NS-Raubkunst:Bleibt Picassos "Madame Soler" in München?

  • In den Restitutionsfall von Pablo Picassos Gemälde "Madame Soler" (1903) kommt neue Bewegung.
  • Nach jahrelanger Weigerung der Bayerischen Staatsgemäldegalerien schließt der Direktor Bernhard Maaz nun eine Prüfung des Picasso-Gemäldes durch die Limbach-Kommission nicht mehr aus.
  • Erst im November appellierte die Staatsministerin für Kultur im Kanzleramt, Monika Grütters, an Museen, sich der Klärung durch die Kommission nicht zu entziehen.

Von Catrin Lorch

Bleibt Pablo Picassos "Madame Soler" (1903), eines der schönsten Gemälde der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, in München? Die Auseinandersetzung darum, ob es sich bei dem Bild um Raubkunst handelt, dauert seit Jahren an. Das Porträt hatte bis in die Dreißigerjahre dem jüdischen Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy gehört, der gemeinsam mit seiner Frau eine außergewöhnliche Kunstsammlung aufgebaut hatte. Er war Seniorpartner der Privatbank Mendelssohn, die von der Deutschen Bank im Jahr 1938 arisiert wurde. Der Bankier übergab - kurz vor seinem Tod im Jahr 1935 - einige seiner Werke dem Schweizer Kunsthändler Justin K. Thannhauser.

Kontrovers war die langjährige Weigerung der Gemäldesammlungen, die Limbach-Kommission, die in strittigen Fällen Empfehlungen ausspricht, anzurufen. Doch jetzt könnte Bewegung in den Fall kommen: Man werde sich nicht länger entziehen, kündigte Bernhard Maaz, Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung an. Vorausgegangen war ein Appell von Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur im Kanzleramt, die bei einem Symposium zum Jubiläum der Washingtoner Prinzipien gefordert hatte, dass sich Museen der Klärung vor diesem Gremium nicht entziehen.

Die Empfehlungen der Kommission sind bisher nicht bindend

"Der von Monika Grütters auf der Berliner Tagung im November 2018 kommunizierten Möglichkeit zur einseitigen Anrufung der Beratenden Kommission ist zunächst für die Einrichtungen in den einzelnen Ländern nicht bindend. Derzeit wird das weitere Vorgehen zwischen Bund und Ländern erörtert. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen würden sich in strittigen Fällen nicht entziehen", schreibt er in einem Statement. "Wünschenswert wäre freilich in einem solchen Falle, dass die dort getroffene Entscheidung anschließend von beiden Seiten als ein finaler Beschluss anerkannt wird. Bayern war bereits und ist auch aktuell mit einzelnen Fällen bei der Kommission, das befürworte ich als Generaldirektor der BStGS ausdrücklich: So können und sollen Transparenz und Verbindlichkeit entstehen und strittige Fragen behandelt werden."

Wie der Fall ausgeht ist ungewiss. Aber am 18. Januar äußert sich die Erbengemeinschaft Mendelsson-Bartholdy auf ihrer Website zu dem Fall, nachdem überraschend eine mehr als acht Jahre alte Stellungnahme der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in die Raubkunst-Datenbank Lostart auftauchte. Der damalige Direktor Klaus Schrenk argumentierte, dass das Gemälde zur privaten Kunstsammlung des - ebenfalls jüdischen - Händlers Justin K. Thannhauser gehörte, der es zusammen mit vier weiteren Werken im Jahr 1935 gekauft und bei seiner Emigration mit nach New York genommen habe. "Madame Soler" war dann nach dem Krieg im Jahr 1964 einer der populärsten Ankäufe der Staatsgemäldesammlungen, die es seither fast ununterbrochen im Haus der Kunst und den Pinakotheken ausstellten.

Der Historiker Julius H. Schoeps, der die Erbengemeinschaft vertritt, kann nun erstmals inhaltlich auf die Beweggründe der Staatsgemäldesammlungen eingehen. "Madame Soler" sei in den Sechzigerjahren zwar im Besitz, aber nicht im Eigentum des Kunsthändlers Julius H. Thannhauser gewesen, der es nur in Kommission übernommen habe, schreibt Schoeps. Es gebe keine Belege, die für einen Ankauf sprechen. Vor allem irritiert die Erben Paul von Mendelssons-Bartholdys die Behauptung Schrenks, dass das Museum of Modern Art und das Guggenheim Museum in New York in den Auseinandersetzungen um Picassos ikonische Werke "Die Mühle von Galette" (1900) und "Junge mit Pferd" (1906) die Restitutionsforderungen der Familie abgelehnt hätten. Sie hätten einem Vergleich nur zugestimmt, um weitere Gerichtsverfahren zu vermeiden, heißt es in der Stellungnahme.

"Diese Darstellung . .. verzeichnet die tatsächlichen Sachverhalte", antwortet Julius H. Schoeps. Es sei auf Grund eines New Yorker Gerichtsentscheides, bei dem anerkannt wurde, dass es sich bei den Picasso-Werken um Raubkunst handelte, zu dem Vergleich gekommen. Der wurde dann auch zur Blaupause für die Einigung mit der Sir Andrew Lloyd Webber Art Foundation. Die Stiftung zog das gleichfalls aus der Sammlung von Paul von Mendelsson-Bartholdy stammenden Gemälde "Absinth-Trinker" (1901) aus einer Auktion zurück und entschädigte die Familie. "Die Erbengemeinschaft hofft, dass jetzt Bewegung in die Angelegenheit kommt", sagt Julius H. Schoeps gegenüber der Süddeutschen Zeitung. "Es wird Zeit, dass eine faire und gerechte Lösung in diesem Fall gefunden wird."

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