Süddeutsche Zeitung

Performance:Menschmaschine

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Das Projekt "Sensefactory" in der Muffathalle

Von Egbert Tholl, München

Es gibt ein sehr schönes Zitat von einem der Bauhaus-Künstler, das lautet: "Vielleicht ist es die Einfachheit, die sich hinter komplexen Formen versteckt." Dieses Jahr ist Bauhaus-Jubiläum, vor 100 Jahren wurde dort Zukunft erfunden, erst in Weimar, dann in Dessau und Berlin. Um das zu feiern, gibt auch die Bundeskulturstiftung Geld, und ein kleiner Teil davon ist in der Muffathalle gelandet. Dort entwickelte Dietmar Lupfer zusammen mit sechs Künstlern und Wissenschaftlern aus Deutschland, Montreal und den USA die "Sensefactory". Und die ist ein ganz erstaunliches Ding.

Die Muffathalle ist voll. Eine "pneumatische Architektur" hat sich darin ausgebreitet, ein Labyrinth, in das man sich hineinzwängen muss, in dem sich die Menschen bewegen wie die Kinder. Klang umspült einen, Licht, Musik, in manchen Ecken kommen Gerüche hinzu. Was man gar nicht merkt: Das Gebilde reagiert auf seine Besucher. Mittels Künstlicher (oder auch künstlerischer) Intelligenz wird das Bauwerk selbst gesteuert, mal bläht sich eine Wand auf, mal gibt es neuen Raum zu entdecken, das Sirren, Summen, Duften, Leuchten ist Ausgeburt eines organisch anmutenden Mechanismus'. Man könnte auch sagen, das Ganze ist eine interaktive Hüpfburg.

In den Studios des Muffatwerks kann man sich die Theorie dazu abholen. Eine sehr gut gemachte Text- und Klangcollage erzählt vom Bauhaus und dessen Ideen, spart auch den Missbrauch dieses modernen Funktionalismus' durch die Nazis nicht aus, aber: "Wir möchten nicht Hitler auf dem Freischwinger sehen." Der Sessel ist ein Bauhaus-Erfolgsprodukt.

Ja eben, Produkt. Nicht verstiegene Kunst, sondern Mensch, Maschine und Funktion. "Kunst ist Werkzeug des allgemeinen Arbeitsprozesses." Und stets geht es um eine Ganzheitlichkeit, die mitunter ins Esoterische reicht, aber auch zum "Totalen Tanz Theater" führt. Das ist irre, und wenn man an Höhenangst oder anderen Zwangszuständen leidet, ist es eine harte Erfahrung, aber eine, die sich lohnt. Mittels VR-Brillen taucht man selbst gestaltend in eine Choreografie von Richard Siegel im Stile von Oskar Schlemmers Bühnenexperimenten ein. Bauhaus zum Miterleben, ein optischer Sog, unterfüttert von Musik der Einstürzenden Neubauten. Danach ist man zwar völlig verstört, aber noch mehr fasziniert. Diesen Freitag legt Kate Simko im Ampere passende elektronische Musik auf, am Samstag folgt von 15 Uhr an ein Symposium den Bauhaus-Ideen. Eintritt frei.

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Quelle:
SZ vom 06.09.2019
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