Alle waren ein bisschen verwirrt, als vor dreieinhalb Jahren der zweite Teil von "Phantastische Tierwesen" erschien. Fast hatte man den Eindruck, J.K. Rowling hätte versucht, einen 800-Seiten-Roman für die Kinoleinwand zu verdichten. Hektisch bewegte sich die Geschichte um einen eigentümlichen "Magizoologen" mit einem Koffer voller sonderbarer Fabelwesen zwischen so vielen Einzelheiten, Nebenhandlungen, Rückblenden und Mikro-Tragödien hindurch, dass man mitunter schon die ruhige Zuversicht der Hauptfigur brauchte, um dabeizubleiben. Dass Rowling, die große Fabuliererin ihres eigenen, so einfallsreich ausgestalteten Fantasy-Reichs, im dritten von fünf geplanten Teilen ihres "Harry Potter"-Spin-offs nun etwas abgebremst hat, ist natürlich ein Versuch der Schadensbegrenzung. Zumal die Reihe durch Skandale um die Darsteller Johnny Depp und Ezra Miller, und nicht zuletzt auch Rowlings eigene Äußerungen über Transpersonen, so einige Beulen bekommen hatte.
Mit etwas Verspätung erscheint nun "Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse". Und Rowling, die dafür nicht erst eine Buchreihe, sondern gleich die Drehbücher geschrieben hat, hat der Kritik der Fans aufmerksam gelauscht. Die Handlung wirkt übersichtlicher und weniger überfrachtet. Die Geschichte um den magischen Kampf zwischen Gut und Böse macht keine allzu weiten Bögen.
Die homosexuelle Liebe zwischen Grindelwald und Dumbledore wird endlich ausgesprochen
Am offensichtlichsten ist zunächst ein Darstellerwechsel: Nach Johnny Depp spielt Mads Mikkelsen den bösen Zaubermeister Gellert Grindelwald, der im von Vorahnungen eines herannahenden Krieges verdunkelten Berlin der Dreißigerjahre eine immer größere Anhängerschaft um sich schart. Der dänische Schauspieler ist als bleichgesichtiger Demagoge nuancierter und undurchsichtiger als Johnny Depp. Auch das Glimmen der Jahre zurückliegenden Beziehung zu Albus Dumbledore kauft man ihm eher ab. Die homosexuelle Liebe zwischen den beiden ikonischen Gegenspielern wird gleich zu Beginn des Films endlich offen ausgesprochen: Grindelwald und Dumbledore treffen sich zu einem frostigen Gespräch in einem Café der Muggel-Welt. Während die nicht-magischen Kellner und mondänen Gäste, die Grindelwald mit allen Mitteln bekriegen will, um sie herumschwirren, bringen die beiden in einem emotional aufgeladenen Dialog die überlebensgroßen Kernthemen der Filmreihe in Stellung: Es geht um Liebe, Macht und Verrat. Wie bei Shakespeare, nur familienfreundlicher.
Da Dumbledore - von Jude Law wieder mit viel Charme und Witz, diesmal aber auch innerlicher Zerrissenheit gespielt - wegen eines Blutschwurs nicht selbst gegen seinen alten Liebhaber antreten kann, schickt er seinen Schüler Newt Scamander (Eddie Redmayne) in den Kampf . Wie schon in den beiden ersten Teilen springt ihm dabei ein farbenfrohes Personal aus Mitstreitern und witzigen Sidekicks zur Seite, darunter der nicht-magische Bäcker und Sympathieträger Jacob Kowalski (Dan Fogler). Dass der kauzige Newt als eigentlicher Held der Fantasy-Reihe im großen Zauberkampf zwischen Gut und Böse ein wenig aus dem Blick gerät, liegt an Rowlings Drehbuch, das sie diesmal zusammen mit Steve Kloves geschrieben hat und das mehr als in den vorherigen Teilen auf "Harry Potter"-Nostalgie setzt.
Ein paar der vielgestaltigen, titelgebenden Kreaturen hat Newt trotzdem wieder in seinem Zauberkoffer dabei. Einige kennt man schon: den putzigen Niffler etwa, eine Kreuzung aus Schnabeltier und diebischer Elster. Mit dem Qilin, einem hirschähnlichen, goldschimmernden Drachenwesen, gibt es ein neues Fabeltier, das mit seiner hellseherischen Fähigkeit eine entscheidende Rolle in der Handlung einnimmt. Bei einer heftig umkämpften Wahl soll ein neuer Anführer der internationalen Zaubervereinigung ernannt werden. Mit hetzerischer Propaganda hat sich Grindelwald in Stellung gebracht. Wie sehr das an den Aufstieg der Nazis erinnert, ist natürlich kein Zufall.
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Auch wenn die historischen und politischen Metaphern auf Totalitarismus und rassistische Gewalt in Rowlings Geschichte natürlich stark vereinfacht und holzschnittartig sind, geben sie David Yates, dem Hausregisseur des Potter-Universums, Anlass für schöne, stimmungsreiche Bilder. Nach New York und Paris geht es diesmal nach Berlin. Tief taucht der Film in die apokalyptische Stimmung der Weimarer Republik ein. Es gibt Anleihen beim deutschen Expressionismus.
Die Kulisse des Zauberministeriums haben die Produktionsdesigner dem Hamburger Chilehaus nachempfunden. Und auf den Straßen marschieren Fahnenträger unter flammend roter Beleuchtung. Die Spezialeffekte sind so prächtig wie eh und je. Oliver Masucci spielt einen undurchsichtigen Politiker der Zaubervereinigung. Und Peter Simonischek aus "Toni Erdmann" hat eine witzige Nebenrolle als übellauniger Gefängniswächter. Man merkt, dass Rowling all diese filmischen Mittel diesmal weniger in den Dienst ihrer ungezügelten Erzählwut gestellt hat. "Dumbledores Geheimnisse" ist unaufgeregter und zielgerichteter. Ein kurzes Kräftesammeln auf dem Weg zum Showdown.
Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore , USA/GB 2022 - Regie: David Yates. Buch: J.K. Rowling, Steve Kloves. Kamera: George Richmond. Schnitt: Mark Day. Mit: Eddie Redmayne, Jude Law, Mads Mikkelsen, Ezra Miller, Dan Fogler, Alison Sudol. Warner, 142 Minuten. Kinostart: 7. April 2022.