Palais Liechtenstein wiedereröffnet:Wann wir schreiten Pumps an Pumps

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Baujuwel des Hochbarock: Der österreichische Präsident Heinz Fischer (links) lässt sich bei einem Empfang die aufwendige Renovierung des Palais Liechtenstein in Wien erklären. (Foto: AFP)

Ein Fest für alle entwickelten Sinne. Und für die unterentwickelten auch: Das aufwendig restaurierte Stadtpalais Liechtenstein im Zentrum Wiens bietet höchste Kunst aus Jahrhunderten. Wer das Geld hat, kann es sogar mieten - allzu ausgelassen darf die Feier aber nicht werden.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Weniger vermögende Menschen mieten für ihren runden Geburtstag eine Kneipe, Betuchtere vielleicht einen Golfklub. Dabei gibt es neuerdings unter dem Slogan "Ihre Gäste, Ihr Event, Ihre Wünsche" ein ganzes Palais zu mieten - es ist etwa 300 Jahre alt, für nahezu hundert Millionen Euro renoviert, vor kurzem wurde es wiedereröffnet.

Das Stadtschloss in Wien beherbergt eine Kunstsammlung und ist für anreisende Gäste leicht zu erreichen: Es liegt hinter dem Burgtheater, vom Obergeschoss blickt man in den Volksgarten.

Der Vermieter ist ein veritabler Fürst. Er hat eine GmbH mit der Vermarktung seiner Immobilie beauftragt. Wenn die hölzernen Jalousien, die auf Knopfdruck verstellbar sind, Licht und Sicht hineinlassen, kann man aus den Gemächern zu den demokratischen Institutionen Österreichs hinüberschauen, zum Rathaus, zum Parlament. Und sich, für einen kurzen Moment, feiner fühlen als das Volk, das jetzt im einstigen Reich der Habsburger das Sagen hat.

Okay, zum Feiern muss man Plastikabdeckungen auf dem Boden in Kauf nehmen, denn Michael Thonet hat den Holzboden einst mit so feinen Intarsienarbeiten ausgestaltet, dass ein Paar Louboutin-Pumps dem Kunstwerk Schaden zufügen würde. Champagnerflöten darf man nicht auf den Fenstersimsen abstellen und die Wandbespannung darf nicht berührt werden, was einer ausgelassenen Feier alles in allem im Wege steht.

Denn das Palais Liechtenstein in Wiens feiner Bankgasse, dessen Bau 1691 begonnen wurde, das als Baujuwel des Hochbarock gilt und das ab 1836 noch einmal im Stil des Zweiten Rokoko umgestaltet wurde, ist ein Kunstwerk in sich selbst, eine restaurierte, grundsanierte Schönheit voller Preziosen von unschätzbarem Wert.

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Ein Café, dessen Möbel man kaufen kann, originelle Mode, die nicht zu teuer ist und ein Markt zum Staunen: Wiener verraten ihre Lieblingsorte.

Mit ungeheurem Aufwand wiederbelebt

Daher müssen Sicherheitsleute anwesend sein, wenn der etwas schlichtere, in Weiß und Gold gehaltene erste oder der überwältigend opulente, von Gold und Blau dominierte zweite Stock für ein Event gemietet wurden. Die Raummiete für das 1. OG oder 2. OG, maximal 10 Stunden, kostet etwas weniger, als Angela Merkel, doch weit mehr, als eine Altenpflegerin pro Monat verdient. Zuzüglich Mehrwertsteuer.

Glücklich die Stadt, das Land, die Gesellschaft, die in einer solchen Fülle lebt. Und glücklich auch das Fürstengeschlecht aus der Banken- und Steueroase Liechtenstein, das es sich offenbar problemlos leisten konnte und wollte, das Stadtpalais Liechtenstein, einen der früheren Familiensitze, mit ungeheurem Aufwand in vier Jahren Bauarbeit wiederzubeleben.

Dazu gibt es extra ein Fact Sheet: 150.000 Stück Blattgold, 54.000 Arbeitsstunden allein für die Restaurierung der Vergoldung, 1200 eigens entwickelte LED-Leuchten anstelle von Kerzen, Instandsetzung von 880 Quadratmeter Intarsienparkett und 1850 Quadratmeter Tafelparkett, bis zu 500 Arbeiter pro Tag auf der Baustelle, ein extra adaptierter Webstuhl für die Reparatur schadhafter Stellen in den Wandbespannungen.

Zwei Mal im Monat kommt jeder rein

Seine Durchlaucht, Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, der die Amtsgeschäfte an den Erbprinzen übergeben hat und nur noch das äußerst ansehnliche Vermögen verwaltet, ließ bei der Eröffnungsgala des Palais Mitte April wissen, die Vermietung solle zumindest "die laufenden Kosten decken".

