Philosophie des Wellenreitens:Surf's up in Biarritz

Wie ein Wellenschlag in Beton und Glas: In Biarritz, der unumstrittenen Hochburg des Surfens in Europa, gibt es nun ein spektakuläres Museum für Meereskunde und Surfgeschichte. Es geht um nichts Geringeres als den Anspruch, den stehenden Ritt über das Wasser erfunden zu haben - Amis hin oder her.

Laura Weissmüller

11 Bilder

Surfen, Biarritz, historische Bilder

Quelle: DR, 1964

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Wie ein Wellenschlag in Beton und Glas: In Biarritz, der unumstrittenen Hochburg des Surfens in Europa, gibt es nun ein spektakuläres Museum für Meereskunde und Surfgeschichte. Es geht um nichts Geringeres als den Anspruch, den stehenden Ritt über das Wasser erfunden zu haben - Amis hin oder her. Die Bilder.

Keiner wartet ja stilvoller als der Surfer. Eine kleine Ewigkeit treibt er da draußen auf dem Wasser, scheinbar kälteunempfindlich, bis der Augenblick kommt. Wann, das ist für Uneingeweihte kaum und für Anfänger deprimierend schwer ausfindig zu machen, aber plötzlich ist er da, lässt den vormals Regungslosen auf die Füße springen und losreiten, auf der perfekten Welle, die schon Generationen von Surfern auf der Suche nach ihr um die ganze Welt getragen hat.

Text: Laura Weissmüller/SZ vom 3.9.2011/caja

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Quelle: coll. privée René Bégué, 1966

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Perfekt ist wohl auch der Standort der neuen Cité de l'océan et du surf in Biarritz: Denn hier, an der französischen Atlantikküste, nur ein paar Meter vom Strand entfernt, steht alles, was schon auf zwei Beinen gehen kann respektive diese noch halbwegs passabel bewegt, bis weit in den Herbst hinein auf dem Brett oder versucht es zumindest.

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Quelle: Col F Lartigau, 1965

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Biarritz ist die Hochburg des Surfens und auch wenn das historische Seebad die Gründungsgeschichte dieses Sports, der für viele mehr Lebenseinstellung als schnödes Bewegungsprogramm ist, nach Hawaii abtreten muss (und vermutlich auch an die USA, aber darüber wird noch zu reden sein), so darf die Stadt sich doch zumindest die Auszeichnung für die Heimat der ersten Wellenreiter in Europa ans Revers heften. Deutsche und englische Surfer starten zwar immer wieder Versuche, Frankreich auch das streitig zu machen, aber die Angriffe aus Sylt oder Jersey verebben regelmäßig vor der baskischen Küste.

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Quelle: Steven Holl Architects

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Um sich ihr Meeres- und Surfmuseum bauen zu lassen, hätten sich die Franzosen vermutlich auch keinen besseren Architekten aussuchen können als den 1947 geborenen Steven Holl. Denn der Amerikaner, der hier zusammen mit Solange Fabiao arbeitete, steht selbst nicht nur gerne auf dem Brett, er denkt auch noch am Strand an Architektur: Gerne würde er einen solchen nämlich einmal entwerfen. In Biarritz hat sich Holl nun noch ein Stückchen weiter rausgewagt - er hat schlichtweg das Meer gebaut.

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Quelle: Steven Holl Architects

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Solche Naturanalogien können ja schnell mal nach hinten losgehen, besonders wenn der direkte Vergleich ein paar Schritte weiter seine Schönheit lautstark und mit jeder Welle unter Beweis stellt. Aber Holl, der mit dem Kiasma-Museum in Helsinki 1998 seinen ersten internationalen Erfolg feiern konnte und seitdem mit Hilfe seines 40-Mann-Büros vor allem geometrisch skulpturale Ausstellungshäuser über die Welt verteilt, ist es tatsächlich gelungen, einen Wellenschlag in Beton und Glas zu gießen ohne dabei kitschig zu werden.

