Plattenkabinett:Hape macht ernst

'Wetten, dass..?' aus Offenburg

Hape Kerkeling gibt bei "Wetten, dass..?" den umschwärmten Schlagerstar.

(Foto: dpa)

Mit "Total Normal" schrieb Hape Kerkeling Fernsehgeschichte. Dann gelang ihm mit "Ich bin dann mal weg" auch noch ein Bestseller. Jetzt versucht sich der Komiker als Schlagersänger. Das Ergebnis ist leider alles andere als lustig.

Von Felix Reek

Lieber Hape Kerkeling, es tut mir wirklich leid, diese Plattenkritik schreiben zu müssen. Ganz ehrlich. Schon allein wegen der vielen schönen Fernsehstunden, die wir zusammen verbracht haben. Königin Beatrix, Mitropa Kaffemaschinen, Hurz! Was haben wir gelacht! Aber Ihr Album "Ich lasse mir das Singen nicht verbieten" ist einfach scheußlich. Das muss man einfach mal so sagen.

Dass Sie Schlager lieben, war immer klar. Haben Sie uns doch auf der Bühne den kompletten Grand Prix Eurovision de la Chanson vorgespielt. In Personalunion. Oder Ihre Persiflage von "Felicita" mit Margarethe Schreinemakers, bis zu den Knien versenkt in der Bühne - herrlich! Aber gleich ein ganzes Schlageralbum, hätte das wirklich sein müssen?

Bei der letzen Ausgabe von Wetten, dass..? vor der Sommerpause haben Sie sich ja erklärt. Als Kind saßen Sie immer vor dem Fernseher und schauten die "ZDF Hitparade" mit dem Dieter, dem Thomas, dem Heck. Das habe Spuren hinterlassen. Andere Heranwachsende hätten sich daraufhin wohl mit Deep Purple und Konsorten den Schädel freigeblasen - doch Sie nicht! Sie entschlossen sich stattdessen, es mit 17 als Sänger zu versuchen. Die Idee war schon damals nicht gut und die Welt alles andere als bereit. Nur eine Handvoll Tonträger verkauften Sie, Ihrer eigenen Erzählung nach. Das hatte zumindest einen positiven Nebeneffekt: Sie wurden Komiker. Und was für einer!

Wenn sich dieses Talent doch nur auf Ihrem Album zeigen würde. Aber "Ich lasse mir das Singen nicht verbieten" ist vollkommen spaßbefreit. Sie meinen es wirklich ernst! In den besseren Momenten erinnern Sie, verehrter Hape, zumindest an Udo Jürgens. Dieses Theatralische in der Stimme, das steht Ihnen gut zu Gesicht. Aber die meiste Zeit bleibt das doch einfach ein ziemlich einfallsloses Sammelsurium an Schlagerhits, die Sie neu aufgenommen haben. "Bummsfallera" und das Zeitlupen-Schlagzeug der "Flippers" aus dem Seniorenstift inklusive. Helene Fischer, hilf!

Das alles wäre noch verzeihbar gewesen, wenn Sie nicht auch noch Ihren "Hurz"-Sketch durch den Disco-Fleischwolf gejagt hätten. Da drehen sich Kindheitserinnerungen im Grab um. Aber eines muss man Ihnen zugestehen: Wenn es eine Zeit gibt, ein Schlageralbum zu veröffentlichen, dann jetzt. Helene Fischer ist schließlich überall, auf der Bühne und in der Butter-Werbung. Und wie heißt es so schön in Ihrem Titelsong: "Ein Schlager heißt doch nur ein bisschen Freud." Und wissen Sie was, lieber Hape, wenn es Ihnen Freude bereitet, dann singen Sie eben. Wenn es denn unbedingt sein muss. Es sei Ihnen gegönnt. Wirklich. Schon allein wegen der vielen Freude, die Sie uns allen über die Jahre bereitet haben. Königin Beatrix, Mitropa Kaffemaschinen, Hurz! Ich folge derweil einfach Ihrem Rat: "Die Leute, die dagegen sind, sollen doch nach Hause gehen."

Wann hört man das Album am besten? Vor dem Besuch eines Helene Fischer Konzerts.

Wenn das Album ein Kleidungsstück wäre, dann wäre es das karierte Sakko von Gottlieb Wendehals.

Wenn das Album eine Reise wäre, dann führte sie in einem Zug nach Nirgendwo.

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Steel Panther - All You Can Eat

"Soraya bitte verlasse sofort den Saal, sonst können Steel Panther nicht beginnen", schallte es immer wieder beim ersten Deutschlandbesuch von Steel Panther durch den mittlerweile geschlossenen Münchner Club "59 to 1". Am Vorabend hatte ein Pornosternchen in Hamburg die Bühne geentert und das gemacht, was man als aufstrebende Künstlerin im horizontalen Gewerbe eben so macht. Das brachte der Band 2010 ihre erste Bild-Schlagzeile als "versexteste Band der Welt" ein. Und einen Tag später den Besuch der Münchner Polizei, die alle Minderjährigen aus dem Club warf. Pech für Soraya.

Mit der "versextesten Band der Welt" hat die Boulevard-Zeitung aber nicht ganz unrecht. Lyrisch gesehen sind Steel Panther ziemlich eindimensional. Es geht um Sex, und nichts anderes. Vornehmlich mit Frauen, gerne auch mehreren gleichzeitig. So explizit, dass es erstaunlich ist, dass es die Band gerade in den USA zu Kultstatus gebracht hat. Ein Musik gewordener Hochglanzporno.

