Pompeji in Gefahr:Ein Fall für die Rote Liste

Italien erklärt das antike Pompeji zum Notstandsgebiet - warum erst jetzt? Und wird es gelingen, die am besten erhaltene römische Stadt vor Verfall und Vandalen zu retten?

Gottfried Knapp

Jeder, der einmal Pompeji besucht hat, wird sich über die Nachricht, dass die italienische Regierung vor ein paar Tagen für die Ausgrabungsstätte am Fuße des Vesuv den Notstand ausgerufen hat, nicht wirklich wundern, ja er wird auf die Botschaft vielleicht sogar mit der Frage reagieren: Warum erst jetzt?

Pompeji in Gefahr: Bild der Zerstörung:  Vandalen haben eine antike römische Säule umgestoßen.

Bild der Zerstörung: Vandalen haben eine antike römische Säule umgestoßen.

(Foto: Foto: dpa)

Zugegeben, eine von Touristenströmen überschwemmte, aber ihrer Ausdehnung wegen schwer kontrollierbare Großattraktion, die jährlich zwei Millionen Besucher anlockt, mustergültig zu bewahren, ja nur halbwegs sauber zu halten, erfordert großen Aufwand.

Doch dieser Aufwand ist in Pompeji nie getätigt worden. Für eine ständige Bewachung der über das Gelände verstreuten wichtigsten Monumente fehlt das Aufsichtspersonal. Vor wenigen Monaten wurde eine aufgestellte antike Säule umgeworfen; sie zerbrach in drei Stücke.

Aber auch wissenschaftliches Personal, das die vandalistischen Zerstörungen, die täglichen Verluste von Mauerteilen und Freskenresten durch Diebe, aber auch die Abgänge durch pure Vernachlässigung registrieren könnte, ist nie vorgesehen gewesen.

Spuren der Verwahrlosung

Hinzu kommen die Schäden durch schieren Gebrauch. Die öffentlichen Toiletten sind oft in einem so abstoßenden Zustand, dass die Besucher ihre Notdurft lieber zwischen den Ruinen verrichten. Das einzige Restaurant im archäologischen Park ist vor einiger Zeit geschlossen worden, weil der Betreiber "ständig in Zahlungsverzug war". Außerdem streunen Hundemeuten über das Gelände.

Doch nicht nur die Besuchermassen, denen ja große Partien des Geländes verschlossen bleiben, sind ein Problem für die ausgegrabenen Überreste der antiken Stadt.

Die teilweise seit mehr als 200 Jahren der Witterung ausgesetzten Mauern und Fundamente zeigen deutliche Abnutzungs- und Verwahrlosungsschäden. Viele Bauten verfallen. Zwar sind die angestellten Restauratoren und Archäologen ständig irgendwo in der Stadt im Einsatz, doch das Tempo, in dem die Zerstörung voranschreitet, ist sehr viel höher als das, in dem die Konservierungsmaßnahmen vorankommen.

Aus diesem Grund hat die italienische Regierung jetzt öffentlich Alarm geschlagen und umfangreiche Hilfsmaßnahmen angekündigt - schließlich ist das antike Pompeji eine der wichtigsten Einnahmequellen der Region. So sollen zunächst einmal Gelder bereitgestellt werden, mit denen die eklatanten Mängel behoben und die Sicherheitskräfte verstärkt werden sollen.

Zweierlei Maß

Kulturminister Sandro Bondi, der den "Zerfall und die Nachlässigkeit" für "nicht länger hinnehmbar" hält, will einen Sonderbeauftragten benennen, der die Verwaltung neu ordnet, das Missmanagement beseitigt und den Vandalismus in den Griff bekommt.

Als Deutscher fragt man sich: Wenn schon die Regierung in Rom merkt, dass an der bedeutendsten archäologischen Stätte des Landes, am Weltkulturdenkmal Pompeji, vieles im Argen ist, warum hat dann die Welterbekommission der Unesco, die alle deutschen Denkmal-Standorte so eifrig beobachtet, Pompeji noch nicht auf die Rote Liste der akut gefährdeten Denkmale gesetzt?

Offenbar sind die italienischen Zuträger der Unesco deutlich nachlässiger bei ihren Untersuchungen als die deutschen.

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