Ukrainisches Tagebuch:Feen zu Besuch

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Oxana Matiychuk arbeitet an der Universität von Tscherniwzi (Czernowitz) im Westen der Ukraine. (Foto: Universität Augsburg/Imago/Bearbeitung:SZ)

Bei einer Buchvorstellung für Kinder erzählt ein "schwarzes Schäfchen" Geschichten aus Czernowitz - eine kurze Ablenkung vom Krieg.

Von Oxana Matiychuk

Unsere "Volunteer-Arbeit", wie sie so schön auf Ukrainisch heißt, setzt keine hochintellektuellen akademischen Diskussionen voraus. Ihre Sprache ist konkret und pragmatisch und reicht von den Bezeichnungen diverser Hilfsgüter wie Kindernahrung und Vollwaschmittel bis hin zu Kevlar-Helmen, CAT-Tourniquets und Nachtsichtgeräten. Wir tauschen uns nicht über geistige Materien aus. Die Orte unserer Arbeit sind unsere Büros, die schon längst zu Minilagern wurden, und unser Universitätslager, das zum Glück nur fünf Gehminuten entfernt liegt.

Die Aktion, die wir dank der Initiative von T.s Frau umsetzen, verspricht dagegen eine kleine Abwechslung. N. arbeitet in der regionalen Kinderbibliothek, die gerne eine Veranstaltung für Kinder aus den binnengeflüchteten Familien machen würde, am liebsten eine, bei der die Kids mit einer echten Autorin sprechen und ein Buch geschenkt bekommen. Sie seien mit mehreren Schulen in Kontakt, und auch ihrerseits gibt es Interesse.

Also planen wir: eine Buchvorstellung, ein Gespräch mit der Autorin und eine Geschenktüte dazu - mit einem Buch, Buntstiften, einem Malblock und etwas zum Naschen. Möglich macht es eine Kinderspende von der Candler Schifffahrt GmbH, die dank der Vermittlung der gebürtigen Bukowinerin Natalie Shtefunyk aus Bremen an uns ging.

Der unvergleichliche Geruch von Büchern durchströmt das Gebäude

Über den Buchtitel sind wir uns schnell einig: "Lehendy Tscherniwziw wid tschornoji wiwzi" ("Legenden aus Czernowitz vom schwarzen Schäfchen") von Chrystja Wenhrynjuk soll es sein. Der ukrainische Titel ist lautmalerisch und spielt auf die volkstümliche etymologische Erklärung des Stadtnamens an - "tschorni wiwzi", "schwarze Schafe". So heißt auch der Kinderbuchverlag, dessen Chefredakteurin Wenhrynjuk ist. Das schwarze Schäfchen ist die Figur im Buch, die Czernowitzer Geschichten erzählt.

Genau das Richtige für die Kinder aus anderen Regionen, die nun länger oder kürzer in Czernowitz leben müssen, befinden wir. T., seine Journalistik-Kollegin L. und ich managen die Ankäufe, man rechnet mit insgesamt 65 Kindern aus drei Schulen. Die Bibliothek lädt das Fernsehen, die Leiterin der Kulturabteilung der Regionalverwaltung und uns, die "Volunteers", ein. Es sind insgesamt drei Termine, S. und ich als "Hauptvolunteers" kommen zum ersten. Die Bibliothek im alten österreichischen Gebäude empfängt uns mit dem unvergleichlichen Geruch von Büchern, er hat etwas Nostalgisches, Beruhigendes und Beunruhigendes zugleich. Für mich gehört er zu den prägendsten Gerüchen meiner Kindheit. Im Haus, wo wir wohnten, befand sich im Souterrain eine kleine Kinderbibliothek, ich war dort so oft, dass die Bibliothekarin manchmal misstrauisch fragte, ob ich die ausgeliehenen Bücher denn auch wirklich gelesen habe.

"Ich hasse Russen" - bei manchen Kindersätzen möchte man weinen

Es sind etwa zwanzig Grundschulkinder, Chrystja stellt das Buch vor, es kommen immer wieder Fragen und Anmerkungen, über einige müssen wir schmunzeln, wenn etwa ein Junge sagt, er glaubt, in Czernowitz bröckeln so viele Fassaden, weil die Häuser so alt seien. Über andere Aussagen möchte man weinen. "Ich komme aus Mariupol, es ist eine Stadt, die es nicht mehr gibt, haben Sie davon gehört?" "Ich hasse Russen, weil sie mein Lieblingsflugzeug ,Mrija' zerstört haben." Ich wünschte mir, dass man Kinder mehr sprechen lässt, doch es gibt ein Szenario, das eine Mitarbeiterin einhalten möchte. Ich darf über die Spender sprechen und erzähle, dass unsere Unterstützer in Bremen sitzen, ob jemand das Märchen über die Bremer Stadtmusikanten kenne? Drei kennen es tatsächlich.

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Strom gibt es im ukrainischen Czernowitz nur für ein paar Stunden am Tag. Unsere Kolumnistin Oxana Matiychuk kann deshalb kaum noch schreiben. Wenn ihre Texte nicht zu uns kommen, fahren wir zu ihr.

Text und Fotos von Moritz Baumstieger

Die Beamtin von der Regionalverwaltung, die im Amt relativ neu ist und die ich zum ersten Mal sehe, redet von den "Feen, die heute zu Besuch kamen". Sie spricht jedenfalls keine typische Beamtensprache, was schon mal sehr erfreulich ist. Zu Chrystja passt die Bezeichnung auch sehr gut, ihre zierliche Gestalt und langen blonden Haare haben tatsächlich etwas Feenhaftes. Doch sie ist nicht nur deswegen bewundernswert. Die Autorin setzt sich seit dem ersten Tag des Angriffskriegs für viele Belange ein, für Soldaten wie für Binnenflüchtlinge, dabei hat sie eine kleine Tochter, die wenige Wochen nach Kriegsbeginn zur Welt kam. Chrystja lebt seit Jahren zwischen Bulgarien und Czernowitz, sie hat einen bulgarischen Mann, sie könnte jetzt in der Nähe von Sofia sitzen, doch sie entschied sich zu bleiben. Nahezu jeden Tag berichtet sie auf Facebook über die Anschaffungen aus den Spenden, bittet um die neuen und schreibt für "ihre werten Bulgaren" auf Bulgarisch über das Kriegsgeschehen.

Ein Spagat zwischen einem Kleinkind, der endlosen Volunteer-Arbeit und der Redaktionsarbeit noch dazu, ich frage mich, wie man so etwas schafft und woher sie die Kraft nimmt. Ich nehme an, Chrystjas Kraft - wie auch unsere - speist sich aus der Hoffnung und dem Gefühl, dass man in diesem Leben für vieles verantwortlich sein muss. Für die Kinder - und auf dem gemeinsamen Foto - bleibt sie in Erinnerung vor allem als eine zauberhafte, hübsche junge Frau, die Märchen schreibt und darüber spricht, wie Bücher entstehen. Eine kleine Ablenkung für alle Anwesenden, die sich in den Wänden der Bibliothek treffen, um die Kriegsrealität für eine kurze Weile draußen zu lassen.

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