Philip Seymour Hoffman im Gespräch:"Es gibt Orte, an die ich mich nicht begeben will"

Hollywoodstar Philip Seymour Hoffman über Wahnwitz, Normalität und seine oscarreife Darstellung des Truman Capote.

Anke Sterneborg

Mit sanfter Beharrlichkeit hat er sich einen Namen fürs Abartige gemacht, für kleine Schrullen und größere Perversitäten, in Filmen wie "Happiness", als Telefonsexsüchtigen, oder "Flawless", als Transsexueller, "Magnolia", als Krankenpfleger neben Tom Cruise, oder "Owning Mahoney", als spielbesessener Bankbeamter.

Philip Seymour Hoffman im Gespräch: Philip Seymour Hoffmann

Philip Seymour Hoffmann

(Foto: Foto: ap)

Nun hat Philip Seymour Hoffman, Jahrgang '67, den Gipfelsturm gewagt und den Freak der New Yorker Literaturszene gespielt, den Schreiberstar Truman Capote im Film, der diese Woche anläuft, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass man ihm nächste Woche den Oscar dafür verweigern wird.

SZ: Sie haben ja ganz schön irre Typen gespielt im Kino - lieben Sie denn bei der Rollenwahl das Risiko?

Philip Seymour Hoffman: Ach, es ist ja nicht so, dass ich nur solche Rollen gespielt habe ... Und dann sehe ich ja auch nicht unbedingt aus wie der edle romantische Held. Aber diese anderen Rollen sind doch auch viel interessanter, nicht nur für mich, sondern auch fürs Publikum. Ich versuche einfach möglichst ganz verschiedene Rollen zu spielen, sie glaubwürdig und kraftvoll zu machen. Und meinen Spaß dabei zu haben ...

SZ: Dabei bringen Sie auf der Leinwand immer wieder gerade das ans Licht, was die Menschen im wirklichen Leben eher verheimlichen wollen.

Hoffman: Aber genau das es ist doch, was Schauspielen bedeutet! Egal wen man spielt, es geht darum, die verborgenen Seiten einer Figur zu zeigen. Man muss zeigen, was in einem Menschen privat und verborgen ist, worin er verwundbar ist, um auszudrücken, wer er ist ...

SZ: ... und dabei auch noch über sich selbst etwas herauszufinden?

Hoffman: In der Tat, das ist ein wichtiger Aspekt des Spielens ... Ich würde das aber nicht unbedingt als Therapie sehen, es ist einfach eine spannende Sache. Ein Teil dieses Jobs, zu dem ja das explorative Moment, die Erforschung gehört. Kein Mensch hat Lust, zuviel Zeit damit zu verbringen, über sich selbst nachzudenken - als Schauspieler muss man das tun, man muss auf den Grund der eigenen Seele schauen, und herausfinden, wer man wirklich ist.

SZ: Gibt es denn Grenzen, die Sie bei diesem Spiel, bei dieser "Erforschung" nicht überschreiten würden?

Hoffman: Ich habe eine ganze Menge Sachen gespielt, die ich heute ablehnen würde - ohne dass ich da einzelne Titel nennen möchte ... Man entwickelt sich halt weiter und findet manches nicht mehr interessant. Mit zwanzig interessiert man sich für andere Dinge als mit vierzig, und manchen Situationen will man sich einfach nicht mehr aussetzen.

SZ: Das ist also keine Frage der Moral? Es gibt ja Schauspieler, die etwa nie einen Kinderschänder spielen würden ...

Hoffman: Klar, das kann ich verstehen - aber mit Moral hat das für mich nichts zu tun. Es gibt einfach Orte, an die ich mich nicht begeben will. Die sehr ungesund sein können, weil man tief in die Psyche vordringt. Aber das kann man vorab nicht sagen - es ist ja nicht so, dass ich eine Liste habe, mit den Rollen, die ich nicht spielen will. Das ist eine Gefühlssache ... Wenn ich ein Drehbuch lese, spüre ich, wenn ich das nicht machen will. Was sicher auch mit meiner jeweiligen Lebenssituation zusammenhängt.

SZ: Sie haben ja wohl auch gezögert, den Capote zu spielen ...

Hoffman: Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich nicht der Richtige war. Ich habe eine ganz andere Statur, eine andere Stimme. Aber die Geschichte und das Skript waren großartig. Dazu kam, dass Bennett Miller Regie führte und Danny Futterman das Buch geschrieben hatte - mit den beiden bin ich seit meinem sechzehnten Lebensjahr befreundet.

SZ: Fällt das Spielen denn leichter in einem Film, den ein Freund inszeniert?

Hoffman: Das könnte schwieriger sein, aber in diesem Fall hat es sehr geholfen. Wir hatten einfach alle nichts zu verlieren, und konnten uns richtig gehen lassen, ohne uns zu genieren.

