Plattenkabinett:Das Gras ist grüner in Neuseeland

Lorde

Lorde: Jugendlicher Indie-Pop aus Neuseeland. Nein, wir haben nicht Amy oder Adele gesagt.

(Foto: Universal)

Neue Klänge von der unglaublichen Lorde, von der himmlischen Band in Heaven und von den ausgeruhten Kollegen aus dem Summer Camp. Mit Hörproben! Neue Alben im "Plattenkabinett", der Musik-Kolumne von SZ.de.

Von Bernd Graff

Was wissen wir von Neuseeland? Wenig, zugegeben. Darum haben wir nachgeschlagen und wurden auch nur dürftig fündig: "Weder geographisch noch kulturell lässt sich Neuseeland eindeutig einem bestimmten Kontinent zuordnen. Für einen Industriestaat eher ungewöhnlich sind die Hauptwirtschaftszweige Land- und Forstwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie (hauptsächlich Molkereiprodukte) sowie Tourismus. Neuseeland wird vielfach als 'grüne Insel' bezeichnet, was teilweise der dünnen Besiedlung geschuldet ist. Diese und die relative Unberührtheit der Natur sowie die äußerst vielfältige und einzigartige Vegetation sind auch durch die relativ isolierte Lage der Inseln bedingt." Aha.

Jedenfalls stammt eines dieser einzigartigen Gewächse, eine noch nicht einmal 17 Jahre alte Musikerin, von einer der Inseln im südlichen Pazifik, genauer aus Devonport, Auckland, Neuseeland. Sie trägt den Hobbit-ähnlichen Namen Ella Yelich-O'Connor. Stopp, braucht sich niemand zu merken! Denn der jungen Dame, Schülerin an der Takapuna Grammar School in Belmont, hat es gefallen, sich fortan Lorde zu nennen, mit einem stummen "e" am Ende. Und den Namen sollte man sich merken.

17, soso. Sie ist angeblich schon im Pop-Geschäft, seit sie 12 ist, mit 15 schrieb sie erste Songs, Ende letzten Jahres veröffentlichte sie ein erstes bemerkenswerteres Extended Play mit dem Titel "The Love Club", zuerst frei im Internet. Das ging rasch durch die Digitaldecke, denn Lorde hat eine vibrierend-geschmeidige Stimme, die man bei einer 17-Jährigen nicht vermuten würde. Gut, wir sagen jetzt nicht Amy Winehouse oder Adele, und wir behaupten auch nicht, dass dieses junge Ding seine wahre Musikbestimmung schon gefunden hat, aber in die richtigen Richtungen geht es mit jedem Stück. Ihr Songs "Royals" und "Tennis Court" wurden schon Nummer-eins-Hits in den neuseeländischen Singlecharts.

Gerade ist ihre erste "echte" Platte "Pure Heroine" erschienen, von der wir Tracks in der Hörliste haben. Empfehlung: Reinhören! (Und hier ein Interview zum Kennenlernen)

  • Wenn man Bruce Springsteen fragen würde, was er von dieser Platte hielte, würde er wohl My Best was never good enough sagen.
  • Wenn die Platte ein Tier wäre, dann wäre sie ein Baby-Kiwi.
  • Wenn das Album der Soundtrack zu einem Film wäre, dann zu Lee Tamahoris "Die letzte Kriegerin" (Once were Warriors).

Falls Sie die Playlist nicht abspielen können, melden Sie sich bitte bei Spotify an.

Anschnallen! Es geht nach Florida.

So, kleine Halbweltreise, von Neuseeland nach West Palm Beach, Orlando, Florida, USA.

Dort ist nicht nur immer himmlischer Sommer, dort wuchs auch eine Band im Himmel heran, die sich entsprechend Band in Heaven nennt und eine Musik macht, die trügerisch himmlisch ist.

Ganz richtig: Der Band-Name stammt von dem wunderbaren, unvergleichlichen Talking Heads-Song "Heaven", dem wir die wunderbare, unvergleichliche Zeile verdanken: "Der Himmel ist jener Ort, an dem wirklich nichts mehr passiert". Auch wenn dort eine "Band in Heaven" immer wieder den Lieblingshit von neuem spielt.