Surfen, Biarritz, historische Bilder

Quelle: DR, 1960

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Kommt der Besucher vom Strand, was zu empfehlen ist, weil sonst gesichtslose Ferienappartements und Sahnebaiser-Schlösschen die Promenade Architecturale begleiten, läuft er durch die zwei leicht versetzten Halbschalen zum Eingang des Museums. Wie inmitten einer Welle, die sich gerade zur Röhre formt, branden da die Betonschalen an beiden Seiten nach oben.

Surfen, Biarritz, historische Bilder

Quelle: © Col Yep_de Rosnay, 1963

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Ein paar Meter tiefer, auf der Höhe der zwei Glaskuben, in denen ein Restaurant und ein Kiosk untergebracht sind, scheint sich die Welle wieder hinter einem zu schließen. Architektonisches Tuberiding sozusagen. Die Fassade hat Holl damit zum Platz gemacht, der zu erwandern ist. Immer wieder wird dabei der Blick zum Atlantik geführt. Der größte Trumpf dieses Hauses

Surfen, Biarritz, historische Bilder

Quelle: DR, 1962

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So klar und auf die Umgebung bezogen die Formensprache des Museums außen ist, so geschlossen präsentieren sich die Ausstellungsräume im Inneren des Sockels der beiden Halbschalen. Ein spitz auf das Meer zulaufendes Fensterband ist da die einzige Öffnung nach draußen. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn der Inhalt der Ausstellung nicht in einen derart penetranten Mitmachwahnsinn ausgeartet wäre, wie er Wissenschaftsmuseen leider heute häufiger befällt. Überall fiept, piept und tönt es und wer sich wirklich für das Meer interessiert, wird kaum die Ruhe finden, all die Daten, Analysen und Prognosen zum Ozean zu studieren.

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Quelle: Col Yep_de Rosnay, 1958

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Kleine weiße Pavillon-Iglus beherbergen hier einzelne Kapitel des Parcours. Nur zwei davon ersparen dem Besucher die Interaktionstortur: In einem laufen ergreifend schöne Kurzfilme über die Meere dieser Welt, im anderen eine Videoinstallation, die den Betrachter scheinbar ins Innere einer Welle führt.

Surfen, Biarritz, historische Bilder

Quelle: © Col Yep_de Rosnay, 1959

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In kurzen Clips werden hier die unterschiedlichsten Surfarten vorgestellt, vom Boogieboarding bis zum Hydrofoil Surfing, bei dem eine Art Spoiler unter dem Brett den Surfer endgültig zum Schweben bringt - mit der Technik gleitet er etwa einen halben Meter überm Wasser. Kein Knopf und keine sprechende Skulptur fordern hier zum Mitmachen auf, der Faszination des Surfens wird vertraut. Vermutlich aus Erfahrung: Kaum ein Sport wird auch von denen, die ihn gar nicht betreiben, so ausdauernd studiert wie das Wellenreiten. Stunde um Stunde sitzen seine Fans am Strand, fachsimpeln über den Aufbau der Welle und die schwierigsten Tricks. Und wo bitteschön ist jetzt das Surfen erfunden worden? Natürlich kommen die Franzosen nicht umhin, die Lorbeeren den Polynesiern zu überlassen, gegen ein paar Tausend Jahre lässt sich einfach nichts sagen. Was aber die Amerikaner betrifft, die den Sport zum festen Bestandteil ihres American way of life gemacht haben, dagegen würde so mancher französischer Surfpatriot gerne mal protestieren.

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Quelle: DR, 1962

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Zwar soll der US-Drehbuchautor Peter Viertel Mitte der fünfziger Jahre die Bewohner von Biarritz auf die Idee gebracht haben, den Ritt übers Wasser doch mal stehend zu probieren - Viertel verbrachte die Drehpausen von der Hemingway-Verfilmung "The Sun Also Rises" auf dem nachgeschickten Brett aus Kalifornien. Trotzdem argumentieren manche: Die Amis mögen vielleicht früher über die Wellen geritten sein, den passenden Stil dazu aber lieferten erst die Franzosen. Mit Holls gebauter Ode an das Meer und seine Ritter hat Biarritz diesen Anspruch jetzt zumindest mal untermauert.

© SZ vom 03.09.2011/caja/pak
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