Peter Bogdanovich im Interview:"Ich habe nicht jeden Kampf gewonnen"

Man muss offen bleiben "für den glücklichen Unfall" - ein Gespräch mit dem Regisseur Peter Bogdanovich, der nun eine DVD-Doku über Tom Petty and the Heartbreakers vorlegt.

Interview: Anke Sterneborg

Die schönste Musikszene im Hollywoodkino kommt zu Beginn. Der Moment in "Rio Bravo", wenn Ricky Nelson zur Gitarre greift und mit Dean Martin und Walter Brennan zu singen anfängt - während sie auf den Morgen warten und den finalen Kampf. Es ist die Szene, die viele inspirierte in den Sechzigern, auch den jungen Tom Petty in Florida und Peter Bogdanovich in New York. Tom wurde einer der großen amerikanischen Musiker, Peter ein Regie-Shooting-Star. Nun hat Bogdanovich "Tom Petty and the Heartbreakers: Runnin' Down a Dream" auf DVD vorgelegt , eine klassische Dokumentation mit sagenhaftem Archivmaterial, von Elvis bis Bob Dylan, den die Band begleitete - aber von einem Geist beseelt, der großes Kino daraus macht. Und der manche der Konzerte aussehen lässt, als wären sie von einer Hollywood-Musical-Crew wie bei Minnelli und Donen inszeniert.

Peter Bogdanovich im Interview: Peter Bogdanovich im Oktober 2006 in Los Angeles.

Peter Bogdanovich im Oktober 2006 in Los Angeles.

(Foto: Foto: ap)

SZ: Dieses Projekt ist nicht aus einer lebenslangen Begeisterung für Tom Petty erwachsen - was war Ihre erste Reaktion, als man Ihnen die Regie anbot?

Peter Bogdanovich: Ich war geschmeichelt, dass Tom meine Filme mag und mich fragte, ob ich Lust hätte, eine Dokumentation über ihn und seine Band zu machen. Er war wohl der Meinung, dass jemand, der das Lebensgefühl einer amerikanischen Kleinstadt in "The Last Picture Show" eingefangen hat, auch ein Gespür für die Wurzeln der Heartbreakers haben könnte. Musik war für mich völliges Neuland, doch gerade die Tatsache dass ich mir das erarbeiten musste, hat mich inspiriert.

SZ: Bei dieser Annäherung hat sich ja auch herausgestellt, dass Sie beide doch einiges verbindet, die Karriereanfänge in den Siebzigern, die Versuche, sich eine gewisse Unabhängigkeit von den großen Studios zu bewahren, die Traurigkeit über den Verfall der Werte . . .

Bogdanovich: ... und wir mögen dieselben Filme, wir lieben beide Western. Aber er war erfolgreicher. Er hat mal zu mir gesagt, dass wir beide Mavericks sind, das stimmt wohl. Wir teilen den Impuls, nicht nachzugeben, und nichts zu tun, woran wir nicht glauben. Ich habe nicht jeden Kampf gewonnen, und manchmal hat es zwanzig Jahre gedauert. Ich hatte einen großen Streit mit Universal über "Mask", und war gezwungen, die Musik von Springsteen rauszunehmen. Nun gibt es die Version, die ich wollte, auf DVD. Das ist ein großer Triumph für mich, doch darauf musste ich zwanzig Jahre warten. Bei ihm waren es nur zwanzig Monate.

SZ: Ihre Filme zeigen eine große Zärtlichkeit für die Vergangenheit. Misstrauen Sie der Gegenwart?

Bogdanovich: Es ist einfach leichter, die Vergangenheit zu verstehen, weil sie abgeschlossen ist. Die Leute fragen mich immer, wie es war, in den Siebzigern zu leben, doch wir haben sie einfach nur gelebt. Während es passiert, nimmt man das nicht als Ära wahr, das geht erst im Rückblick.

SZ: Heute besinnen sich eine Reihe Regisseuren auf den den Geist dieser Zeit und einer langsamere Erzählweise. . .

