Neue Pinocchio-Verfilmungen:Der Wert der Wahrheit

Neue Pinocchio-Verfilmungen: This image released by Roadside Attractions shows Alida Baldari Calabria, left, and Federico Ielapi in a scene from 'Pinocchio.' (Greta De Lazzaris/Roadside Attractions via AP)

This image released by Roadside Attractions shows Alida Baldari Calabria, left, and Federico Ielapi in a scene from 'Pinocchio.' (Greta De Lazzaris/Roadside Attractions via AP)

(Foto: Greta De Lazzaris/AP)

Von "Pinocchio" gibt es bald drei neue Film-Versionen. Klar: Wo Lügen Hochkonjunktur haben, finden sie auch in die Kunst.

Von David Pfeifer

Es sind schwierige Zeiten für die Wahrheit. Zwischen gezielter Desinformation, Verschwörungstheorien und schamlosen Lügen hat sich ein großes Feld von Halbwahrheiten aufgetan, in dem sich kaum noch jemand auskennt. Es gibt ja verschiedene Gründe zu lügen, aus Höflichkeit beispielsweise, oder zum persönlichen Vorteil. Wieso sollte man die Wahrheit sagen, wenn das schmerzhaft sein kann?

Weil sonst schlimme Dinge geschehen - so lernen es zumindest kleine Mädchen und Jungen. Denn irgendwann haben sie "Pinocchio" gelesen oder den Zeichentrick-Klassiker von 1940 gesehen. Es gab auch eine Serie, die erfolgreich im deutschsprachigen Fernsehen lief. Lange vor Pippi Langstrumpf und Harry Potter war Pinocchio eine prägende Figur vieler Kindheiten.

Innerhalb eines Jahres drei Versionen derselben Geschichte: Was sagt das über die Welt?

Nun scheinen geradezu Pinocchio-Festspiele anzubrechen: In den USA ist vor Kurzem ein italienisches Remake angelaufen, sehr nah am eher düsteren Original von Carlo Collodi aus dem Jahr 1881. Roberto Benigni spielt darin den Meister Geppetto. Gleichzeitig kündigte Disney eine weitere Real-Film-Version an, in der Pinocchios Erschaffer von Tom Hanks verkörpert wird.

Regisseur Guillermo del Toro, Spezialist für Poetisch-Bizarres, dreht derzeit für den Streaming-Anbieter "Netflix" eine Version - sein "Traumprojekt" wie er sagt. Es wirken Christoph Waltz, Tilda Swinton und Cate Blanchett mit. Angekündigt ist ein "Stop-Motion-Musical": Es wird nicht nur gesungen, sondern auch eine nostalgische Animationstechnik angewandt. Eine Puppe wird von Filmbild zu Filmbild verändert, bis sich daraus ein Bewegungsfluss entwickelt.

Innerhalb eines Jahres engagieren sich also in drei sehr unterschiedlichen Versionen derselben Geschichte etwa ein halbes Dutzend Oscar-Preisträgerinnen und Preisträger. Da stellt sich die Frage nach dem warum? In Hollywood-Arithmetik ist das rasch erklärt. Menschen sehen sich Dinge, die sie bereits kennen, in sanften Variationen gerne immer wieder an. Das "Marvel"- und das "Star Wars"-Franchise bauen auf diesem Effekt auf.

Es bleibt eine schlichte Moral: Lügen fliegen immer auf und arbeiten gegen ihre Verbreiter

Obendrein war Pinocchio immer eine Gruselgeschichte, auch das macht ihren zeitlosen Erfolg aus. Matteo Garrone, der Regisseur der italienischen Version erklärte der New York Times zum US-Filmstart: "Collodi wollte ein pädagogisches Buch schreiben, die Kinder warnen, dass die Welt, die sie umgibt, gefährlich ist und brutal. Und das stimmt heute sogar noch mehr als früher."

Und neben der rührenden Idee von der Holzpuppe, die ein Mensch werden will, liefert die Geschichte eine schlichte Moral: dass Lügen immer auffliegen und gegen ihre Verbreiter arbeiten, und wenn ihnen nur die Nase wächst. In Collodis Geschichte lohnt es sich, bei der Wahrheit zu bleiben, der Lügner weiß ja, dass er etwas Schlechtes tut und sehnt sich nach Erlösung. Und wenn es eine Sehnsucht gibt, die in Zeiten alternativer Fakten besondere Gültigkeit hat, dann, dass es sich lohnt, nach der Wahrheit zu suchen. Es kann also nicht schaden, wenn bald drei neue Verfilmungen der Geschichte zu sehen sind, so erwischt man viele Zuschauer mit dieser Botschaft.

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