Aber es ist ziemlich kleinkrämerisch, sich dem Bauwerk vorwiegend von der finanziellen Seite zu nähern. Denn auch Normalsterbliche dürfen den Eingang vom Barockportal der Bankgasse her durchschreiten, die monumentalen Treppen emporklettern und dann in den ehemaligen fürstlichen Appartements umherwandeln. Zweimal im Monat wird es in Zukunft öffentliche Führungen geben. Und ehrlich gesagt, trotz der unerschöpflichen Fülle sonstiger Wiener Kunst- und Architekturschätze: Das hier lohnt sich.

Die Liechtensteiner sind ursprünglich, auch wenn das in Vergessenheit geraten ist, ein österreichisches Adelsgeschlecht. Im 12. Jahrhundert findet sich in den Annalen des Hauses ein Herr namens Hugo, der südlich von Wien eine Burg Liechtenstein besaß. Gebiet und Besitz dehnten sich über die Jahrhunderte ins Mährische aus.

Mit "Rücksicht auf den Rang des Hauses", heißt es in der Historie derer von Liechtenstein, sei man bestrebt gewesen, ein "immediates, also dem Reich direkt unterstelltes Territorium zu erwerben", dies sei mit dem Kauf der Herrschaften Schellenberg und Vaduz gelungen; 1719 wurde daraus das heute bekannte Fürstentum.

Die Familie aber lebte weiter überwiegend in Wien und Feldsberg (heute Valtice, Tschechien) und verlegte ihren Wohnsitz erst kurz vor dem Zweiten Weltkrieg nach Vaduz; in Wien verblieben einige Liegenschaften, darunter das Stadtpalais und das bekanntere Gartenpalais im 9. Bezirk.

Der erste Krieg hatte das Habsburger Reich, der zweite auch das Palais in der Bankgasse zerstört, Bombeneinschläge und ein in den Dachstuhl gestürztes Flugzeug demolierten Teile der Prunkräume. Die Familie ließ alles - anfangs recht provisorisch - wiederherrichten; dem Vernehmen nach sind aparterweise aus dieser Zeit auch die mittlerweile erwachsenen Kinder im Treppenhaus verewigt.

Zeitweilig hatte das Außenministerium die Immobilie gemietet, Decken abgehängt und Löcher in den lieblichen Thonet-Boden gebohrt. Eine gewisse Hoffnung steckte man lange in das Gartenpalais, das für 23 Millionen Euro renoviert wurde, um die bedeutende Kunstsammlung zu zeigen. Man hat einiges zu bieten, was in Jahrhunderten zusammengetragen worden war, Rubens und Rembrandt, van Dyck und Raffael.

Zehntausende Einzelteile wieder zusammengesetzt

Das Museum war von Hans-Adam II. in Konkurrenz zu all den anderen legendären Kunstsammlungen der Metropole als ständige Ausstellung konzipiert worden. Doch die schnöseligen Touristen, die schon ihr Programm in der City kaum schaffen, bummelten nicht auch noch hinaus an die Fürstengasse. Statt der geplanten 300.000 Besucher jährlich, mit denen man gerechnet hatte, kamen gerade mal 45.000, sagt eine Mitarbeiterin.

Daraufhin wurde dem prachtvolle Gartenpalais das selbe Schicksal zuteil wie nun dem Stadtpalais: Man kann es mieten. Oder sich, wenn die Räume alle 14 Tage für ein paar Stunden geöffnet werden, auch nur die Kunst ansehen.

Der Zulauf für das Stadtpalais dürfte erklecklich sein. Denn was es hier zu sehen gibt, ist neben einer Biedermeier-Ausstellung vor allem höchste architektonische und ausstatterische Kunst. Aus den Kellern wurden Zehntausende eingelagerte Einzelteile hervorgeholt und wieder zusammengesetzt, die verloren gegangenen oder verkauften Lüster wurden zurückgekauft, Deckengemälde von Antonio Bellucci, die einst ins Gartenpalais transferiert worden waren, zurückgeholt.

Überwältigend ist der Ballsaal mit seinem tiefhängenden Lüster von fast vier Metern Durchmesser, seinen drehbaren Spiegeltüren, seiner Fauna und Flora in Holz, Seide und Marmor, den Eckkandelabern mit musizierenden Putti, unter der Decke versteckten Logen für das unsichtbare Orchester.

Wie das ganze Palais überhaupt ist er ein technisch durchdachtes Fest für alle entwickelten Sinne, und für die unterentwickelten auch. Stuckarbeiten von Santino Bussi, Skulpturen von Giovanni Giuliani, Kunstwerke von Andrea Lanzani, das Hauptportal von Meister Domenico Martinelli, das Seitenportal von Johann Lucas von Hildebrandt - das zu genießen braucht Muße. Nett, hier zu einer Party eingeladen zu sein. Eine Führung tut es auch.

© SZ vom 24.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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