Plattenkabinett:Wer die Killers kopiert, gehört nicht nach Wacken

Gaslight Anthem

Mit "Get Hurt" werden The Gaslight Anthem nun eine Spur poppiger, man könnte auch sagen: Sie werden immer mehr zu einer Kopie von den Killers.

(Foto: oh)

Ist das noch Punkrock? The Gaslight Anthem driften mit "Get Hurt" ins Seichte ab - und liefern eine Idee für das erste Tattoo. Neue Alben im Plattenkabinett von SZ.de.

Von Thierry Backes und Felix Reek

Es kommt fast schon ikonografisch daher, das rote Herz auf dem Cover des neuen, fünften Albums von The Gaslight Anthem. Es steht auf dem Kopf und wirkt wie eine Blaupause für ein Tattoo, das sich Mädchen mit 16 oder 17 stechen lassen, auf die Innenseite des Oberarms zum Beispiel, dann natürlich in Schwarz, als Symbol für ihre unerschütterliche Liebe zur Band.

Das ist in etwa die Kategorie, in der man denken muss, wenn es um die Entwicklung des einst als Punkband gestarteten Quartetts aus New Brunswick, New Jersey, geht. Die Amerikaner spielen längst in Stadien, und nirgendwo anders gehört ihre breite, bisweilen hymnische Rock-Musik spätestens seit "Handwritten" (2012) auch hin.

Mit "Get Hurt" werden The Gaslight Anthem nun eine Spur poppiger, man könnte auch sagen: Sie werden immer mehr zu einer Kopie von den Killers, die Mitte der Nullerjahre als Indieband starteten und dann in die Charts stürmten mit einer Frage, die so dämlich ist, dass wir sie noch einmal stellen wollen: "Are we human - or are we dancer?"

Teuer produzierte Festival-Musik

Ganz so flach sind die Texte von The Gaslight Anthem nicht, viel besser allerdings auch nicht: "See, I know a nurse specialized in the worst/ When you're a friend in need she'll be your friend in deed", singt Brian Fallon in "Helter Skeleton", einem der vielen Songs (darunter auch das folkige "Red Violins oder "Ain't That A Shame"), die sich auch im Killers-Repertoire gut machen würden.

Mit dem straighten Punkrock, den die Band anfangs ausgezeichnet hat, hat das alles nicht mehr viel zu tun. Gut, "Stay Vicious" kracht gleich mit einem knackigen Heavy-Metal-Riff los, und dann ist da noch "Rolling' And Tumblin'", das alte Zeiten beschwört. Der Rest aber ist erschreckend seichte, teuer produzierte Festival-Musik, die offensichtlich auf Masse abzielt, aber viel besser auf die Southside-Bühne passt als nach Wacken.

Wenn dieses Album ein Möbelstück wäre, wäre es ein Eames Chair (Fake, aus diesem Internet).

Wem sollte man dieses Album auf keinen Fall schenken? Den sogenannten Fans der ersten Stunde.

Wer dieses Album mag, hält Coldplay für eine alternative Rockband.

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Beatsteaks - Beatsteaks

Mit Bands ist es manchmal wie mit Freundinnen. Eines Tages wacht man auf und stellt fest: Die Leidenschaft ist weg, der Zauber verflogen. Aber man mag sich noch. Die gemeinsame Vergangenheit war eben doch irgendwie schön. Das erste Mal traf ich die Beatsteaks 1998 bei der "Monsters Of Hauptstadt"-Tour. Ich hatte noch nie von der Band gehört. Aber es gab einen Schulfreund, der zitierte immer diese Zeilen: "Manowar, Manowar, living on the road, when we're in town speakers explode."

Das fand ich unheimlich lustig, auch wenn ich das dazugehörige Lied der schwertschwingenden Metal-Kasper Manowar gar nicht kannte. Und irgendwann am Abend war da diese Band. Der Sänger kniete auf einem Gitarrenkoffer, mitten im Publikum. Er sang genau diese Zeilen. Und mit "Manowar kills!" richtete er sich auf und surfte durch das Publikum. Es waren die Beatsteaks. Ich war schwer beeindruckt.

Die ersten drei Alben der Beatsteaks liebte ich wirklich. Das war eine Band von Fans für Fans. Man hörte den Beatsteaks immer an, welche CDs gerade in ihrem Tourbus rotierten. Bei "48/49" (1997) waren es Skatepunk und früher US-Hardcore. Auf "Launched" (1999) und "Living Targets" (2002) Faith No More. Mit "Smack Smash" (2004) gelang ihnen dann der erste wirkliche kommerzielle Erfolg. Und es war das erste Album, bei dem ich mir dachte: "Ganz nett, aber noch eines brauche ich nicht von der Sorte."

Ähnlich ging es mir in den letzten Jahren bei den Kings Of Leon und den Queens Of The Stone Age. Natürlich blieben die Beatsteaks in den folgenden Jahren bei der eingeschlagenen Richtung. Ich fand die Alben okay, aber sie packten mich nicht mehr. Mir fehlte die Euphorie. Aus dem Gitarrenkoffer wurde ein Surfbrett, aus den Clubs die größten Open Airs der Republik. Ich gönnte es ihnen. So wie man es seiner Ex eben gönnt, dass sie mit einem anderen glücklich ist - solange man selbst zufrieden ist.

Nett, aber nicht wirklich zwingend

Doch dann sieht man sich irgendwann unverhofft wieder. Das neue Album der Beatsteaks liegt seit ein paar Tagen auf meinem Schreibtisch. Es heißt genauso wie die Band und das macht man in den letzten Jahren ja gern, um einen Neuanfang zu markieren. Oder zurück zu den Wurzeln will. Oder einfach keine Idee für einen gescheiten Titel hat.

Tatsächlich geht es mit "A Real Paradise" relativ punkig nach vorne, mit dieser Mischung aus Melancholie und Euphorie, die nur die Beatsteaks so hinkriegen. Das gilt für die ersten drei Songs, dann wird es etwas ruhiger. Was nicht schlimm ist, "Make A Wish" ist klar der Hit des Albums. "Everything Went Black" folgt und ist dummerweise ein Hänger, wird aber mit Sicherheit beim nächsten Open Air für Stimmung sorgen. "Up On The Roof" zitiert dann mit seinem Falsettgesang die Queens Of The Stone Age.

Die Beatsteaks sind eben doch Fanboys.

So geht es zügig weiter, der Großteil der Songs dauert weniger als drei Minuten. Die sind nett bis toll, aber nicht wirklich zwingend. Das mag aber auch daran liegen, dass einfach zu viele dieser Sommerhits à la "Hand In Hand" auf dem Album vertreten sind. Die Mädchen werden das lieben. Ich leider nicht. Aber wir können immer noch Freunde bleiben.

Wenn dieses Album ein Möbelstück wäre, wäre es der Plattenspieler vom Vater. Er ist zwar nicht mehr der neueste, aber man weiß, was man an ihm hat. Und er ist immer für einen da.

Wem sollte man dieses Album auf keinen Fall schenken? Der Lebensabschnittsgefährtin. Die liegt einem sonst den Rest des Jahres in den Ohren, wie süß der Sänger der Beatsteaks doch ist.

Wer dieses Album mag, mag auch Kraftklub. Hauptsache, man kann auf einem Festival dazu hüpfen.

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