Es ist Otto Waalkes' Glück und Unglück zugleich, dass der deutsche Mainstream-Humor, wie es aussieht, für immer ungefähr zwölf Jahre alt bleiben wird. Das Motto des Profi-Blödlers und Ober-Ostfriesen mit den lichten blonden langen Haaren, der auch als am Sonntag nun Siebzigjähriger mit Vergnügen grundsätzlich Baseball-Caps mit silbernen Flügelchen trägt, war deshalb vor mehr als 40 Jahren so einträglich wie heute: "Das Simpelste kommt oft am besten an!" Holladihiti.
Auf Youtube gibt es Zusammenschnitte mit allen "Hänsel und Gretel"-Versionen von Otto von den Siebzigern bis heute, die über eine Dreiviertelstunde lang sind. Das Märchen ist der ewige Fixpunkt im Werk Ottos, was inzwischen schon fast wieder rührend ist. Waalkes spielt dabei Hits von Sinatra bis Helene Fischer und dichtet den Text als "Hänsel und Gretel"-Geschichte um, und aus "Atemlos durch die Nacht / bis ein neuer / Tag erwacht" wird: "Atemlos durch den Wald / ziehen die beiden / und der Wald ist arschkalt". Zeitlosigkeit kann eine Qual sein.
Wenn man sich damit dann so richtig schön weichgeklopft hat zwischen den Ohren, kann man anhand von WDR-Mitschnitten aus den Siebzigern noch den idealtypischen Otto-Wortspielklamauk studieren. Er geht ziemlich genau so wie der Gag vom Liebespaar: "Die beiden befinden sich in den Dolomiten. Und haben sich bisher noch nicht mit Empfängnisverhütungsmitteln beschäftigt. Er gibt Acht und sie gibt Acht - und das macht zusammen sechzehn."
Auf die Frage, ob er Vorbilder habe, hat Otto einmal Heinz Erhardt genannt und dessen Mischung aus Nettigkeit, schüchterner Tolpatschigkeit und Schlüpfrigkeit. Es ist auch ein treffendes Selbstporträt. Ein kleines, aber kulturhistorisch wesentliches Detail unterscheidet ihn allerdings von Erhardt. Humorhistorisch ist Ottos Verdienst, tolpatschig-schlüpfrig und nett zu sein, ohne sich volkstümlich geben zu müssen. Otto war so etwas wie der Post-Achtundsechzig-Heinz-Erhardt. Für damalige Verhältnisse ein Riesenschritt, aus heutiger Sicht kaum ein Katzensprung.
Dass er bis heute so berühmt ist und gleichzeitig so unendlich altbacken wirkt, liegt daran, dass er die ewige goldene Regel des deutschen Mainstream-Humors nie gebrochen hat: Man darf alles, solange man tolpatschig-schlüpfrig und nett ist - und sich brav nur über nicht anwesende Dritte lustig macht, am besten anonyme Funktionsträger, Prediger, Lehrer, böse Hexen. Dazu kommt, dass Otto nicht einfach Komiker, sondern eigentlich ein komischer Musiker ist, Multi-Instrumentalist sogar, ein echter Kleinkünstler also und zwar ein sehr, sehr guter.
Wer ihm nur das Beste will, nennt, was Otto tut und tat, anarchisch-dadaistischen Nonsens und erwähnt seine langjährige Zusammenarbeit mit deutschen Satire-Heiligen wie Robert Gernhardt, Pit Knorr und Bernd Eilert, der er höheren Unsinn wie diesen verdankt: "Angeklagter, Ihnen wird zur Last gelegt, Sie hätten an dem Mast gesägt. - Ich hab nicht an dem Mast gesägt, ich hab nur mit dem Ast gefegt, da hab ich mich mit Hast bewegt, und das hat wohl den Gast erregt, und der hat dann den Mast zerlegt." Ist die rosa Brille gerade nicht zur Hand, bleibt immerhin eine paradigmatische deutsche Gestalt: ein Könner, der so tut, als sei er ein Dilettant, der so tut, als sei er ein Virtuose. Understatement teutonisch. Selbstironie mit Netz und doppeltem Boden.
Allein für seine Arbeit als deutsche Synchronstimme des Faultiers Syd in den "Ice Age"-Filmen hat er dann allerdings doch wieder allen Ruhm der Welt verdient.