Bogdanovich: Einige der jungen Filmemacher identifizieren sich mit dieser Zeit, die ja schon in den späten Sechzigern begannen. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass "The Last Picture Show" damals von einem großen Studio produziert und herausgebracht wurde, ebenso wie "What's up, Doc?" und "Papermoon". Das waren keine Independents wie heute. Heute ist das alles anders, diese ganzen Top-Ten-Listen gab es damals gar nicht, Variety hat sie zwar für die Branche veröffentlicht, aber niemand hat darüber geredet. Ein Film in 3000 Kinos, auf der ganzen Welt zur selben Zeit, das existierte nicht. Heute sind die Regisseure gezwungen, mehr Leute gleichzeitig anzusprechen. Die Idee eines Filmes, der langsam startet und sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda durchsetzt, gibt es heute nur noch selten. "Little Miss Sunshine" ist eine Ausnahme.

SZ: Selbst in Ihren komplexen Studiofilmen spürt man immer eine Sehnsucht nach einfacher Wirklichkeit.

Bogdanovich: Ich mag es, wenn es ein Gefühl für die Realität gibt. Im Kino geht es nicht ums Denken, sondern ums Fühlen, Traurigkeit, Glück, Humor, Verliebtheit. Aber die Wahrheit kann man auf sehr unterschiedliche Weise erreichen, durch Künstlichkeit, wie Renoir in "French Cancan" oder "Die goldene Karosse" oder in meinem "What's Up, Doc?" - Filme, die reine Phantasie sind. Oder auf realistische Weise, wie in "The Last Picture Show" oder "Papermoon".

SZ: Wieviel haben Sie bei Leuten wir Orson Welles oder John Ford gelernt?

Bogdanovich: Ich habe alles von ihnen gelernt, indem ich ihre Filme angeschaut habe und indem ich ihnen sehr viele Fragen gestellt habe. Das war meine Universität. Das Wichtigste, was ich von ihnen allen gelernt habe, war, dass man offen bleiben muss, für den glücklichen Unfall - eine Wolke, die die Sonne verdeckt, oder ein Hund, der ins Bild läuft. John Ford hat oft gesagt, dass die besten Dinge beim Filmemachen aus dem Zufall entstehen, und Orson sagte, dass man als Regisseur über den Zufall regiert. Man kann die Unfälle nicht provozieren, aber man muss sie zulassen.

SZ: Gibt es eine Chance, dass Sie noch eine Fortsetzung von "The Last Picture Show" und "Texasville" machen?

Bogdanovich: Larry McMurtry hat zwei weitere Romane geschrieben. Jeff Bridges hat mich angesprochen, vielleicht machen wir noch einen Film. Aber ich war schon nicht besonders verrückt darauf, "Texasville" zu machen.

SZ: In der TV-Serie "Sopranos" spielen Sie einen Psychiater. Wie ähnlich ist das der Regiearbeit mit Schauspielern?

Bogdanovich: Ziemlich nahe, man muss ein psychologisches Gespür dafür haben, was gerade in ihrem Leben passiert, das gilt auch für den Umgang mit der Crew. Das Wichtigstes an dir Figur in den "Sopranos"war, dass er zuhören muss, und das ist eine sehr wichtige Übung für diesen Beruf. Orson hat mal gesagt, wenn es richtig klingt, sieht es in der Regel auch richtig aus.

SZ: "Runnin' Down a Dream" ist auch ein Film über den amerikanischen Traum. Wie sieht Ihrer aus?

Bogdanovich: Tom hat ihn gelebt, ebenso wie ich, in großem Ausmaß. Dieser Traum hat sich für mich in einen Alptraum verwandelt, als meine Freundin Dorothy Stratton umgebracht wurde, danach war nichts mehr so wie vorher. Ich habe also die hellste und die dunkelste Seite dieses Traumes gesehen.

SZ: Sie haben offenbar eine sehr bewusste Entscheidung für Pettys Musik und gegen sein Privatleben getroffen, das kommt nur am Rande vor .

Bogdanovich: Das wäre zu kompliziert geworden, und auch zu schmerzlich für Tom, darum haben wir das ganz bewusst ausgeklammert, mir ging es nicht um Skandale und schmutzige Wäsche. Toms erste Ehe war sehr schwierig, und es gab Aspekte, über die wir aus legalen Gründen nicht reden durften. Es war einfacher , gar nicht damit anzufangen. Tom ist, wie Johnny Depp sagt, er widersetzt sich allen Kategorien und bleibt sich selbst immer treu.

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