Performance:Ohne falsche Scham

Sorry Not Sorry

Während ihrer One-Woman-Show im Theater HochX läuft hinter Mona Vojacek Koper ein Video ab, auf dem sie im Wasser Hebefiguren probt.

(Foto: Mara Fischer)

Mona Vojacek Kopers Solo "Sorry Not Sorry" kommt zum Abschluss der Wiesn gerade recht. Im HochX erkundet sie die Abgründe der Lust als Slip- und Promilletestverkäuferin

Von Sabine Leucht

Nein, sie entschuldigt sich nicht! Das fällt ihr gar nicht ein. Denn Mona Vojacek Koper meidet all das, was artige Mädchen eh zu oft tun und ist im Gegenteil an den Ort gegangen, vor dem sie ihre lesbisch-feministische Oma immer gewarnt hat: Als "Promilla" genannte Promilletestverkäuferin hat sich die junge Schauspielerin auf der Wiesn verdingt, immer auf Tuchfühlung mit möglichst betrunkenen Alphatier-Männern. Dumme Sprüche wie "Was kostet es, wenn du mir einen bläst?" und Übergriffe gab es inklusive. Und weil Koper noch tiefer hinabsteigen wollte in die Abgründe der Lust, hat sie daneben noch online Slips feilgeboten: Getränkt "mit all meiner realness", sagt sie: Also mit Ausfluss, Schweiß, "Natursekt" und anderen "aromatischen Süßspeisen". In ihrem debütgeförderten Solo "Sorry Not Sorry", das passenderweise zum Ende des Oktoberfestes wieder gezeigt wird, erzählt sie davon, was sie bei ihren Feldstudien erlebte.

Koper, die schon während ihres 2017 abgeschlossenen Studiums an der Otto-Falckenberg-Schule Projekte mit ihrer Kommilitonin Henrike Commichau realisierte und in Produktionen der Kammerspiele zu sehen war, hat ihre One-Woman-Show geradewegs zwischen Lecture Performance und Stand-up-Comedy platziert. Auf der Bühne legt sie so viel Überdruck in Stimme und Gebaren, als müsse sie sich in einem vollbesetzten Wiesnzelt gegen Andreas Gabalier persönlich behaupten. Dabei läuft hinter ihr nur ein Video ab, auf dem sie mit Shenja Lacher auf einem Baumstamm balanciert und im Wasser Hebefiguren probt: Er hebt sie, sie ihn, beides verunglückt auf sehr schön menschliche Weise.

"Dirty Dancing", gesteht Koper, sei ihr Lieblingsfilm. Damit zitiert sie en passant die Geschlechterrollenklischees herbei, die nicht nur sie geprägt haben. Und wenn sie sich nun aufmacht, über den Objektstatus des weiblichen Körpers zu referieren, weiß sie und weiß der Zuschauer, von wo aus sie startet. Dass sie als Frau auf der Bühne per se Objekt ist, ist dabei Teil ihrer Untersuchung. Und die engen Schubladen, in die sie sich als Schauspielerin quetschen lassen muss: Bürgerliches Trauerspiel? Dafür, hieß es immer, sei sie zu "kompakt". Sie solle lieber die Griechinnen spielen, die, sagt sie höhnisch, "zwar Sexsklavinnen" seien, "aber trotzdem stark".

Koper ist klug und charismatisch. Ihre gut einstündige Performance ist ein größtenteils verbaler Parforceritt durch allerlei Verknotungen von Fremd- und Selbstzuschreibungen, der Feminismus- und Münchenklischees streift, die sie sich gerne hätte sparen dürfen. Oft aber schüttelt man sich und kommt nur durch die ausgestellte Robustheit der Performerin über rätselhafte Seelen hinweg, die mit vielen höflichen Bittebittes Höschen mit "lecker Kacke" oder mit sieben Orgasmen einer "sieben Tage lang nicht gewaschenen Muschi" ordern. Und natürlich springt da die Imaginationsmaschinerie an, und man sieht die, die sich da vorne mit breitem Fernsehwerbungsgrinsen für den fetten Publikumslacher prostituiert, mit anderen Augen. Und schüttelt sich noch mal.

Sorry Not Sorry, Freitag, 5., und Samstag, 6. Oktober, je 20 Uhr, im HochX.

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