Pankow:Nicht vergebens

Sowjetisches Ehrenmal für die Soldaten der Roten Armee im Volkspark Schönholz nach 2 Jahren der Rekonstruktion wieder eröffnet.

Blick auf den Obelisken und "Mutter Heimat", nach der Sanierung der Anlage im Jahr 2013.

(Foto: imago stock&people)

Der Soldatenfriedhof in der Schönholzer Heide ist der Zahl der Toten nach der größte sowjetische Friedhof in Berlin. Viel Aufmerksamkeit hat er nie erregt, zu nah lag er an der Mauer.

Von Stephan Speicher

Der größte der sowjetischen Soldatenfriedhöfe in Berlin, nicht der Fläche, aber der Zahl der beigesetzten Toten nach, ist der in der Schönholzer Heide in Pankow. Viel Aufmerksamkeit hat er nie erregt. Wahrscheinlich lag er zu nahe an der Mauer, als dass man die Öffentlichkeit und schon gar Schülergruppen dorthin führen wollte. Selbst der Dehio, das Handbuch der Kunstdenkmäler, erwähnt ihn 1985 im Band Berlin/DDR nicht.

Zwischen zwei Pfeilern mit Bronzeschalen und -flammen gelangt man durch eine kurze Allee zum Vorplatz. Zwei Pylonen bilden das Tor, an den Mauern links und rechts sind Embleme der Waffengattungen der Roten Armee angebracht. Die Pylonen selbst tragen große Bronzereliefs von Iwan Perschudtschew, eine Gefechts- und eine Trauerszene. Auf dem ersten, dem linken Relief stürmt ein Soldat nach vorn, vor ihm ist ein Kamerad gestürzt, die Feldbluse ist aufgerissen und gibt einen athletischen Oberkörper frei. Eine Sanitäterin hat seine Hand ergriffen und scheint Hilfe herbeizurufen. Auf dem rechten Relief kniet ein Offizier vor einem Toten, ein Arbeiter in Latzhose senkt dahinter die Fahne, eine junge Frau in langem Gewand hält Blumen im Arm.

Geht man durch das Tor, so liest man: "Entblößt das Haupt! Hier sind sowjetische Soldaten, Helden des Großen Vaterländischen Krieges 1941 - 1945, zur ewigen Ruhe gebettet. Sie gaben ihr Leben für eure Zukunft." Mauern und Pylonen, die von außen sich antikisierend geben, sind von der Innenseite ein wenig ägyptisierend, mit trapezförmigen Toren zu den Innenräumen der Pylonen und zwei Säulenhallen mit kurzen, gedrungenen Säulen (sie stammen aus Hitlers Reichskanzlei). Solche Stilübernahmen sollten vom internationalen Charakter der sowjetischen Kunst zeugen, meint Helga Köpstein, die eine gründliche Untersuchung der sowjetischen Ehrenmale in Berlin verfasst hat. Dazu passt, dass in einer Inschrift Stalin zitiert wird, der den Rang der Roten Armee darin sah, dass sie "keine Ressentiments gegen andere Völker, auch nicht gegen das deutsche Volk", hege, dass sie vielmehr "im Geiste der Anerkennung der Rechte aller Völker erzogen" sei.

Das Ehrenmal in Schönholz ist ein langgezogenes Rechteck, mit drei Hektar nicht sehr ausgedehnt. Eine Mauer, in Nischen gegliedert, umschließt das Areal, Bronzetafeln nennen die Namen einzelner Gefallener, Beete vor den Nischen deuten Gräber an. Tatsächlich zieht sich ein unterirdischer Betongraben die Mauern entlang, in ihn wurden die Särge der Toten eingebracht. Und ähnlich ist es auch im zentralen Gräberfeld, zu dem man einige Stufen hinabsteigt. Links und rechts sind je acht Sarkophage aufgestellt, ihre Zahl erinnert an die 16 Sowjetrepubliken. Hinter den Sarkophagen liegen Gemeinschaftsgräber.

Alles aber läuft auf das Zentralmonument zu, einen Obelisken mit russischer und deutscher Inschrift zum Ruhm der Roten Armee und davor eine Skulpturengruppe der Mutter Heimat. Ein Rotarmist liegt tot auf einem Sockel, bedeckt von der Flagge der Sowjetunion. Hinter ihm die Allegorie der Heimat, ein Frau in langem Kleid, die rechte Hand auf einen Lorbeerkranz gelegt, in der linken einen Zipfel der Fahne, die als Bahrtuch des Toten dient; der Blick geht in die Ferne. "Nicht vergebens waren der Tod und das vergossene Blut der Sowjetsoldaten", heißt es in der Inschrift.

Im Rücken des Ensembles aus Mutter Heimat und Obelisk erinnert eine Tafel an die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter. Ursprünglich war auch eine Statue, "Der Standhafte", geplant, sie fiel wohl Stalins Misstrauen gegen alle Kriegsgefangenen zum Opfer. Die Inschrift "Ihre Liebe zur Heimat, die Treue zu ihrem Volk waren stärker als der Tod" deutet den bösen Verdacht an, dem widersprochen werden musste.

Unter den drei großen sowjetischen Anlagen in Berlin ist die in Schönholz die ruhigste. Die Erinnerung an Kampf und Sieg ist zurückgenommen. Auf die Zentralmonumente, Mutter Heimat und Obelisk, führt nicht, wie es naheläge, eine Hauptachse zu, das dämpft die Monumentalität. Auch die umgebenden Lindenbäume wirken in diese Richtung. So tritt der Friedhofscharakter stärker hervor. Denkt man aber an die Soldatenfriedhöfe des Ersten Weltkriegs in Flandern, wirkt Schönholz doch eher wie ein Ehrenmal als ein Friedhof. Denn es sind nicht einzelne Grabsteine, die das Bild prägen. Das allerdings folgt nicht einer politisch-ästhetischen Absicht. Vielmehr ließ sich trotz großer Anstrengungen nur ein Fünftel der 13 200 Leichname identifizieren. Erkennungsmarken hatte die Rote Armee nicht ausgegeben. So musste sie den größten Teil ihrer Toten anonym bestatten.

Aufschlussreich, im Vergleich den Friedhof der Commonwealth-Truppen an der Heerstraße in Charlottenburg zu besuchen. Durch eine Toranlage mit Rundbögen betritt man das Gräberfeld und hat gleich den Eindruck, in England zu sein. Den Toten sind kleine Grabsteine errichtet, auch denen, die nicht identifiziert wurden ("Known unto God"). Die Steine haben alle dasselbe Format, sodass sie die sanft gewellte Rasenlandschaft nachbilden. Der künstlerische Schmuck ist zurückhaltend, alles fügt sich in die Natur. Auf einem Sockel oder Altar die Verheißung "Their name liveth for evermore". Der britische Friedhof ist ganz ein Ort der Trauer und des individuellen Gedenkens. Die sowjetischen Anlagen nennen die Ideale, für die ihre Soldaten fielen, als eine Mahnung an die Lebenden: Friede, Zukunft, Glück, auch Ehre und Unabhängigkeit des sozialistischen Vaterlands.

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