Weihnachten 2005, am Rechner unter dem Hochbett in dem abgedunkelten Zimmer eines Bekannten, Typ Bier und Pizza: "Da, das haben wir noch nicht", sagt er und klickt. "Ravey Ravey Ravey Club - Live at The Grapes", steht auf dem Bildschirm, daneben: 128 kbps, mono. Die Soundqualität mit miserabel zu umschreiben, wäre ein Euphemismus, egal, Hauptsache dabei sein, beim ersten großen Myspace-Hype.
Die Band der Stunde kommt aus Sheffield und heißt Arctic Monkeys. Bis Silvester finden sich 20 Songs im Internet, die meisten davon eingestellt von Alex Turner und seinen Jungs, die anderen: nun ja. Das wenig später veröffentlichte Album "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" verkauft sich dennoch hervorragend (und macht sich gut in der Sammlung, obwohl die unfassbar hässliche Aschenbecher-CD jedes Mal wieder den Würgreiz aktiviert).
Mit dem Indie-Rock verschwinden auch die Arctic Monkeys nach und nach von der Bildfläche. 2013 erlebt das Genre allerdings ein (kleines) Comeback, mit neuen Alben von den Strokes, Franz Ferdinand, den Babyshambles - und nun eben von den Arctic Monkeys. "AM" unterscheidet sich aber schon dadurch von den Werken der Konkurrenz, weil es gar nicht erst versucht, das erfolgreiche Alte in eine neue Version zu verpacken. Das rotzige Garagengeschrammel, das einen anno 2006 noch durch die Clubs fetzen ließ? Spielt hier nur noch eine Nebenrolle (etwa in "R U Mine").
Die Arctic Monkeys arbeiten sich viel lieber mit Elan durch 50 Jahre Rock- und Popgeschichte. Sie huldigen den Rolling Stones und den Queens Of The Stone Age - wohlgemerkt in einem Song ("Arabella") -, sie bewerben sich mit "No. 1 Party Anthem" um einen Platz auf der nächsten Kuschelrock-CD, spielen lässig mit Hiphop-Beats ("Why'D You Only Call Me When Your'Re High?") und schließen das Album doch tatsächlich mit einer R'n'B-Ballade ab ("I Wanna Be Yours").
Das wirkt alles so überlegt, reif und smart, dass man sich fragt, ob die Arctic Monkeys dieses Album nur für Kritiker eingespielt haben. Sei's drum: "AM" macht einfach Spaß.
Wäre das Album ein Schauspieler, dann wäre es: Brad Pitt in Ocean's Eleven.
Wäre das Album eine Mahlzeit, dann wäre es: Ein Kobe-Rinderfiletsteak mit der neuen Kräuterbutter von Nelson Müller.
Dieses Lied muss auf mein nächstes Mixtape drauf: "Do I Wanna Know?".
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