Zum Tod von Peter Patzak:"Verächtlichmachung der Polizei"

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Brachte auch den Deutschen bei, dass man die Polizei nicht so ernst nehmen muss: der österreichische Regisseur Peter Patzak. (Foto: dpa)

Der Regisseur Peter Patzak ist tot, der mit "Kottan ermittelt" Zuschauer elektrisierte und Behörden verärgerte.

Von Willi Winkler

Wenn Heimito von Doderer der letzte Epiker Habsburgs war, dann war Peter Patzak der Abbruchunternehmer. In seinen Filmen zerfällt alles, aber nichts, was nicht eh schon längst kaputt ist: Autos, Telefonzellen, Kaffeeautomaten, Zähne, die Polizei natürlich. Wer in den Siebzigern in einem habsburgnahen Land aufwuchs, das die Einheitspartei zum "schönen Bayern" ernannt hatte, bezog aus der Destruktionsserie "Kottan ermittelt" im ORF die frohe Botschaft, dass es nicht mit aller Gewalt streng zugehen musste, dass die bei den Einsätzen in Nürnberg und Wackersdorf nur zu fürchtende Polizei nicht ganz so ernst genommen werden musste, wie sie es haben wollte.

Kottan, der auch ein Adolf ist, gebärdet sich rassistisch und ist nur zufällig nicht so korrupt wie die Kollegen, aber dafür weit komischer. Drehbuchautor Helmut Zenker hatte diesen schlurfigen Kottan erfunden, Patzak hatte ihn straßen- und komödientauglich gemacht und für Parlamentseingaben wegen "Verächtlichmachung der Polizei" gesorgt. Wem Buñuel nur spanisch vorkam, der bekam ihn bei Peter Patzak erst recht und ohne Sacher-Süße untergeschoben. Während im ZDF das Duo Tappert & Reinecker (ehem. Neigungsgruppe SS) auf Recht und Ordnung schaute, sabotierten die ehemaligen Ostmärker Sitte und Moral.

Statt weiterer Aufträge bekam Patzak Preise

Patzak kam aus dem Wiener Spätsurrealismus. Albert Paris Gütersloh war sein erster Lehrer gewesen. Maler wollte er werden. Zwei Jahre in New York machten ihn zum Herzensamerikaner, doch für die Formelhaftigkeit der amerikanischen Krimiserien hatte er nur ein ironisches Zitat übrig. Schmäh war einfach produktiver, wenn Kottan auf den Straßen von San Vienna ermittelte. Am Anfang, 1976, spielte Peter Vogel den Major, ihm folgte Franz Buchrieser, aber keiner war besser als der Kabarettist Lukas Resetarits. Immer sinnloser wurde während der neunzehn Folgen das aufklärerische Treiben, immer sumpfiger die Vorstadt, immer lächerlicher selbst der gemeine Gangster, immer weniger durfte die Wahrscheinlichkeit ihr grauses Haupt erheben.

Patzak konnte auch ganz ernsthaft sein. Er verfilmte "Das Einhorn" von Martin Walser oder die Geschichte um den Grusel-Neonazi, den Helmut Zenker als "Kassbach" entworfen hatte. In "Joker" wurde Peter Maffay zum rollstuhlbewehrten Ermittler, der viel zu eng mit der Unterwelt kumpelte. Statt weiterer Aufträge bekam Patzak Preise und durfte Film unterrichten. Niemand nahm sich mehr der gemeinen Stubenfliege an, niemand sabotierte das Gemütlichkeitsfernsehen, der "Tatort" hat inzwischen auf der ganzen Linie gesiegt. Am vergangenen Donnerstag ist der Hyperrealist Peter Patzak im Alter von 74 Jahren in Krems gestorben. Wir in Bayern stehen mit am Grab.

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