Palazzo Barberini:Revolution in Rom

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Bernini schuf für Papst Urban VIII. ein neuartiges Prunkstück. Heute beherbergt der Palazzo eine grandiose Sammlung von Barockgemälden, die bald in Potsdam zu sehen sein werden.

Von Gottfried Knapp

Als Friedrich der Große 1771 den Auftrag gab, in Potsdam die zur Havel hin offene Seite des Alten Marktes mit einem herrschaftlichen Bürgerhaus zu schließen, das italienisches Flair an den Platz bringen sollte, schlug Baumeister Carl von Gontard die barocke Architektur des Palazzo Barberini in Rom für das geplante Wohnhaus vor. Mit seiner dreigeschossigen Schaufront aus übereinandergestellten Loggien und mit den beiden nach hinten verlaufenden Seitenflügeln, die auf der Havelseite einen Gartenhof bildeten, passte dieser italienische Palazzo-Typ in seiner preußisch verkleinerten Version perfekt in das Erscheinungsbild der preußischen Sommerresidenz. Und er korrespondierte auf höchstem Niveau mit den übrigen Bauten am Platz, mit dem benachbarten Stadtschloss, der gegenüberliegenden Nikolaikirche und dem vergleichsweise bescheidenen Rathaus.

In Potsdam hat die pompöse Architektur des Palazzo Barberini also nur als ästhetisch ansprechende Abrundung des vorhandenen Ensembles gedient. In Rom aber, anderthalb Jahrhunderte zuvor, haben die für Italien damals neuartigen Bauformen höchstes Aufsehen erregt und Baugeschichte geschrieben. Als Gian Lorenzo Bernini nach dem Tod von Carlo Maderno die Planung des Palasts übernahm, war er sich der Aufgabe, für die beiden verwöhnten Neffen des eben zum Papst ernannten Francesco Barberini einen möglichst spektakulären Doppelpalast zu bauen, vollauf bewusst. Er hat die beiden von Maderno vorgesehenen langen Seitenflügel, die hinten am Quirinalshang nach oben führen, vorne aber über den Mittelbau nach vorne stoßen, also einen Vorhof bilden, zur repräsentativen Residenz ausgebaut. Zum ersten Mal in der Geschichte Roms prunkt ein Stadtpalast also mit einem Abstand gebietenden Ehrenhof und einer Schaufassade. Bis dahin waren römische Palazzi vorne an der Straßenfront immer mit einer kompakten Fassade von der Stadt abgeschlossen; aller Prunk war für die innen liegenden Höfe aufgespart. Nun öffnet sich ein solcher Bau erstmals selbstbewusst nach außen - und das nicht mit einer dreiachsigen Loggia im ersten Stock, sondern mit einer siebenachsigen Loggia, die sich gleich über alle drei Stockwerke erstreckt.

Von der riesigen Pfeilerhalle aus, die sich hinter der Fassade auftut, erreicht man rechts und links die beiden in die Flügel führenden Treppenhäuser, die ihre Andersartigkeit mit höchster architektonischer Raffinesse zelebrieren. Auf der einen Seite schreitet man um einen weiten rechteckigen Lichtschacht herum, dessen Lichtflut die begleitenden Doppelsäulen effektvoll ins Szene setzt. Auf der anderen Seite schraubt sich eine von Doppelsäulen getragene Treppe höchst elegant um einen ovalen Lichtschacht herum. Dieses bautechnische Kabinettstück schreibt man gerne dem großen Konkurrenten Berninis, dem Kurvengenie Borromini, zu.

Im ersten Geschoss des Mitteltrakts über der Pfeilerhalle hat Bernini den großen repräsentativen Saal platziert, der von beiden Parteien beansprucht wurde. An der riesigen Decke dieses Saals konnte der Maler-Architekt Pietro da Cortona zwischen 1633 und 1639 eines der prägenden Werke der römischen Barockmalerei anbringen, das Deckenfresko mit der Darstellung der Göttlichen Vorsehung, eine jubilierende Verherrlichung der päpstlichen und weltlichen Macht des Barberini-Papstes Urban VIII., die mit ihren illusionistischen Effekten vielen Malern als Vorbild diente.

In den römischen Museen findet man Werke, die ungern verliehen werden

Dieses bedeutende Fresko und die übrigen im Haus erhaltenen Bildwerke dürften der Grund dafür gewesen sein, dass nach dem Zweiten Weltkrieg der vom Staat erworbene Palast als Nationales Kunstmuseum eingerichtet wurde. Den Grundstock bilden Werke, die dem Staat 1870 bei der Auflösung des Kirchenstaats zugefallen sind. Darunter sind Spitzenstücke aus vorbarocker Zeit, die ungern verliehen werden, etwa die Gemälde von Fra Filippo Lippi, Raffael, Tintoretto, El Greco oder Hans Holbein d. J.. Einzigartig dicht sind die Bestände aber in der Malerei des Barocks. Hier kann das Museum einen schlüssigen Überblick über die Entwicklungen des Stils geben, die großteils von Rom ausgingen oder hier ihren Höhepunkt erlebten.

Natürlich darf Caravaggio in einer Auswahl italienischer Barockmalerei, wie sie jetzt im Nachbau des Palazzo Barberini in Potsdam gezeigt wird, nicht fehlen. Sein "Narziss", eines der frühesten ihm zugeschriebenen Gemälde, kommt noch ohne die prägende Gewalt des Lichtes aus, bewegt den Betrachter aber durch den Zauber, den der im Wasser sich spiegelnde Jüngling bei Betrachtung seines eigenen Gesichts empfindet.

Den schönsten Bezug zu Rom und den Barberinis nimmt die Potsdamer Ausstellung aber mit dem von Bernini gemalten Porträt jenes Mannes auf, der den Palazzo in Rom bauen ließ: Papst Urban VIII. Bernini hat ihm nicht nur in Marmorporträts zu ewigem Ruhm verholfen, sondern auch mit diesem meisterlich gemalten Bildnis.

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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