Süddeutsche Zeitung

"Palo Alto" auf DVD:James Franco als lüsterner Sportlehrer

Sie haben eine leichte Franco-Überdosis? "Palo Alto" sollten Sie sich trotzdem ansehen. Auch weil die Enkelin des großen Francis Ford Coppola mit dem Film ein famoses Regiedebüt hinlegt.

Von David Steinitz

So erfolgreich wie der Coppola-Clan hat sich kaum eine Familie im amerikanischen Kino breitgemacht. Auf den großen Francis Ford, der mittlerweile mehr zwischen den Reben seiner kalifornischen Weingüter als im Regiestuhl sitzt, und nur ab und an noch ein paar schräge kleine Filmversuche auf die Welt loslässt, folgten zunächst seine Kinder. Tochter Sofia natürlich, mit ihrem Indie-Überhit "Lost in Translation", und zuletzt mit der Beverly Hills-Groteske "The Bling Ring". Auch Sohn Roman ist, wenn auch etwas weniger bekannt, ein toller Regisseur. Wie Papa stets sehr nah am Wahnsinn, mit Musikclips für The Strokes oder Phoenix und zwei sehr hübschen Spielfilmen, "CQ" und "Charlies Welt". Letzterer mit Charlie Sheen in der Hauptrolle, die beiden lernten sich kennen, als ihre Väter gemeinsam im Wahnsinn der Dreharbeiten zu "Apocalypse Now" versanken.

Nun hat das nächste Familienmitglied sein famoses Regiedebüt gegeben, Francis Fords Enkelin Gia Coppola, Jahrgang 1987. Sie ist die Tochter seines ersten Sohnes, der kurz vor Gias Geburt mit 22 Jahren bei einem Bootsunfall ums Leben kam. Gia nun hatte innerhalb der gut vernetzten Familie bereits ein paar Filmpraktika absolviert, war für ihre Tante Sofia Kostümassistentin bei "Somewhere" und durfte Opa Francis bei seiner Horrorkomödie "Twixt" im Kreativteam mitberaten.

Für ihren ersten Spielfilm "Palo Alto" durfte sie auf eine Kurzgeschichtensammlung von James Franco zurückgreifen. Eine träumerisch-erotische Meditation über die Untiefen verwirrter Teenager-Seelen in einer amerikanischen Kleinstadt.

Franco, der als Schauspielstar und nebenberuflicher Regisseur, Maler, Dichter, Romancier, Dozent und Dauerinterview-Geber, in den letzten Jahren der Welt eine sanfte Franco-Überdosis verpasst hat, muss man in diesem Fall mal wieder ein bisschen in Schutz nehmen. Die Short Stories über sein kalifornisches Heimatstädtchen Palo Alto sind ein lustig-melancholischer Adoleszenzalbtraum, den er so, oder zumindest so ähnlich, wohl selbst und in seinem Freundeskreis erlebt hat.

Weil diese Pubertätsaufarbeitung also ein Herzensprojekt ist, hat Franco die Verfilmung des Buches mitproduziert und spielt auch eine der Hauptrollen. Und zwar die des hübschen Sportlehrers, der sich ein bisschen zu sehr für eine seiner Schülerinnen interessiert, die er im Fußball trainiert. Das Mädchen, April, wird gespielt von der wunderbaren Emma Roberts ("Wir sind die Millers"). Die, genau wie einige ihrer Altersgenossinnen in Hollywood - Kristen Stewart oder Amanda Seyfried beispielsweise - viel zu selten zeigen darf, was für eine ausgezeichnete Schauspielerin sie ist.

Die gleiche unbezähmbare Melancholie

Als somnambule Teenagerin inszeniert Coppola sie, die wie in einem Traum zwischen Schule, Partys und Entjungferung durch das seltsame Zwielicht jener Jahre zwischen Kindheit und Erwachsensein wandelt. Was bei Franco in Schriftform noch einen eher rauen Ton hatte, taucht Gia Coppola in eine pastellfarbene Wattewelt, was noch viel besser zum schlafwandlerischen Grenzgängertum der Pubertät passt.

Die Palmen an den grauen Straßenrändern von Palo Alto; die etwas übergrünen Hintergärten der weißen Kleinstadthäuschen, die von den Kids in Elternabwesenheit für wilde Partys genutzt werden; die Parkplatzfluchten, auf denen gekifft und geknutscht wird; die langen Gänge der High School mit ihren blauen Spind-Reihen links und rechts: alles Orte, denen sie gleichzeitig einen sehr paradiesischen und einen sehr höllischen Touch gibt. Und mit deren Inszenierung sie sich auch deutlich in die Coppola-Familientradition einreiht. Denn auch wenn die Filme von Francis, Sofia, Roman und Gia nicht per se dieselben Themen, Erzählformen und ästhetischen Vorlieben bedienen, verbindet doch all ihre Filme eine unbezähmbare Melancholie. Ein tragikomischer Existenzialismus aus Lebensliebe wie aus Lebenshass, der aus den kleinen Dingen des Lebens die großen macht - und das ist natürlich stets pures Kino.

Palo Alto gibt es als DVD (ab 12,99 Euro) und Blu-ray (ab 14,99 Euro) sowie als Video-on-Demand, zum Beispiel bei Google Play, Amazon Instant Video oder iTunes (ab 3,99 Euro).

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2562284
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.07.2015/klf
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.