"Es gibt Orte, an die ich mich nicht begeben will"

SZ: Sie haben schon mehrfach reale, historische Figuren im Film gespielt - den Musikkritiker Lester Bangs in "Almost Famous", oder den Spieler Mahowny in "Owning Mahowny". Waren das irgendwie Vorübungen zu "Capote"?

Philip Seymour Hoffman im Gespräch: Philip Seymour Hoffmann als Truman Campote in Bennett Millers Film verkörpert.

Philip Seymour Hoffmann als Truman Campote in Bennett Millers Film verkörpert.

(Foto: Foto: Sony Pictures)

Hoffman: Capote war ganz anders, den kennen doch sehr viele Menschen ganz gut, sie wissen, wie er redet und sich bewegt. Im Gegensatz zu den anderen Filmen war hier die Art, wie seine Stimme klingt, wie er sich aufführt, ein integraler Bestandteil der Geschichte.

SZ: Sie haben fünf Monate gebraucht, um sich in diese Rolle einzuarbeiten. Wie lange dauert es, sie wieder abzulegen?

Hoffman: Das ist ganz leicht, das war in der Sekunde vorbei, in der der Dreh beendet war. Und an den Drehtagen selbst gibt es ganz normale Bedürfnisse, man muss schlafen, essen, ausruhen ... Ich wusste irgendwie nie, wer Capote nun eigentlich wirklich war, und ich fühle mich ihm auch jetzt nicht besonders verbunden. Ich hatte bis zu dieser Rolle auch nie "In Cold Blood" gelesen, das Buch, dessen Entstehungsgeschichte unser Film schildert. Heute denke ich wirklich nicht mehr an ihn, der Dreh liegt ja auch schon ein Jahr zurück. Ich habe zwei Jahre meines Lebens mit ihm verbracht, das reicht. Das ist genug Zeit für jemanden, der nicht mehr lebt.

SZ: Einen gestandenen Kinobösewicht zu spielen, hat da sicher geholfen, insofern war Ihre Rolle in dem Blockbuster "Mission Impossible 3", als wahnwitziger Gegenspieler von Tom Cruise, vermutlich auch ein gutes Gegenmittel?

Hoffman: Das war einfach ein großer Spaß, das ist reine Phantasie und hat eine gewisse infantile Qualität. Da geht es nicht um subtile Nuancen, da gibt es keine Tiefe, sondern nur dieses animalische Bedürfnis - was für mich als Schauspieler auch frustrierend ist. Als normales menschliches Wesen hat man Zweifel und Fragen, wenn man so einen Typen spielt, man begreift, dass es da nur noch diesen Trieb gibt. Wichtig ist, was er will, und alles, was im Weg ist, wird weggeräumt. Gefühle zeigt er nur, wenn er nicht bekommt, was er will, die erschöpfen sich in Wut und Gewalttätigkeit.

SZ: Capote ist zwischen der Realität und der Fiktion ins Schleudern geraten - in dem Maße, wie er dem jugendlichen Mörder Perry Smith, dessen Fall er beobachtete, zu nah kam, ist dieser ihm als Gegenstand seines Buches entglitten ...

Hoffman: Ich glaube nicht, dass er Wahrheit und Fiktion nicht mehr unterscheiden konnte, ich glaube, dass er seinen Ehrgeiz verloren hat. Diese Geschichte mit "In Cold Blood" hat wohl seinen Niedergang ausgelöst ... Er war in einer Situation, aus der es keinen Ausweg gab, und er hat das zu spät realisiert.

SZ: Sie haben bei "Capote" erstmals auch koproduziert, wollen Sie das nun öfter machen?

Hoffman: Ja, es macht großen Spaß, Filme zu produzieren, auch wenn ich nicht selbst drin spiele. Wenn man anfängt, weiß man nicht, wohin es führt, man findet es erst im Laufe der Arbeit heraus. Und im Gegensatz zum Spielen hat man es beim Produzieren immer mit dem ganzen Projekt zu tun, man ist nicht mehr nur mit sich selbst beschäftigt. Das ist sehr gesund.

SZ: Sie gelten als extremer Perfektionist, der bis in die Bewegungen des kleinen Fingers alles kontrolliert: Wie viel Raum bleibt da noch für Improvisation?

Hoffman: Sehr viel. Naja, vielleicht nicht viel, aber wenn es nötig ist, macht man es einfach. Man recherchiert und sammelt, nimmt das Material in sich auf - sehr wichtig war für mich ein Film der Brüder Maysles, "With Love from Truman" -, es wird zu einem Teil von dir, und dann musst du spielen. Und das ist immer der Moment, in dem es geschieht, da ist das Leben!

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: