Kunst-Schau "Gegenwarten":Das Canceln canceln

'Gegenwarten' in Chemnitz

Teil der Aktion des Peng!-Kollektivs: Nachbau des Einkaufswagens, der in der Silvesternacht Teil eines umstrittenen Polizeieinsatzes im Leipziger Stadtteil Connewitz war.

(Foto: dpa)

Trubel in Chemnitz: Einen Tag vor der Eröffnung der Stadt-Kunst-Schau "Gegenwarten" verkündet das Peng!-Kollektiv das Aus für die eigene Aktion. Die Aufregung ist groß - und am Ende alles anders.

Von Ulrike Nimz

Eigentlich soll sie von Samstag an in den Chemnitzer Kunstsammlungen zu sehen sein, die neueste Aktion von Peng! Unter dem Titel "Antifa - Mythos und Wahrheit" hat das Medienkollektiv Exponate zusammengekauft, die mit "antifaschistischer Arbeit" in Verbindung stehen. Darunter ein Nachbau des Einkaufswagens, der in der Silvesternacht Teil eines umstrittenen Polizeieinsatzes im Leipziger Stadtteil Connewitz war. Oder eine Spraydose der 75-jährigen Aktivistin Irmela Mensah-Schramm, die bundesweit rechtsradikale Parolen übertüncht. Die Ikonensammlung linken Engagements soll versteigert werden, der Erlös dem Chemnitzer Jugendzentrum AJZ zugutekommen. Man muss an dieser Stelle den Konjunktiv bemühen, denn seit diesem Freitag gibt es mittelschwere Verwirrung um das Werk, das Teil der Stadt-Kunst-Schau "Gegenwarten/Presences" ist.

Am frühen Nachmittag teilte das Kollektiv via Twitter mit, dass die Antifa-Ausstellung noch vor der Eröffnung abgebaut werde. Sprecherin Nika Blum sagt, die Museumsleitung habe kurzfristig angewiesen, einen Wandtext zu ändern, in dem die Gleichsetzung von Antifa und gewaltbereiten Neonazis kritisiert werde. "Wir nehmen dort Bezug auf die so genannte Hufeisentheorie und deren Verbreitung durch Parteien wie CDU, FDP und AfD", sagt Blum. "Man wollte von uns, dass wir die Namen der Parteien entfernen, das haben wir mit Verweis auf die Meinungsfreiheit verweigert." In einer Pressemitteilung heißt es später: "Das Peng Kollektiv sieht hier die Freiheit der Kunst bedroht. Der politische Druck in Chemnitz ist enorm. Wir können nur ahnen, woher die Weisung stammt, denn wir hatten bisher eine gute Zusammenarbeit mit der Museumsdirektion und wissen um ihr politisches Engagement für Chemnitz. Die Strukturen in Sachsen sind aber offenbar so extremistisch, dass eine harmlose Kunstausstellung gecancelt wird, weil in einer Ecke drei rechte Parteien als Teil eines Kunstwerks erwähnt werden."

Stadtsprecher Matthias Nowak reagierte auf Anfrage überrascht. Man habe keine Kenntnis von dem Vorgang, werde sich aber umgehend schlau machen. Kurz darauf twitterte auch die Stadt Chemnitz ein Statement: "Peng bleibt natürlich Teil der Gegenwarten in den Kunstsammlungen - dies ist die klare Aussage des Veranstalters und der Kuratoren. Andere Meldungen können wir nicht bestätigen!"

Florian Matzner, Kunstwissenschaftler und einer der beiden Kuratoren der "Gegenwarten"-Schau, sagt, es könne lediglich von einer Meinungsverschiedenheit mit Peng! die Rede sein. Man habe in offener Atmosphäre darüber diskutiert, ob es nicht besser wäre, die Namen der Parteien aus dem Ausstellungstext zu entfernen. "Die Kunstsammlungen sind schließlich zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet, nicht zu politischer wohlgemerkt", sagt Matzner. Das Kollektiv habe zunächst zugesagt, die Passage zu ändern, dies jedoch widerrufen. Es habe zu keiner Zeit irgendeine Anweisung gegeben, sagt Matzner. "Ich mache seit 30 Jahren Ausstellungen. Ich kann doch keinem Künstler irgendwelche Befehle geben. Das hat an dieser Stelle auch nichts mit Zensur oder Kunstfreiheit zu tun." Den Vorwurf, die Museumsdirektion sei vor dem Druck von rechts eingeknickt, nennt Matzner absurd. "Das sind Verschwörungstheorien. Da wird ein Skandälchen produziert. Wir eröffnen morgen wie geplant."

Inzwischen hat auch das Peng!-Kollektiv das Canceln vorerst für gecancelt erklärt. Für die Chemnitzer Kunstsammlungen dürfe das nachmittägliche Pressemitteilungsduell ein PR-Desaster sein. Generaldirektor Frédéric Bußmann hat die Leitung des Museums erst 2018 übernommen. "Die Verweise auf die Parteien bleiben jetzt drin", sagt Bußmann. Er wolle stattdessen die Debatte zum Anlass nehmen, das Verhältnis von künstlerischer Freiheit und parteipolitischem Neutralitätsgebot offen zu diskutieren, mit Künstlern und der Stadt. "Das mag vielleicht anstrengend sein, aber ich freue mich darauf", sagt Bußmann. "Nur so kommen wir doch einen Schritt weiter."

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Onlinerechte: ja
Beschreibung: Ausstellung Chemnitz Antifa
Credit: Peng! Kollektiv

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