Süddeutsche Zeitung

Phrasenmäher:Solche Sachen

Zu den seltsamsten Sachen der Sprache gehört der Aufstieg der Formel "solche Sachen". Sie funktioniert am besten, wenn der Du-weißt-schon-Faktor hoch ist.

Von Lothar Müller

In Erich Kästners "Kleiner Sonntagspredigt" steht die Sonntagsruhe unter dem Verdacht, Eifersucht und Niedertracht, Mord und Totschlag hervorzubringen, die dann am Montag in der Zeitung stehen: "Ach, die meisten Menschen sind / nicht geeignet, nichts zu machen! / Langeweile macht sie blind. / Dann passieren solche Sachen." Zu den seltsamen Sachen, die seit Kästner passiert sind, gehört der Aufstieg der Formel "Solche Sachen". Sie hat sich selbständig gemacht, aus dem Satzzusammenhang gelöst und ist zum nachgestellten letzten Glied von Aufzählungsketten geworden: "Sonnenstrahlen auf den Augenlidern. Bäume wie Gemälde. Solche Sachen."

Mit den Sonnenstrahlen und den Bäumen steht die Formel "Solche Sachen" nicht auf einer Stufe. Sie ist auf der Metaebene angesiedelt, ein Signal an den Hörer oder Leser, eine Anspielung auf ein gemeinsames Wissen, eine Einladung, das als bekannt vorausgesetzte Register der Klassifizierung zu erkennen. Die Formel funktioniert überall, in der Kultur, in der Politik, in Sport und Freizeit: "Schneewandern, Langlauf, solche Sachen." Besonders gut funktioniert sie, wenn der "Du weißt schon, was ich meine"-Faktor hoch ist: "Der DJ spielt Musik, auf die sich die Generationen einigen können. AC/DC, Robin Schulz, solche Sachen."

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Quelle:
SZ vom 26.01.2017
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