Phrasenmäher:Enkeltauglich

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Was ist regional, natürlich, gefühlsecht und nachhaltig? Es ist die "Enkeltauglichkeit", die als Phrase einerseits total klimafreundlich ist - aber andererseits auch schon wieder so modisch, dass man sich fragen könnte: Wie nachhaltig ist eigentlich diese Worthülse?

Von Bernd Graff

"Nachhaltigkeit" ist ein Wort, das in derselben Abstraktionsliga spielt wie das "Ozonloch". Ein Loch dort, wo die Luft sowieso dünn ist? Löcher in die Luft kann man boxen - " punching at nothing but the breeze", wie Bruce Springsteen singt -, doch davor muss man sich ja nicht fürchten. "Ozonloch" war das korrekte wissenschaftliche Wort für ein Faktum, das mit einem zu kleinen, fast stutzigen Begriff durch die Welt kommen musste.

Definieren Sie jetzt mal "Nachhaltigkeit"! Eben! Damit "verfolgt" man etwas: Ausgaben werden nachgehalten, "regelmäßig dokumentiert", oder etwas macht satt: Eine dicke Suppe "hält lange nach". Nichts davon meint die "Nachhaltigkeit", deren Befürworter nicht mehr Ressourcen verbrauchen wollen, als jeweils nachwachsen. Es geht also darum, dass man der Zukunft noch etwas vom Kuchen übrig lässt. Das ist redlich, es fehlt aber auch hier die Bissfestigkeit im Konkreten. Begrifflich macht die Nachhaltigkeit gar nicht satt, sie verbraucht sich schneller, als sie nachwächst.

Nun leben wir in Zeiten der "Gute-Kita"-, "Starke-Familien"- und "Geordnete-Rückkehr"-Gesetze, eine Bank nennt sich gar den "Geldverbesserer". Geld, Welt, alles eins! Aber das kapiert jeder. Und man hat es ja auch gerne simpel und gefühlig. Darum sind Bioläden, Vertreter der "Grünen", vor allem aber der amerikanische Kulturphilosoph Charles Eisenstein auf die Idee gekommen, die "Nachhaltigkeit" in einer Papiertüte zu entsorgen und die Enkel auf den Plan zu rufen. Richtig! Diese Racker! Schön, wenn sie da sind, noch besser, wenn sie wieder bei sich daheim rackern. Doch dass die Konsum-Irrläufe und Hubraum-Mythen unserer Zivilisation einen solideren Korrekturbegriff als "Nachhaltigkeit" oder "Achtsamkeit" benötigen, steht ja außer Frage. Darum soll Zukunft nun gedacht werden als ein von uns für gerade noch "tauglich" erklärtes Arrangement von Restressourcen, die Umwelt ist nun eine nicht mehr "Schöner"-, aber "Geht-schon-noch-Wohnen-Welt" für die Kindeskinder, wertstoffvoll gehalten mit enkelfähigem Zeug. "Enkeltauglich" ist belastbar, regional und natürlich, nah und gefühlsecht, fast nachhaltig, könnte man sagen. "Klimafreundlich" ist dagegen so Nullerjahre. Die "Enkeltauglichkeit" holt den Verzicht der Gegenwart wieder ins erlebte Glück. Denn was sieht man lieber nachwachsen als die Enkel. Diese Racker!

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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