Phrasenmäher:Definitiv

Vier Silben als Turbolader für Debatten. Wer nach Steigerungsformen sucht, kann damit einen Punkt machen. Davon macht vor allem die Politik eifrig Gebrauch.

Von Alex Rühle

"Definitiv" ist die leerdrehende Steigerungsform der politischen Rede. Als Ralf Stegner 2017 signalisieren wollte, Merkel sei gescheitert, sagte er, sie sei "definitiv gescheitert". Als Merkel, die Stegners Vorhersage definitiv ignoriert haben muss, kürzlich unterstreichen wollte, sie sehe dieses und jenes anders als Macron, sagte sie: "Das ist definitiv nicht meine Sichtweise." Und als Sven Schulze, CDU-Landessekretär in Sachsen-Anhalt, zuletzt klare Kante gegen rechts behaupten wollte, sagte er: "Wir lassen uns definitiv nicht von Rechten unterwandern." Das stimmt, Robert Möritz muss die CDU gar nicht mehr unterwandern, er sitzt ja längst mittendrin, samt seinem Neonazi-Tattoo, seiner Vergangenheit als Ordner bei einem Neonazi-Aufmarsch und seiner Mitgliedschaft bei Uniter, einer sinistren Vereinigung, die im Verdacht steht, Teil eines rechtsextremen Netzwerks zu sein. Sven Schulze aber sieht den Skandal definitiv nicht bei der CDU, sondern bei den Grünen. Nachdem der CDU-Kreisvorstand Anhalt-Bitterfeld einstimmig beschlossen hatte, seinen Beisitzer Robert Möritz weder aus dem Vorstand noch aus der Partei auszuschließen, fragten die Grünen: "Wie viel Hakenkreuze haben denn noch Platz in der CDU?" Das in diesem polemischen Stil zu fragen, so Schulze im Deutschlandfunk, "geht ein Stück, nicht nur ein Stück zu weit, sondern es geht definitiv zu weit". Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland waren übrigens zwei weitere CDU-Funktionäre aus Sachsen-Anhalt bei Uniter aktiv. Die sachsen-anhaltinische CDU täte gut daran, mal für sich den Begriff der politischen Mitte zu definieren. Vielleicht sogar definitiv.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: