Süddeutsche Zeitung

Plattenkabinett:Wenn der Kraft das Gefühl fehlt

Die Band Kill it Kid bringt in "You owe Nothing" ein ziemlich umherwütendes Album heraus. Doch wenn Frontmann Chris Turpin mal innehält, merkt man: Er braucht Hilfe. Neue Alben im Plattenkabinett von SZ.de.

Von Gökalp Babayigit

Schon süß, wie Indie-Bands am Anfang ihrer Karriere auf Pressefotos posieren. Leicht verschüchtert, höchstens eine/r guckt in die Kamera, dafür blicken die anderen verträumt in die Ferne. Später, wenn die ersten Erfolge eingefahren sind, werden aus verträumten dann arrogante Blicke und die Bartlänge nimmt zu.

Aber so weit sind wir bei The Majority Says noch nicht. Die sechsköpfige Band - fünf Männer und Frontfrau Hanna Antonsson - veröffentlicht jetzt ihr gleichnamiges internationales Debüt-Album und reitet dabei eine der vielen Wellen, die Bands aus Skandinavien in aller Regelmäßigkeit in die hiesigen Radiosender und Charts tragen. Früher gab es die Cardigans, heute heißen die Acts Of Monsters And Men, Lykke Li, Highasakite (siehe erste Rezension) oder eben The Majority Says.

Melodiebonbons mit Mumford-and-Sons-Backmischung

Die Liebenswürdigkeit von Hanna Antonssons manchmal fast kindlicher Stimme, eine Handvoll kleiner Melodiebonbons wie "Followers" oder "Raspberry Love", ein bisschen naiver Überschwang wie in "All The Things I Didn't Do", etwas aus der Mumford-and-Sons-Backmischung wie in "Feet Back on the Ground", mehr oder weniger alles hinterlegt mit Coming-of-Age-Texten und im Wechsel mit gefühligen Nummern wie "Raindrops" oder "Calling Your Name": Klar funktioniert das.

Die Frage, die sich aufdrängt, ist aber: Wie viel kann man von eintöniger Kost vertragen, ehe sie einem zum Hals heraushängt?

So ist The Majority Says eine Band, für deren Verortung im Popspektrum man keinen komplizierten Algorithmus braucht. Sie klingt wie viele Bands vor und wahrscheinlich auch nach ihr. Lassen Sie uns die zweite Platte abwarten, wenn aus den verschüchterten Blicken arrogante geworden sind.

Wer dieses Album hört, mag auch: Highasakite, Of Monsters And Men.

Wenn diese Platte ein Filmgenre wäre: Wäre sie ein Coming-of-Age-Drama.

Wo hört man das Album am besten: im Hipster-Café.

"Damit wir uns gleich von Anfang an richtig verstehen, Freundchen: Wir nehmen keine Gefangenen." So eine Botschaft wollen die ersten Takte von "Black It Out" transportieren, dem ersten Song auf "You Owe Nothing". Verantwortlich für dieses umherwütende und nur selten innehaltende Album ist die Band Kill it Kid aus dem englischen Bath.

"Mit dem Blues hat alles angefangen, mit dem Blues wird es irgendwann wieder enden" schrieb der hochgeschätzte Kollege Gierke an dieser Stelle schon einmal, und er hat damit wie immer recht. Der Blues-Rock ist zwar viel zu omnipräsent, als dass er jetzt schon das Zeitliche segnen könnte. Aber wäre "You owe nothing" das letzte Album seiner Art, es wäre ein Abgang mit einem lauten Knall.

Spaziergang durch den Royal Victoria Park

Frontmann Chris Turpin rumpelstilzt durch Songs wie das bereits erwähnte "Black it Out", "Sick Case of Loving You" oder dem vor Energie fast berstenden "I'll be the first" und nimmt es dabei mit den Gitarren und dem Schlagzeug auf, als würde er durch den Royal Victoria Park in seiner Heimatstadt Bath spaziern.

Bei den bluesigeren Stücken hilft Turpin seine ganze Power allerdings wenig. Sie hilft ihm bei "Caroline" nicht. Bei "Tried Used Loves Abused" nicht. Bei "Hurts To be Loved by You" auch nicht. Turpin klingt in diesen Songs ein wenig hilflos.

Aber vielleicht ist Hilfe gar nicht weit weg. Frontfrau Stephanie Ward, die in "Blood Stop and Run", "Don't It Feel Good" und vor allem in "Law of Love" den Gesangspart übernimmt, klingt so, als fühle sie sich bei den gefühligeren Stücken wohler als ihr Nebenmann. Mit ihr am Mikrofon dürften die innehaltenden Momente auch gerne zunehmen.

Wer dieses Album hört, mag auch: The Kills und The Black Keys.

Wenn diese Platte ein Filmgenre wäre: Action.

Wo hört man das Album am besten: auf dem Motorrad.

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