Pianist Menahem Pressler:Einbürgerung nach 73 Jahren

Als Jugendlicher floh Menahem Pressler vor den Nazis aus Magdeburg nach Israel. 73 Jahre später soll der bekannte Pianist nun wieder die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Zur Freude für ihn und zum Vorteil für die Stadt: Magdeburg braucht einen prominenten Kultur-Botschafter.

Helmut Mauró

Warum die Familie so spät, erst kurz vor Kriegsbeginn nach Israel ausgewandert ist? Die Mutter wollte nicht, sagt Menahem Pressler, heute 88 Jahre alt, damals 15. Die jüdische Kaufmannsfamilie hing an der Heimat Magdeburg, die Onkel und Tanten Presslers verbrannten dann in Auschwitz, wie Pressler es sagt. Wie kommt es, dass Menahem Pressler heute sagt, es sei eine große Ehre für ihn, die Deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten?

Pianist Menahem Pressler

Pendeln zwischen kalter Ratio und warmer Emotion: Menahem Pressler.

(Foto: dpa)

Am Freitag findet die feierliche Einbürgerung statt, obwohl der Grund dafür gar nicht so feierlich war. Magdeburg will Kulturhauptstadt Europas werden und suchte dafür einen prominenten Botschafter. Und der Pianist Menahem Pressler ist in Magdeburg geboren und wuchs dort auf, bevor er mit der Familie nach Israel floh, dort heiratete, nach dem Krieg in die USA auswanderte, Solopianist wurde und schließlich mit dem Beaux Arts Trio das berühmteste Ensemble dieser Art überhaupt gründete und jahrzehntelang erfolgreich anführte. Nach Europa und Deutschland kam er immer gerne: "Es ist doch immer meine kulturelle Heimat geblieben", sagt der Pianist. "Meine besten Freunde sind Deutsche, ich habe mir die Sprache bis heute erhalten."

Selbst seine israelische Frau lernte Deutsch, und mit den Kindern sprach man Deutsch, man las Heine und Goethe, spielte Schubert und Beethoven. "Ich verstehe die Menschen, die das nach Auschwitz nicht mehr konnten", sagt Pressler. "Aber für mich gab es immer dieses Land der Kultur, und ich habe mir das nie nehmen lassen und bis heute bewahrt. Ich habe so viel Glück gehabt in meinem Leben - wir haben ja noch beinahe den Zug nach Triest verpasst damals, weil meine Mutter zu spät dran war - und ich habe der deutschen Kultur so viel zu verdanken, dass ich mich sehr geehrt fühle, wenn man mir nun die Staatsbürgerschaft anträgt."

Er könne ja auch nicht als Botschafter für Magdeburg auftreten, wenn er keine deutsche Staatsbürgerschaft besitze, sagt er noch. Dieses Pendeln zwischen kalter Ratio und warmer Emotion ist typisch für ihn. Auch als Klavierpädagoge agiert er so - bis heute arbeitet er als ordentlicher Professor an der Indiana University Music School.

"In Israel habe ich dann gelernt, was Menschlichkeit ist." Dieser beinahe lapidar hingeworfene Satz in seiner bildhaften Schilderung von Flucht und neuer Heimat klingt für heutige deutsche Ohren sicherlich besonders schmerzlich. Und die größere Ehre wird sicherlich Deutschland zuteil, wenn sich Menahem Pressler diese Staatsbürgerschaft nicht nur gefallen lässt, sondern sogar als Auszeichnung empfindet und über dieses Land spricht, als hätten hier immer nur Kant, Goethe und Beethoven regiert.

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