Pete Townshend 80Das Lied ist vorbei. Fast.

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Pete Townshend nach der Ankündigung der Abschiedstour„ The Who: The Song Is Over“
Pete Townshend nach der Ankündigung der Abschiedstour„ The Who: The Song Is Over“ (Foto: Scott A Garfitt / Scott A Garfitt / Invision / AP / dpa)

Pete Townshend wird 80 und seine vor 60 Jahren gegründete Band „The Who“ geht wieder mal auf Abschiedstour: „Ich bin alt, abgeklärt und dumm genug, um vor nichts mehr zurückzuschrecken.“

Von Joachim Hentschel

Noch in den letzten Wochen vor dem Fest war der Jubilar sehr umtriebig. Erst warf Pete Townshend, damals noch 79, Mitte April den Sohn von Beatles-Schlagzeuger Ringo Starr aus seiner Band, angeblich wegen überlauten Geklöppels auf der Bühne. Erklärte die Affäre einige Tage später als Missverständnis, nahm ihn wieder auf. Und gab dann Anfang Mai bekannt, dass die besagte Gruppe – die vor über 60 Jahren schicksalhaft gegründeten The Who – im August auf weitreichende Abschiedstour gingen. „Gute Dinge müssen irgendwann vorbei sein“, sagte er bei der Pressekonferenz, mit Sonnenbrille, Chinos und bestens sitzendem Jackett. Und debattierte nicht weiter, dass The Who seit 1982 schon eine Reihe angeblich letzte Tourneen gespielt haben. So wie, ja: Howard Carpendale.

Pete Townshend, der erstklassige Rock’n’Roll-Held, der an diesem Montag 80 wird, dürfte bei jeder dieser Konzertreisen heiß gehofft haben, die guten Dinge würden in der Tat endlich ihr Ende haben. Man glaubt es kaum, wenn man ihn mit der Gitarre auf der Bühne sieht, aber die Auftritte und Touren liebte er laut eigener Aussage nie sonderlich. Dass er auf die Art dennoch ein Arsenal an ikonischen, oft kopierten und travestierten Posen schuf, vom Windmühlenarm über den Pferdchensprung bis zum zerschlagenen Instrument, findet er sicher lustig.

Wie auch den Umstand, dass das Destruktive bei ihm keine Wurzeln in der Halbstarken-Aggression hatte, sondern in der Kunst. Genauer: in den Performances von Gustav Metzger, unter dem er in den frühen Sechzigern am Ealing Art College studiert hatte. Zu seiner ersten Frau Karen soll er gesagt haben, entsprechende Ausführungen gegenüber den Who-Kollegen hätten sich angefühlt, „als wolle man einer Truppe von Neandertalern die Atomkraft erklären“.

Okay, noch ein letztes Mal: „Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde.“

Ein gewisser, sanfter Elitarismus, die typisch britische Spielart der gewitzten Besserwisserei, macht im vorläufigen Rückblick das Reizendste an Townshend aus, diesem hundertprozentigen Rock-Mann und Konzepthuber. Die Zeile „Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde“, die er 1965 für seine ewig währende Unzufriedenheitshymne „My Generation“ schrieb, wurde ihm im Laufe der Jahre viel zu oft vorgehalten.

Denn Townshend hatte dabei natürlich kein rechnerisches Alter gemeint, sondern den inneren Stillstand als solchen. Der Maxime, diesen zu vermeiden, folgt er bis heute. Seinen ersten Roman „The Age of Anxiety“ veröffentlichte er mit 75. „Lifehouse“, die Anfang der Siebziger erst konzipierte und dann verworfene Rockoper, in der er mit Ideen über künstliche Intelligenz und virtuelle Realitäten sehr weit vorn lag, ist vielen Fans noch über 50 Jahre später eine Nummer zu hoch.

„Wenn ich noch einmal ein Solo-Album veröffentlichen sollte“, sagte er gerade erst in einem Interview, „müsste es darin um die Themen gehen, die jetzt die Welt bewegen. Ich bin alt, abgeklärt und dumm genug und habe lange genug mit dem Feuer gespielt, um vor nichts mehr zurückzuschrecken.“ Man kann Townshend, dem bekennenden Bisexuellen und Brexit-Gegner, zum Geburtstag eine Menge wünschen, aber auch das: dass er nach Ende der Abschiedstour noch Lust und Zeit hat, diese jetztzeitige Rockoper für uns zu schreiben. Es muss ja noch immer nicht die letzte sein.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war von Townshends „bisher einzigen Frau Karen“ die Rede. Tatsächlich hat er 2016 heimlich nochmal geheiratet.

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