Plattenkabinett:"Hintern, Hintern überall"

Jennifer Lopez In Concert - New York, NY

Ihrem viel gerühmten Hintern widmet Jennifer Lopez auf "A.K.A." den letzten Song.

(Foto: AFP)

Jennifer Lopez' attraktive Rückseite half ihr in den 90ern bei einer beachtlichen Karriere in der Musik- und Filmbranche. Jahre später widmet die Musikerin ihrem Hintern einen eigenen Song. Jetzt muss er nur noch singen lernen. Neue Alben im "Plattenkabinett", der Musikkolumne von SZ.de.

Von Felix Reek

Sie müssen jetzt stark sein. Die 90er sind zurück. Das zeigt sich darin, dass uns die peinlichen kleinen Sünden von damals erneut heimsuchen. Buffalo-Stiefel und bauchfreie Oberteile etwa. Oder auch Linkin Park, Body Count und Jennifer Lopez. Letztere schaffte es in den späten 90ern vor allem aus einem Grund zum Superstar: Ihr Hintern galt als der heißeste im Showbiz. Die wohlgeformte - und für 27 Millionen Euro versicherte - Rückseite ermöglichte ihr nicht nur eine veritable Karriere in Hollywood, sondern verkaufte auch insgesamt 70 Millionen Singles und Alben. Das ist aber bereits einige Jahre her. An ihre Mega-Hits wie "Let's Get Loud" konnte J.Lo nie wieder anknüpfen. Trotzdem versucht es La Lopez unermüdlich weiter.

"First Love" heißt die erste Single aus dem neuen Album "A.K.A." und klingt gar nicht mal so schlecht. Sommerhit-Keyboard, furztrockenes Schlagzeug, ein bisschen "uh oh uh oh", das dünne Stimmchen von J.Lo, ein Video, das sich hauptsächlich auf die Rückseite der Sängerin konzentriert. Ist gekauft, das funktioniert. Beim Rest ist es nicht ganz so einfach. "Never Satisfied" ist eine klassische Pop-Ballade und könnte genauso gut von Taylor Swift oder Katy Perry stammen. Wiedererkennungswert gleich null. In "Emotions" beklagt sich J.Lo, dass ihr jemand die Gefühle gestohlen habe. Aber "sie fühle sich gut, denn sie fühle sich nicht schlecht". Das ist zumindest textlich schlüssig.

Der Rest ist banaler Dance-Pop mit "Featuring"-Auftritten, die sich meist auf das übliche "Uh, aha, yeah" und "Lamborghini, Lamborghini, das Gesetz kann mich nicht aufhalten"-Gebrabbel eines Gast-Rappers beschränken ("Worry No More feat. Rick Ross"). Vom vielbeschworenen Latino-Pop, den Lopez Ende der 90er in den Mainstream holte, ist bis auf die kitschige Flamenco-Ballade "Let It Be Me" wenig zu hören.

Aber wenn nichts mehr geht, geht immer noch der viel gerühmte Hintern der Lopez. Dem widmet sie tatsächlich den letzten Song auf "A.K.A.", mit dem wunderbaren Refrain: "Großer, großer Hintern, sie hat einen großen Hintern. Großer, großer Hintern, sie hat einen großen Hintern." Weitere Textzeilen gefällig? Bitte schön: "Hintern, Hintern, Hintern, Hintern, Hintern überall". Vielleicht sollte J.Los prominente Rückseite eine Solokarriere in Erwägung ziehen. Dann klappt es auch wieder in Hollywood.

Wenn dieses Album eine Sportart wäre, dann wäre es ... Pole Dance. Gilt ja mittlerweile auch als Sportart, oder?

Man hört das Album am besten ... in der Großraum-Disse des Vertrauens.

Wer dieses Album hört, mag auch ... Miley Cyrus, Shakira, Rihanna.

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Linkin Park - The Hunting Party

"O scheiße, das Rock-Radio wird das hier nicht spielen, oder?", fragte sich laut Rolling Stone Linkin-Park-Rapper Mike Shinoda nach der Vollendung von "The Hunting Party". Ein "hartes" Album wollte die Band machen, weg vom Pop der letzten Veröffentlichungen, einen Gegenentwurf zum aktuell überall präsenten Indie-Rock. Also erinnerte man sich an die Bands, die einen zu Beginn der eigenen Karriere beeinflussten: Helmet, Refused, At The Drive-In.

Aber man kennt diese Rhetorik von Rockbands: Das nächste Album ist immer das härteste. Genauso wie jeder Hollywoodschauspieler beteuert, der aktuelle Film sei der beste, den er je gedreht habe. Um diesen Anspruch zu unterstreichen, luden sich Linkin Park die Jugendhelden der 90er ein: Page Hamilton (Helmet) singt den Refrain von "All For Nothing", Tom Morello (Rage Against The Machine) macht lustige Gitarrengeräusche auf "Drawbar", Daron Malakian (System Of A Down) veredelt die Strophe von "Rebelllion".

