Fies, diese Aufmerksamkeitsökonomie: "Du solltest schon jemanden wie Avril Lavigne oder Celine Dion dabei haben", warnte ein Kollege. Nicht auf der nächsten Kneipentour, sondern als Bestandteil dieses kleinen Plattenkabinetts. Denn sonst, so die inhärente Botschaft, würden sich nur die paar Spex- und Quietus-Leser da draußen auf den Artikel verirren.
Nun wäre genau die richtige Reaktion, genau aus diesem Grund einzig Freejazz-, Weltmusik- und Hardcore-Alben vorzustellen. Dachte ich. Und guckte heimlich, ob schon jemand das neue Robbie-Williams-Album besprochen hat - denn mit irgendeinem Köder müssen die Menschen zu den Experimentalmusikern dieser Welt gelockt werden.
Nun gut, der Kollege Fellmann hat sich schon des Herrn Williams angenommen (Spoiler: sein Eindruck ist gar nicht mal so übel). Aber wer braucht den gestrigen Robbie Williams, wenn er wie ich den äußerst heutigen Justin Timberlake hat?
Okay, Timberlake singt auf dem Soundtrack zu "Inside Llewyn Davis" nur drei Songs, und die nicht einmal alleine. Aber er zeigt damit eine Wandlungsfähigkeit, die ihn schon länger - anders als Williams - aus der Entertainer- in die Musikerecke befördert hat. Und in die Schauspielerecke: JT übernahm in dem Film eine Nebenrolle.
Musik als filmisches Zentrum
Das alleine würde noch nicht reichen, diesen Soundtrack zu empfehlen: Aber zum einen handelt es sich ja nicht um irgendeinen Film, sondern um das neue Werk der Coen-Brüder (Kinostart 5. Dezember), das sich mit dem Leben des erfolglosen New Yorker Folk-Musikers Llewyn Davis beschäftigt.
Zum anderen ist die Musik mehr als Untermalung für den Film, sondern das Zentrum. Auf dem Album singt Hauptdarsteller Oscar Isaac selbst auch Folk-Balladen (nicht charismatisch, aber schön melancholisch), dazu kommen Genre-Heroen wie Bob Dylan oder der verstorbene Dave van Ronk, der Vorbild für die Hauptfigur ist. Sein Geheimklassiker "Green, Green Rocky Road" ist mein persönlicher Anspieltipp.
Produziert hat das Album T-Bone Burnett, der bereits mit dem Soundtrack zum Coen-Film "Oh Brother Where Art Thou" Musikgeschichte zum Charterfolg machte (acht Millionen verkaufte Alben). Wer noch mehr Namen möchte: Marcus Mumford von Mumford & Sons ist auch mit an Bord.
Für die Anzahl an Beteiligten ist das Album manchmal etwas zahm, hört sich nach Greenwich-Village-Idylle an. Aber so richtig wird es ohnehin erst wirken, wenn dazu die Bilder des Films im Kopf entstehen. Reinhören lohnt sich allerdings schon vor dem 5. Dezember, leider hat Spotify (noch) nicht alle Lieder freigegeben.
- Wäre dieses Album eine Smiley, wäre es B-)
- Wäre dieses Album ein Gericht, es wäre ein leckerer Ziegenkäsesalat.
- Wäre dieses Album ein Partyzimmer, es wäre die Küche.
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Roy Keane war eine irische Fußball-Urgewalt, die in der langen Karriere nie einem Zweikampf oder einer roten Karte aus dem Weg ging. Von den englischen Schmachtrockern Keane lässt sich das beim besten Willen nicht behaupten. Eher ging das Quartett in den vergangenen zehn Jahren keinem Hit aus dem Weg.
Mehr noch: In der ersten Dekade der Nullerjahre war es Festivalbesuchern von Budapest bis Barcelona quasi unmöglich, ihrerseits Keane aus dem Weg zu gehen - irgendwo auf dem Lineup waren sie immer zu finden, und wenn es um neun Uhr morgens war. Trotz des Engagements hat es für Keane (Band), anders als für Keane (Fußball-Profi), jedoch nie für den Champions-League-Sieg gereicht.