Die Musik der Florida-realen "Band in Heaven" muss alles richtig machen, geht ja gar nicht anders, bei diesem Paten. Und richtig, die Songs kommen ein wenig sinister und dunkel rüber trotz der oben liegenden Hitparadenanmutung - in etwa so wie die Tracks von Violent Femmes, Giant Sand, Spacemen 3, My Bloody Valentine und The Velvet Underground. Alles in der hypnose-entschleunigten Traumversion, wie kurz vorm Aufwachen.

Tatsächlich ist der Eröffnungstrack "Dandelion Wine" des neuen Albums "Caught in a Summer Swell" einem Roman-Titel des unlängst verstorbenen US-amerikanischen Autors Ray Bradbury (von ihm stammt auch "Fahrenheit 451") entnommen.

In seinem Kapitel-Roman "Dandelion Wine" (auf deutsch: Löwenzahnwein) wird das Ende eines unbeschwerten Sommers aus Sicht eines 12-Jährigen beschrieben. Eigentlich ist es das Ende dieser Kindheit.

Im Song findet sich entsprechend die Zeile: "Kiss your wrist and ask no one the time / stay up late getting drunk off that Dandelion Wine!" Aufgenommen ist diese Sommer-Abschiedsmelancholie dann noch einmal in dem schleppenden, unter die Haut gehenden "Young and Dump". Darin heißt es: "You were the sun back when I was young / you were the sun back when I was dumb." Ach, es ist schon immer traurig, wenn man auf sein eigenes Älterwerden aus Sicht des Alters zurückblicken muss.

Also unbedingt hören!

  • Wenn man Bruce Springsteen fragen würde, was er von dieser Platte hielte, würde er wohl There`s a darkness on the edge of town sagen.
  • Wenn die Platte ein Tier wäre, dann wäre sie ein Pink Flamingo.
  • Wenn das Album der Soundtrack zu einem Film wäre, dann zu Fellinis "Dolce Vita".

Falls Sie die Playlist nicht abspielen können, melden Sie sich bitte bei Spotify an.

Und - bang - sind wir in London!

Wieder eine Halbweltreise, diesmal von Florida nach London. Hier residiert die Band Summer Camp, die gerade das Album "Summer Camp" herausgebracht hat. Auch das ist eine trügerische Angelegenheit. Es kommt ein bisschen rüber wie seifige, pop-überreife, pampig-klebrige Lo-Fi-Disko, so Endsiebziger, ist aber textsicher stets auf der richtigen Seite.

Die im Jahr 2009 gegründete Band Summer Camp gab sich nach ihrem ersten bekannteren Lied, der Cover-Version von The Flamingos "I Only Have Eyes For You", als schwedische Teenie-Band aus. So etwas, liebe Kinder, hätte es früher nicht gegeben, das gibt es erst, seit wir Internet haben. Jedenfalls: Das nahm man ihnen dann doch nicht ab, dazu ist das Cover auch viel zu ausgefeilt.

Heraus kam dann, es handelt sich bei den Musikanten um ein Duo aus London, ein Ehepaar, er ist Musiker, sie schreibt die Texte und singt: Jeremy Warmsley und die Journalistin Elizabeth Sankey. Kollegenmusiker sozusagen.

Man kann nicht alle ihre Songs gleich gut hören, und nicht alle Songs sind treffsicher einem Genre zuzuordnen: Von Psychedelic Pop bis Noise Pop ist alles Indie-mäßig dabei. Aber das wertet die werten Kollegen nicht ab, es macht sie spannend. Dass sie auch ganz anders können, beweisen sie mit "I Got You" auf dem neuen Album.

Auch hier die Empfehlung: Reinhören (vor allem in: "I Got You")!

  • Wenn man Bruce Springsteen fragen würde, was er von dieser Platte hielte, würde er wohl Greetings from Ashbury Park sagen.
  • Wenn die Platte ein Tier wäre, dann wäre sie ein Chamäleon.
  • Wenn das Album der Soundtrack zu einem Film wäre, dann zu Stephen Frears "Mein wunderbarer Waschsalon".

Falls Sie die Playlist nicht abspielen können, melden Sie sich bitte bei Spotify an. Unten finden Sie alle Platten, die in dieser Rubrik bisher besprochen wurden:

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