Phrasenmäher:Einschläfern

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Der Hund Chico hat zwei Menschen totgebissen und wurde deshalb selbst getötet. Pardon, er wurde, also, es gab da eine Spritze, und dann wurde "die Entscheidung getroffen, den Hund noch in der Narkose zu euthanasieren".

Von JOHAN SCHLOEMANN

Menschen töten Menschen - in den Kriegen dieser Welt. Menschen töten Tiere - jeden Tag, im Schlachthaus. Tiere töten Tiere - jeden Tag, im Kreislauf der Natur. Das ist furchtbar, aber nicht alles gleich furchtbar; zumindest gibt es verschiedene Ansichten darüber, welches von all diesem Töten weniger furchtbar sei und welches zu höheren Zwecken hinzunehmen. Immerhin kann man anfangen, über solche Abwägungen zu reden, wenn man klar vom Töten spricht.

Der Hund in Hannover aber, der zwei Menschen getötet hat, ist "eingeschläfert" worden. Schon klar, das ist ein Fachbegriff und zudem ein üblicher Euphemismus, den man verwendet, um den Schmerz von Tierhaltern und insbesondere Kindern nicht noch zu verstärken, wenn ein langjähriger Begleiter, altersschwach oder krank geworden, den Gnadentod sterben muss. Im Falle des Hundes Chico ist dieser Euphemismus jedoch deplatziert, ebenso wie die Formulierung der zuständigen Behörden und Einrichtungen, man habe "unter Einbindung von Sachverständigen die Entscheidung getroffen, den Hund noch in der Narkose zu euthanasieren".

Warum nicht "zu töten"? (Und warum ist "Euthanasie" bei Veterinären noch ein akzeptierter Begriff?) Das Tierschutzgesetz ist ehrlicher: "Ein Wirbeltier darf nur unter Betäubung oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden." Bei der Todesstrafe in den USA wird ebenfalls eine Giftspritze zur gewaltsamen Beendung eines Lebens gesetzt, trotzdem spricht keiner von Einschläferungsstrafe. Das schlechte Gewissen, ein Tier getötet zu haben, ist in der Menschheitsgeschichte eine uralte Blutschuld, Anthropologen sehen darin den Ursprung des Opfers, ja aller Religion. In der berechtigten Sorge um die Kreatur steckt auch die Angst vor dem Schuldigwerden überhaupt. Die Scheu ist verständlich, aber vor dem Tod bewahren keine verschleiernden Vokabeln.

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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