2000 gegründet, versuchte es die Band unter wechselnden Namen zunächst mit Coversongs des verhasstesten Musik-Genres aller Zeiten: Hair Metal. Die Hits von Ratt, Mötley Crüe, Bon Jovi und Poison - Steel Panther hatten sie alle drauf und spielten sie besser als die Originale. Inklusive der Spandex-Hosen, auftoupierten Perücken und des Make-ups. Der entscheidende Unterschied aber war: Steel Panther nahmen sich nicht ernst. Sie begegneten dem Hair Metal in der einzig noch möglichen Form, der Satire. Aus dem dekadenten Hardrock, der sich verdeckt sowieso nur um Sex drehte, wurde Hardrock, der sich explizit nur um Sex dreht. Mit einer Hitdichte, von der die ursprünglichen Erfinder nur träumen können.

"Party Like Tomorrow Is The End Of The World" auf dem neuen Album "All You Can Eat" etwa ist ein Kracher, den auch der betrunkenste Perückenträger nach dem ersten Refrain mitgröhlen kann. Die erste Single "The Burden Of Being Wonderful" wiederum eröffnet mit den besten Zeilen eines Songs in diesem Jahr: "Why in a world of ugly faces should I be allowed to be so hot". Ähnlich hochkarätig geht es weiter: "I'm just a Maserati in a world of Kias".

Der Rest des Albums widmet sich der Durchdeklinierung der Geschlechtsteile. Erstaunlich, wie viele Begriffe Steel Panther dafür finden. Selbst die Liedtitel würden es nicht durch die US-Zensur schaffen. Das ist sicher nicht besonders subtil. Aber verdammt lustig, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen. Denn Steel Panther sind natürlich wie jede gute Parodie kein reines Witzprojekt. Sie lieben die Musik, die sie spielen. Sie sind Tribut und Persiflage zugleich. Und das Lustigste, was Hardrock jemals hervorgebracht hat.

Wann hört man das Album am besten? Bei einem Besuch eines Tabledance-Etablissements Ihrer Wahl.

Wenn das Album ein Kleidungsstück wäre, dann wäre es eine Zebra-Spandex-Hose.

Wenn das Album eine Reise wäre, dann führte sie auf den Sunset Strip.

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Afghan Whigs - Do To The Beast

Es gibt wohl niemanden im Indie-Rock, der so schön greint wie Greg Dulli. Wo bei der Konkurrenz gejammert und gelitten wird, da versprüht der Kopf der Afghan Whigs Melancholie und Sex. Gleichzeitig. Wie Dulli die Töne dehnt, leidet, wimmert und schreit, das ist in diesem Genre einzigartig. Das mag daran liegen, dass die Band in einer Zeit den Durchbruch schaffte, in der alle Nirvana sein wollten. Nur die Afghan Whigs nicht, die bevorzugten Marvin Gaye, die Temptations, Aretha Franklin. Wo es beim Grunge polterte, waren die Gefühlsausbrüche der Afghan Whigs weniger plakativ - aber dafür umso intensiver.

1992 landeten sie mit "Congregation" den ersten Achtungserfolg. Das Scheppernde von Sonic Youth und Dinosaur Jr. traf auf den Überschwang der Gefühle des Soul. So hat das bis heute niemand hinbekommen. Das ging sechs Alben lang gut - dann trennte sich die Band 2001. Alles war gesagt. Bis jetzt.

"Do To The Beast" soll dort anknüpfen, wo man vor 16 Jahren aufhörte. "Ich bin schon seit 48 Jahren hier, und diese Platte enthält alles, was ich weiß", gab Greg Dulli im Interview mit Spex von sich. Die Betonung liegt dabei offensichtlich auf "ich". Von der letzten Besetzung der Band ist nur noch Bassist John Curley dabei. Das macht sich schmerzlich bei den ersten Stücken auf "Do To The Beast" bemerkbar. Hier mahlt der Bass, als wolle man gleich vergessen machen, dass Gitarrist und Gründungsmitglied Rick McCollum nicht dabei ist. Der sorgte immer für den unverkennbaren Sound der Afghan Whigs. Stattdessen gibt sich ein All-Star-Team aus Mitgliedern von Chavez, The Raconteurs und der Queens of the Stone Age die Ehre.

Der erste Song, der wirklich nach den Afghan Whigs klingt, kommt erst nach 20 Minuten: "The Lottery". Er bleibt der einzige. Der Rest der Stücke hätte auch auf einem von Dullis anderen Projekten wie "The Twilight Singers" und "Gutter Twins" landen können. Wer also nach einem echten neuen Album der Indie-Souler sucht, wird enttäuscht.

Zum Glück ist Dulli aber immer noch eine Klasse für sich. Egal mit wem er spielt. In "Lost In The Woods" etwa setzen verhalten Streicher und Bläser ein, bis der ganze Song erhaben im Raum schwebt. Große Momente scheute der Sänger nie, egal ob mit den Afghan Whigs oder ohne. Die volle Bläserladung gibt es dann in "These Sticks". Motown lässt grüßen. Das ganz große Kino hebt er sich aber für "I Am Fire" auf. Da greint der Sänger wieder so eindringlich, wie nur er es kann. Und irgendwie ist wieder alles gut. Für die nächsten 16 Jahre.

Wann hört man das Album am besten? Um vier Uhr nachts, nach zwei Flaschen Rotwein.

Wenn das Album ein Kleidungsstück wäre, dann wäre es ein ziemlich verschwitztes Hemd von Marvin Gaye.

Wenn das Album eine Reise wäre, dann führte sie nach Detroit, Home of Motown.

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