Nun blicken die vier Britpopper zurück, traditionell und weihnachtsgeschäftstauglich mit einem Best-Of-Album. 38 Songs, darunter nicht nur Hits wie "Somewhere Only We Know", "Spiralling", "Everybody's changing", sondern auch - und das ist die gute Nachricht - mit Songs jenseits der aus dem Radio bekannten Keane-Strukturen (Keyboard-Melodie - Coldplay-artige Gesangslinie - Keyboard-Melodie mit Hall). Selbst Gitarren kommen auf Songs der vergangenen Alben vor, obwohl Keane doch stets als "Band ohne Gitarren" bekannt war.
Experimentell? Konventionell
Die schlechte Nachricht: Gerade die Ausbrüche aus der Konvention sind beim genaueren Hinhören dann doch ziemlich althergebracht, genauer gesagt Füllmaterial. Titel wie "Atlantic" gelten in Fankreisen wahrscheinlich als Beweis für die Vielseitigkeit Keanes; zu Material von Bands wie den frühen Coldplay oder Death Cab For Cutie verhalten sie sich allerdings wie Eintracht Braunschweig zu Manchester United.
Die echten Fans wird das nicht abhalten, Braunschweig beziehungsweise Keane weiter zu unterstützen und unter diesem Artikel verärgerte Kommentare zu hinterlassen.
- Wäre dieses Album eine Smiley, wäre es :-/
- Wäre dieses Album ein Gericht, es wäre aufgewärmtes Gulasch.
- Wäre dieses Album ein Partyzimmer, es wäre das Knutschzimmer, das leider auch Abstellraum ist.
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In Artikeln über schwedische Musiker wimmelt es meist von Klischees. Eine Auswahl:
- Abba-Remineszenzen (immer, vor allem, wenn Männer und Frauen in der Band sind)
- Vergleiche mit den Cardigans (wenn eine Frau singt und/oder blond ist)
- Hinweis auf den kalten Winter (gerne im Bereich Metal, hier auf ganz Skandinavien übertragbar)
- Astrid Lindgren: Ihre Figuren Pippi Langstrumpf und Karlson vom Dach tauchen im musikalischen Kontext auf
- Knäckebrot nicht vergessen!
- Und der Hinweis, dass Schweden erstaunlich viele erfolgreiche Musiker hat
Eine typische Klischee-Rezension des neuen Albums von The Sounds könnte also so aussehen:
Nicht erst seit Abba wissen wir, dass Schweden ein kleines Land mit einer Menge talentierter Musiker und Bands ist. The Sounds aus Helsingborg sind seit 1999 aktiv und erinnern entfernt an die Cardigans. Das liegt nicht nur an Sängerin Maja Ivarsson, sondern auch an der Mischung aus eingängigem Poprock und knäckebrot-trockenen Rhythmen. Ihr neues Album "Weekend" ist der ideale Soundtrack für ein Pipi-Langstrumpf-Leben. Zeilen wie "If you're wondering what it's like to be me. I live for the weekend, baby" oder Titel wie "Shake Shake Shake" sind ja nichts anderes als der Befehl, das Leben wie den Aufenthalt in der Villa Kunterbunt zu genießen. Oder den kalten Winter einfach wegzutanzen.
Nun aber ernsthaft, jenseits aller Stereotype über die schwedische Musikkultur: Mir hat "Weekend" erstaunlich gut gefallen. Erstaunlich deshalb, weil The Sounds gerne die Abkürzung zur Eingängigkeit, zur einfachen Harmonieauflösung nehmen. Bayern 3 ist da manchmal näher als mir lieb ist (hier: "Too Young To Die", "Hurt The Ones I Love").
Andererseits: Gefällig heißt nicht billig. Einige Titel ("Weekend", "Shake Shake Shake", "Young And Wild", "Take It The Wrong Way") sind klassische Tracks für WG-Party- oder "Ich-muss-noch-Büroarbeit-machen-und-brauche-nette-Musik"-Playlists. Manchmal ist Musik eben nicht für die einsame Insel, sondern für die gute Laune im tristen November.
- Wäre dieses Album eine Smiley, wäre es \o/
- Wäre dieses Album ein Gericht, es wäre Pizza.
- Wäre dieses Album ein Partyzimmer, es wäre das zur Tanzfläche umfunktionierte Wohnzimmer der Eltern.
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