gibt einem ein angenehmes Transitgefühl. So wie ja auch Flughafenwartehallen wunderbare Orte wären, wenn sie Kamine hätten.

Juliane Liebert

4 / 4

Efdemin - "New Atlantis" (Ostgut Ton)

effee

Quelle: ostgut ton

Allzu viele Techno-Alben mit inhaltlichem Bezug auf utopische Literatur des 17. Jahrhunderts gibt es nicht, und "New Atlantis" von Phillip Sollmann alias Efdemin legt die Latte für eventuell nachfolgende gleich ziemlich hoch. Der in Berlin lebende Produzent und Berghain-Resident-DJ hat sich von Francis Bacons unvollendetem, in neulateinischer Sprache verfasstem Roman "Nova Atlantis" inspirieren lassen. In dem ist von "Sound-Houses" auf einer fiktiven Insel die Rede - Orte, an denen die fantastischsten Instrumente, Vierteltöne, Echos und Stimmen erklingen. Fantastisch sind tatsächlich einige von Sollmanns Tracks, wobei "Oh, Lovely Appearance of Death" zu Eröffnung erst in eine andere Richtung weist: Die mantra-artig zu strahlenden Drone-Sphären gesungene Hymne könnte man problemlos zu "Savasana", der Schlussentspannung in Yoga-Klassen, spielen. Danach knüppeln einige Tracks aber ordentlich los, wobei klar bleibt, dass es hier nicht allein um Abfahrt geht, sondern darum, interessante analoge Merkwürdigkeiten wie Hackbrett oder Leierkasten mit in den Loop zu nehmen. Zu diesem Effekt passt ein sonst nur selten verwendetes Wörtchen: bezirzend.

Jan Kedves

© SZ/cag
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