Payam Feili im Porträt:Auf dem Hals ein Davidstern tätowiert

Payam Feili

Payam Feili über den Dächern von Tel Aviv.

(Foto: AP)

Der homosexuelle iranische Dichter Payam Feili sucht in Israel Asyl. Kritiker sehen in ihm eine "Schaufensterpuppe" der rechten Regierung.

Von Peter Münch

Fern der Heimat hat Payam Feili sich die Fingernägel blau lackiert, er trägt einen wuchtigen Ring mit Stein in passender Farbe, ein wenig Rouge hat er auch noch aufgelegt. Um ihn herum tobt das Tel Aviver Feierabendleben, das Schaulaufen der Schönen. Er dreht sich eine Zigarette und sagt: "Das ist ein fantastisches Gefühl hier. Das Leben, die Menschen - es ist besser als alles, was ich mir vorgestellt habe."

Das ist die neue Welt von Payam Feili, der in seiner alten Welt nicht länger bleiben konnte - als Schriftsteller und Dichter, der nicht publiziert wurde, als Schwuler, dem drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe drohten. Vor mehr als einem Jahr ist er aus seiner iranischen Heimat geflohen.

Auf der Zwischenstation in der Türkei hat er sich ein Tattoo auf den Hals stechen lassen. Es zeigt den Davidstern, das Symbol des jüdischen Staates, der in Iran nicht einmal beim Namen genannt wird. Israel ist dort "der kleine Satan" oder das "zionistische Gebilde", dem rituell der baldige Untergang angedroht wird. Für Feili aber, den Muslim aus Karadsch, ist es schon lange das Land seiner Träume. "Das Tattoo steht dafür, dass ich Israel liebe", sagt er. "Außerdem macht es mich schöner."

Dreimal saß er im Gefängnis, das letzte Mal verbanden sie ihm 44 Tage lang die Augen

Die Liebe zum Feindesland hat der 30-Jährige früh entdeckt. Es begann mit Filmen über die Shoah, die bei den Holocaust-Leugnern in Iran natürlich verboten, aber auf verschlungenen Pfaden als Videos zu finden waren. Mit 15 fing er dann an, die Thora zu lesen. "Ich bin kein religiöser Mensch", erklärt er, "aber die Thora ist faszinierend und magisch, sie ist so voller Geschichten und eine tolle Quelle." Den Koran hält er nur für "eine schlechte Kopie", für ihn ist das "ein Text, in dem es darum geht, andere Leute zu zerstören."

In der Islamischen Republik Iran ist eine solche Einschätzung auch für einen Dichter gefährlich. Sein erstes Werk wurde noch stark zensiert veröffentlicht. Da war er 19 Jahre alt, es regierte der Reform-Präsident Mohammed Chatami. Danach traf ihn der Bannstrahl, mehr als ein halbes Dutzend Bücher blieben unveröffentlicht. Er begann, in anderen Ländern zu publizieren.

Ein Roman mit dem übersetzten Titel "Ich werde wachsen, ich werde Früchte tragen . . . Feigen", erschien auf Farsi auch in einem Berliner Verlag - und auf Hebräisch in Israel. Es geht darin um zwei Soldaten, die sich im Krieg gegen Irak ineinander verlieben, es geht um jüdische Kultur, die Kabbala, den Holocaust, kurzum all die Themen, die in Iran mit einem Tabu belegt sind.

"Viele glauben, ich sei sehr mutig", sagt er. "Ich bin nicht mutig. Ich hatte Angst um mein Leben oder dass ich für Jahrzehnte eingesperrt werde, doch ich musste das tun, weil ich mich nicht verstecken wollte".

Als unmoralische Person an den Pranger gestellt

Verstecken konnte er sich auch nicht mehr, der Druck, so berichtet er, sei kontinuierlich angestiegen. Erst habe er den Job verloren in einem Verlag, dann hätten selbst Freunde Angst gehabt, den Kontakt zu ihm zu halten. In einer Artikelserie sei er an den Pranger gestellt worden "als unmoralische Person und als jemand, der schreibt, um die Regierung zu stürzen".

Sein israelischer Anwalt verweist auf drei Gefängnisaufenthalte, laut Internationalem Pen-Zentrum war er beim letzten Mal für 44 Tage mit verbundenen Augen und ohne Anklage in einem Container eingesperrt. Er selbst will darüber nicht reden. "Viele Medien haben das übertrieben", meint er.

160 bewilligte Asylanträge in 68 Jahren

Da er sich irgendwann nur "unsicher und leer" gefühlt hat in Iran, floh er schließlich in die Türkei. Dort habe er drei Besuchsangebote in die USA abgelehnt und Kontakte nach Israel geknüpft, sagt er. Als am Tzavta-Theater in Tel Aviv die Premiere eines Stückes anstand, das auf seinen Texten basierte, bekam er eine Einladung - und weil iranischen Staatsbürgern die Einreise nach Israel verboten ist, setzte sich die Kulturministerin Miri Regev persönlich für ihn ein. Im Dezember flog er nach Tel Aviv, sein Visum wurde mittlerweile bis Oktober verlängert und er hat Asyl beantragt. Der jüdische Staat geht damit normalerweise nicht gerade großzügig um. In den 68 Jahren seit der Staatsgründung wurden nur gut 160 Asylanträge positiv beschieden. Doch Feili ist optimistisch: "Ich habe eine besondere Geschichte."

Mit dieser besonderen Geschichte und der besonderen Unterstützung durch die Regierung ist er jedoch mitten in eine giftige Auseinandersetzung getappt. Seine Übersetzerin Orly Noy etwa, eine aus Iran stammende Jüdin, wirft ihm wütend vor, er habe sich als "Schaufensterpuppe" von der rechten Regierung instrumentalisieren lassen, die an seinem Beispiel ihre ansonsten fehlende Toleranz beweisen wolle.

"Ich hasse das", sagt Payam Feili und fühlt sich seinerseits "von den extremen Linken missbraucht, die nur wollen, dass ich über die Palästinenser rede". Er reagiert darauf mit einer Liebeshymne auf Israel - "das einzige Land im Nahen Osten, in dem sexuelle Minderheiten frei leben können, eine Demokratie, in der jeder Redefreiheit genießt". Sein Fazit: "Israels Regierung braucht mich nicht, um das zu beweisen."

"Hier will ich sterben, aber erst einmal leben"

Fern der Heimat ist er in eine landestypische Kontroverse geraten, die er nach drei Monaten Aufenthalt kaum überblicken kann. Manchmal denkt er an sein Zimmer im Elternhaus in Karadsch zurück, in dem er geschrieben hat, an den Balkon, auf dem er zur Entspannung Haschisch rauchte. Mit den Eltern spricht er über Skype fast jeden Tag. "Sie sind wegen mir großem Druck ausgesetzt. Aber sie wissen, dass ich hier glücklich bin." An eine Rückkehr nach Iran glaubt er nicht. "Ich bin noch jung, aber ich werde keinen Wandel mehr erleben."

Bald will er sich hier in Tel Aviv eine Wohnung suchen. Er arbeitet an einem neuen Roman, den er in der Türkei begonnen hat. "Hier will ich sterben", sagt er - "aber erst einmal leben."

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