Rock am Ring 2014

Chester Bennington, Frontmann von Linkin Park bei "Rock am Ring" 2014.

(Foto: dpa)

Trotzdem halten Linkin Park die neu gefundene Härte auf "The Hunting Party" genau eine Minute lang durch. "Keys To The Kingdom" beginnt mit verfremdeter Stimme, es wird ordentlich losgeholzt. Dann setzt der Refrain mit einem zuckersüßen Harmoniegesang ein, den die Backstreet Boys nicht schöner hinbekommen hätten. So wiederholt sich das auf dem Album immer und immer wieder. Es geht von einem Break zum nächsten, das Schlagzeug poltert hektisch, dazwischen wird gebrüllt, bis der Refrain alles in Wohlgefallen auflöst.

Das klingt anstrengend. Und genau das ist das Problem von "The Hunting Party": Linkin Park können sich nicht entscheiden. Die Stärke der Band waren immer die großen Stadienhymnen. "Hart" konnten die anderen sein. Dafür hatten die nicht die "Rock am Ring"-kompatiblen Mitgrölrefrains. Beides zusammen funktioniert nur bedingt. Nach der Hälfte des Albums wirkt das neue Konzept beliebig. "Mir ist sehr wohl bewusst, dass es da draußen superharte Bands gibt, deren Musik wirklich, wirklich rau ist", sagte Shinoda dem Rolling Stone noch. "Wir dagegen haben eine wirklich laute und aggressive Linkin-Park-Platte gemacht". Hätten sie es doch lieber bleiben lassen.

Wenn dieses Album eine Sportart wäre, dann wäre es ... Wrestling. Viel Show, ein paar harte Schläge und dazwischen viel Drama.

Das Album hört man am besten ... auf der Hauptbühne bei Rock am Ring. Wo immer das auch im nächsten Jahr stattfindet.

Wer dieses Album hört, mag auch ... Green Day, Nickelback, Limp Bizkit.

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Body Count - Manslaughter

"Body Count is back #whothefuckcares #Ice-T #I prefer lemonade Nigger." Ice T war schon immer ein lustiges Kerlchen. Mit dieser Twitter-Zeile kündigt er im Video zu "Talk Shit, Get Shot" die Rückkehr seines Rock-Projekts Body Count an. Damit hatte wohl niemand gerechnet. Und so richtig gewünscht hatte sich das wohl auch niemand. In der Welle von Crossover-Bands, die in den 90ern Rap mit Metal kreuzten, waren Body Count zwar immer einer der unterhaltsamsten, aber auch der musikalisch stumpfesten Vertreter. Daran hat sich acht Jahre nach dem letzten Album nicht viel geändert. Body Count 2014 klingen wie Body Count 1992: Dicke-Hose-Gitarren und Ice T, der uns erzählt, wer ihm alles auf den Sack geht. Aber meine Güte, macht das einen Spaß!

Im Suicidal-Tendencies-Cover "Institutionalized" etwa streitet sich Ice-T mit einem Veganer, der ihm sein ungesundes Schinkensandwich vermiesen will. Seine Antwort: "Der einzige Weg, wie ein Schinkensandwich mich umbringen könnte, ist, wenn ich es aus einer Knarre feuere." "Pop Bubble" nimmt sich den zeitgenössischen Hip-Hop vor: "Wir sind weit gekommen. Von 'Fight The Power' zu 'Was trägt Kim Kardashian heute eigentlich?'". Und in "99 Problems", das Ice T bereits 1993 zum ersten Mal veröffentlichte und gleich zweimal auf dem aktuellen Album vertreten ist, sind es die "Bitches, mit einem Hintern, so breit wie ein Flatscreen-Fernseher", die ihm auf die Nerven gehen. Am Ende des Songs sagt er tatsächlich "Word!". Herrlich!

Dazwischen gibt es auf "Manslaughter" natürlich viel Füllmaterial. Auch das kennt man von Body Count. "I will Always Love You" etwa ist eine schrecklich pathetische Liebeserklärung an die US-Soldaten. "Bitch In The Pit" huldigt Frauen im Mosh-Pit. Und "Black Voodoo Sex" dreht sich um Voodoo und, genau, Sex. Das ist alles andere als neu. Rap-Metal ist nicht ohne Grund schon seit Jahren tot. Trotzdem kommt kaum eine Rock-Disse ohne die Hits von Rage Against The Machine aus. Und zwischen "Killing In The Name Of" und "Bullet In Your Head" ist allemal Platz für Body Counts "Talk Shit, Get Shot".

Wenn dieses Album eine Sportart wäre, dann wäre es ... Ultimate Fighting. Draufhauen, bis der Arzt kommt.

Man hört das Album am besten ... im Auto. Laut. Alle Fenster runter. Bandana halb über die Augen. Wichtig: Ellenbogen raus. Optional: Das Auto hüpfen lassen.

Wer dieses Album hört, mag auch ... Rage Against The Machine, Downset, Judgement Night OST.

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