Süddeutsche Zeitung

Plácido Domingo:Sex gegen Ruhm

Neun Frauen werfen dem 78-jährigen Opernstar vor, sie sexuell belästigt zu haben. Wer sich auf seine Avancen eingelassen habe, dem half er bei der Karriere, wer ihn abwehrte, bekam keine Rollen mehr.

Von Michael Stallknecht

An den hohen künstlerischen Maßstäben, die der Opernstar Plácido Domingo an sich angelegt hat, bestanden nie Zweifel. Anders verhielt es sich angeblich beim Umgang mit Frauen. Da gälten heute Regeln, die sich von denen der Vergangenheit "sehr unterscheiden", wie er sagt. Domingo verteidigte sich mit diesen Worten gegen Vorwürfe, die laut der Nachrichtenagentur AP von mehreren ehemaligen Kolleginnen erhoben werden.

Sie beschuldigen den Sänger, ihnen in den Achtziger- und Neunzigerjahren immer wieder versprochen zu haben, sich gegen sexuelle Gefälligkeiten für ihre Karrieren einzusetzen. Außerdem werfen sie ihm sexuelle Übergriffe vor. Im Zentrum der AP-Recherche stehen acht Sängerinnen und eine Tänzerin. Drei von ihnen geben an, Domingo habe sie zum Kuss genötigt, eine, er habe ihr unter das T-Shirt gegriffen. Sieben der von AP befragten Frauen erklären, es haben ihnen berufliche Nachteile eingebracht, Domingos Avancen zurückzuweisen. Fest zugesagte Rollen seien an andere Künstlerinnen vergeben worden. Keine der Frauen wirft ihm vor, physische Gewalt angewandt zu haben.

Die "Vorwürfe der namenlosen Individuen, die bis zu 30 Jahren zurückgehen" seien "sehr verstörend und in der Art, wie sie präsentiert werden, falsch", sagte Domingo in seiner Stellungnahme. Er habe immer den Eindruck gehabt, dass sein Kontakt mit den Frauen "willkommen und einvernehmlich" gewesen sei. Namentlich hat sich bislang nur die Mezzosopranistin Patricia Wulf zu Wort gemeldet, die berichtet, dass Domingo sie während gemeinsamer Vorstellungen auf der Seitenbühne mehrfach gefragt habe, ob sie heute Abend wirklich heimgehen müsse. "Absolut und sicher war das sexuelle Belästigung", sagt Wulf.

Ob solche Absolut- und Gewissheiten zu erzielen sind, werden die Untersuchungen zeigen, die die von Domingo geleiteten Institutionen nun anstellen dürften, etwa die Washington National Oper, die er 14 Jahre lang leitete, oder die Los Angeles Opera, deren Generaldirektor er ist. Das Philadelphia Orchestra teilt bereits mit, dass Domingo von einer Galaveranstaltung Mitte September ausgeladen wurde.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4562771
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.