Perry Rhodan in der Analyse:Unterm Helm des Fortschritts

2300 Episoden, eine Milliarde verkaufter Hefte: Was eigentlich fasziniert an Perry Rhodan? Das darf jetzt wohl als erforscht gelten.

Ralf Dombrowski

Von Eckhard Schwettmann erwartet man keine Objektivität. Bevor er 1996 beim Pawel Moewig Verlag anfing, um zunächst als Marketing-Mann, dann als Verlagsleiter die Perry Rhodan Reihe auf Vordermann zu bringen, hatte der studierte Historiker aus Bochum seine Lehrjahre als Plattenpromoter und Journalist hinter sich gebracht.

Perry Rhodan

Behaftet mit dem Stigma des Trivialen, nun analytisch geliftet: Perry Rhodan

Unter seiner Ägide expandierten die Science-Fiction-Heftchen und Romane in Russland, China, Brasilien und den USA und schafften den medialen Anschluss an den PC-, CD- und Hörbuchmarkt. Zwar hat er inzwischen den Arbeitgeber gewechselt. Seinem sorgsam gehegten Serienhelden und dessen ¸¸Perryversum" hält er jedoch mit wohlwollender Loyalität die Treue.

Man kann daher von Eckhard Schwettmann keine Objektivität erwarten, und das ist auch gut so. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wäre das schrecklich langweilig. Man würde dann wohlmöglich etwas über Eskapismus lesen, über zwar humanistisch ambitionierte, aber im Kern naive Gegenweltentwürfe zu den Aporien der Gegenwart, wahrscheinlich auch einiges über erzählstrukturelle Einfalt, sich wiederholende Motivmuster, über Hermetisierung der Sprache und stilistische Schlichtheit.

Unterm Helm des Fortschritts

Doch darum geht es nicht, denn ¸¸Allmächtiger! - Faszination Perry Rhodan" ist ein Prachtband für die Fangemeinde, ein finaler Coup des scheidenden Marketing-Spezialisten zum 45-jährigen Jubiläum der Groschenroman-Serie im September dieses Jahres. Und er bedient sich geschickt der Möglichkeiten der Rhetorik, um dem Stigma des Trivialen zu begegnen, das dem Medium des wöchentlich erscheinenden Fortsetzungsromans von jeher anhaftet. Zunächst hebt eine bunte, sehr lückenhafte Einleitung über Raumfahrt und Science Fiction an sich das Thema auf den Sockel des Populärwissenschaftlichen.

Gründungsmythen von 1961 werden beschrieben, als die ersten Geschichten um den bewusst amerikanisch gehaltenen, aber aus süddeutscher Ideenschmiede stammenden US-Spaceforce Major Perry Rhodan eine Bedürfnislage der fortschrittsfanatischen und ideologisierten Ära des Kalten Krieges trafen. Rudimentär wird der Inhalt von mehr als 2300 Episoden gestreift, ganze Kohorten von Zeichnern, Designern und Autoren werden einzeln vorgestellt, dürfen sich äußern und zur Devotionalie bekennen. Man erfährt viel über Fanclubs, Vertriebswege und die von Schwettmann maßgeblich mitinitiierte Produktpalette des Perry Rhodan-Merchandisings.

Über allem schwebt schließlich die magische Zahl von weltweit bislang über eine Milliarde verkaufter Hefte. So ist ¸¸Allmächtiger! - Faszination Perry Rhodan" eine auf Foliantenformat gebrachte Produktpräsentation, reich bebildert, ansprechend nach den Regeln moderner Sachbuchgestaltung aufbereitet und mit reichlich affirmativem Material zum Thema ausgestattet.

Wer sich daran nicht stört, wird viel Freude an dem Jubel-Band haben. Eine wirkliche Analyse des Phänomens, die sich auch hinter dem Titel hätte verstecken können, bleibt aus.

ECKHARD SCHWETTMANN: Allmächtiger! Faszination Perry Rhodan. Koch International/Hannibal Verlag, Höfen 2006. 352 Seiten, 49,90 Euro.

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