Süddeutsche Zeitung

Phrasenmäher: Verpeilt:Alle jut druff?

Verstrahlt, vercheckt, verdreht - für das haltlose Durcheinandersein gibt es viele verschallerte Ausdrücke. Wer verpeilt ist, hat derweil einfach das rechte Winkelmaß verloren.

Bernd Graff

Man verliert die Orientierung in der Sprachordnung, wenn ein Wort plötzlich in neuem Kontext auftaucht. Im Fall von "verpeilt" steckt Orientierungslosigkeit im Wort selbst. Peilung meint in der Schiff- und Luftfahrt das Winkelmaß zwischen einem angepeilten Objekt und einer Bezugsrichtung, meist der eigenen Blick- oder Bewegungsrichtung.

Wer den Winkel zwischen sich und einem Objekt kennt, weiß nicht nur, wo es sich befindet. Er weiß auch, wie es um seinen eigenen Standort in der Welt bestellt ist. Das neumodische "verpeilt" flirtet mit dieser Ambiguität von subjektiver Befindlichkeit und objektiver Welt.

So weiß derjenige, der "verpeilt" ist oder so genannt wird, dass er wohl das rechte Winkelmaß verloren hat, welches es geben müsste, wäre man nicht unkonzentriert oder verkatert oder... Das unterscheidet "verpeilt" von den Synonymen: verstrahlt, vercheckt, verdreht, verscheppert, verballert, verschallert, verrafft, pralle und jut druff sein, die lediglich das haltlose Durcheinandersein bezeichnen.

Im Englischen sagt man übrigens: "Not to be with it" - so, als sei man für einen Augenblick aus der Welt gefallen. Haben Peilung, die Angelsachsen. bgr

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Quelle:
SZ vom 16.02.2011
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