Nachruf auf Philip Baker Hall:Das Schlitzohr

Nachruf auf Philip Baker Hall: Der Schauspieler Philip Baker Hall.

Der Schauspieler Philip Baker Hall.

(Foto: Janice Ogata/Imago)

Der amerikanische Schauspieler Philip Baker Hall, bekannt aus "Magnolia", "Boogie Nights" und "Modern Family", ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

Von Fritz Göttler

Die Namen der Typen, die er im Lauf seiner über fünfzig Jahre währenden Karriere verkörperte, sprechen für sich: Detective Mulvahill, Richter Kenneth Lavet, U.S. Attorney General Andrew Ward, Sheriff Chambers, Verteidigungsminister David Becker, Richard Nixon ...

Den unseligen Präsidenten verkörperte Philip Baker Hall in "Secret Honor", eine tour de force, die der durchtriebene Robert Altman 1984 nach einem Ein-Personen-Stück drehte, das der Akteur bereits einige Zeit off Broadway spielte. Es zeigt Nixon nach seiner Abdankung, in seinem Büro, beim Versuch, den ganzen Schlamassel um Watergate aufzuarbeiten. Er sei das Opfer einer geheimen Organisation gewesen, dem Komitee der 100, das er auch Bohemian Grove nennt, das den Rauschgifthandel in den USA kontrollierte und deshalb den Vietnamkrieg unbedingt weiterführen wollte. Wie viele amerikanische Helden, von Cody Jarrett (James Cagney in "White Heat") bis Norman Bates, ist Nixon in engem Kontakt mit seiner (toten) Mutter. Er erklärt sich ihr, versucht, sich zu rechtfertigen, will ihren Rat ... versuchsweise greift er mal zum Revolver, der auf dem Schreibtisch liegt, und hält ihn an seine Schläfe. Dann aber tauscht er ihn doch wieder mit dem Mikro seines Bandgeräts - das er aber hält, als wäre es eine Feuerwaffe.

Er spielte am liebsten in Filmen, in denen sich das richtige Leben als falsches entpuppte

Mit "Secret Honor" nahm die Karriere von Philip Baker Hall Fahrt auf, die amerikanischen Kritiker waren begeistert, gestanden ein, dass sie ihn vorher nicht gekannt hätten, und fanden, die Performance wäre doch einen Oscar wert. Der Film war auf der Berlinale gelaufen und hatte einen Preis bekommen, nicht im Wettbewerb, sondern im Forum, das immer mehr Bedeutung gewann - heute wäre er womöglich wettbewerbswürdig.

Philip Baker Hall wurde am 10. September 1931 in Toledo, Ohio, geboren. Er ging zur Army, war teilweise in Deutschland stationiert, als Übersetzer, begann dann in New York mit dem Theater. Im Kino war er, mit der Aura trügerischer Unscheinbarkeit, besonders gut, wenn er mächtige Funktionäre und Bürokraten spielte, zwiespältige Vertreter der geheimen Macht im Staate. Sein kantiges Gesicht und die rauchige Stimme konnten fies erscheinen oder angenehm freundlich. Bis ins sehr hohe Alter hatte er sich eine wunderbare Schlitzohrigkeit bewahrt.

Meistens spielte er in Filmen, in denen das wirkliche Leben sich plötzlich als ein falsches entlarvte, mit Verschwörung und Intrige, auf allen möglichen Ebenen. "Secret Honor" natürlich, "Rufmord - Jenseits der Moral/The Contender" - da ist Jeff Bridges der Präsident, der einen neuen Vizekandidaten sucht -, "Der Anschlag/The Sum of All Fears" von Phil Alden Robinson, über einen Terroranschlag im Stadion von Baltimore, oder "Die Truman Show", von Peter Weir, mit Jim Carrey, über ein Leben, das exklusiv fürs Fernseh-Millionenpublikum inszeniert und gelebt wird. Auch das spielte er gern, TV-Moderatoren, die Medienmanipulateure mit ihrer wachsenden Macht. In Paul Thomas Andersons "Magnolia" war er der krebskranke Jimmy Gator. Es war der dreieinhalbte Film, den er mit Anderson drehte, nach "Last Exit Reno/Hard Eight" (der aus dem Kurzfilm "Cigarettes and Coffee" entstand) und "Boogie Nights".

Im Fernsehen hatte Philip Baker Hall gewaltigen Erfolg in den Serien "Seinfeld" und "Modern Family" (als Walt Kleezak), und allein durch seine Präsenz waren im Familienfernsehen auch politische Anklänge spürbar. Die politische und die fiktive Show fusionierten auf kühne und alberne Weise dann in Ben Afflecks Oscar-Erfolg "Argo". Eine kleine Truppe Hollywoodianer spielt den iranischen Politikern und Geheimdienstlern vor, sie würden in Teheran einen Film produzieren, um vor deren Nase als Geiseln gehaltene Amerikaner aus dem Land rauszuholen. Philip Baker Hall ist dabei als CIA-Direktor Stansfield Turner.

"Secret Honor" - man darf das nicht unerbittlich ironisch sehen -, das ist die Ehre, die im Herzen jeder wahren Performance steckt. Dass einer zu der Rolle steht, zu der er sich verpflichtet hat, die er ausfüllt, so dubios sie auch sein mag. Diese Ehre hat Philip Baker Hall bis zum Ende seiner Karriere mannhaft bewahrt. Am Sonntag ist er im Alter von 90 Jahren gestorben.

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