Pianist Paul Kuhn wird 80:Aus Versehen berühmt

Der Bierzelt-Kracher "Es gibt kein Bier auf Hawaii" hat ihn berühmt gemacht. Dabei ist Paul "Paulchen" Kuhn viel mehr als ein Unterhaltungsmusiker. Heute wird er 80.

Gerhard Matzig

Man muss hören, wie Paul Kuhn, der übrigens schon viel zu erwachsen ist, um noch "Paulchen" genannt zu werden, wie er zum Beispiel die fanfarenhaft davoneilenden Bläser in "Florida Flirt" mit einem einzigen Pianolauf auf den Boden zurückholt. Er coolt die Trompeten und Saxophone einfach runter. Oder wenn er "My Funny Valentine", ebenfalls auf seiner 2005 erschienenen Platte "Young At Heart" zu hören, so dezent wie unbeirrbar aus dem Hintergrund heraus dominiert.

Selbst dort, wo der Mann am Klavier scheinbar nur so gelassen vor sich hinperlt, geht es immer um die Tektonik eines präzisen, zwingenden Arrangements. Kuhns Musik, sein Jazz eher als die Schlager, die ihn bekannt gemacht haben, lässt sich so beschreiben: So leicht ist schwer was.

Kuhn ist demnach nicht nur Musiker, nicht nur Pianist und Sänger, sondern vor allem Planer, nämlich Bandleader und Arrangeur. Guter Swing, seine Musik, ist ja immer das Ergebnis von Strategie und Präzision - und nicht die Folge von Libertinage, Zufall oder gar Laune. Das, was schwingt, ist nicht das, was beschwingt. Kuhns Musik hat viel mit Verstand und klugem Kalkül zu tun. Sein hinreißender Swing ist die Musik der Kybernetik.

Das Cadillac-Motiv

Auf Kuhns späteren, immer besser werdenden Platten und CDs ist ein vollkommen zerknautschtes Gesicht zu sehen. Ein kunstvolles Falten- und Mondkratergebirge, das man sich ohne Zigarettenrauchkringel gar nicht vorstellen kann. Es wirkt wie eine Herausforderung. Etwa für nikotinfreie Wiesnzelte, in denen gelegentlich der sogenannte Party- und/oder Faschings-Knüller-Hit "Es gibt kein Bier auf Hawaii" zu hören ist.

Mit diesem Titel ist Kuhn wie aus Versehen erfolgreich geworden. Auf die Frage aber, warum er sich als Jazzer auf so ein Lied einlassen konnte, hat er mal geantwortet: "Wegen der Straßenbahn." - "Wie Straßenbahn?" - "Nach dem Krieg. Ich musste Straßenbahn fahren." - "Ja? Und?" " Ich wollte aber lieber Cadillac fahren." Das ist das Grundmotiv so mancher Karriere. Aber Paul Kuhn, der eben kein "Unterhaltungsmusiker" ist, wie in den Archiven zu lesen ist, sondern, viel besser, ein höchst vielseitiger Musiker, diesem Paul Kuhn nimmt man das nur zu gerne ab.

Seine Hits, den Song zum Bier wie auch den Titel "Mann am Klavier", hat Kuhn immer stoisch interpretiert. In der "Goldenen Hitparade der Volksmusik"schlendert er einmal wie ferngesteuert durch das Gewoge, verfolgt vom stählern sirrenden Gezirpe der Hawaii-Gitarre. Seine Mimik ist dabei so minimalistisch, dass seine charakteristischen Augenbrauen wie mit Edding aufgemalt erscheinen.

Jeder andere Musiker würde in so einer Situation darum beten, vom Erdboden verschluckt zu werden, aber Kuhn wandelt auf den Schunkel-Wellen, als sei er unsinkbar. Kuhn ist einer der wenigen Musiker, von denen sich ohne jedes Klischee behaupten ließe, er sei wahrhaftig cool. Wobei diese Coolness nur ein anderes Wort für musikalische Größe und Güte ist.

Während seiner Jubiläums-Tournee gastiert Paul Kuhn, am Donnerstag, 13.3., auch in München (Gärtnerplatztheater, 20 Uhr).

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