Netflix-Film "Otherhood":Was tun, wenn die Kinder groß sind?

Otherhood

Angela Bassett und Patricia Arquette in „Otherhood“.

(Foto: Netflix / Linda Kallerus)
  • "Otherhood" dreht sich um Mütter aus der Babyboomer-Generation und die Frage, was nach der Mutterschaft kommt, wenn die eigenen Kinder erwachsen sind.
  • Drei sehr unterschiedliche Mütter fahren nach New York, um ihre Söhne zu treffen. Es besteht Gesprächsbedarf, man nimmt sich eine Woche frei für den Roadtrip.
  • Leider verliert sich die vielversprechende Konstellation oft in Klischees über ältere Frauen und in der nicht ganz geglückten Besetzung.

Von Magdalena Pulz

Carol klingelt. Als die Gegensprechanlage anspringt, setzt sie zweimal an. Die etwa 60-jährige Frau ist nervös: "Ich war in der Gegend, und da dachte ich ... Ich bin unten. Ich bin's, deine Mutter." Der Buzzer brummt. Oben an der Wohnungstür gibt es kein großes Hallo. Ihr Sohn Matt steht in der Tür: Anfang 30, oben ohne, schlank, kurze Sporthose. In seinem Gesicht herrscht große Verwirrung, kein Lächeln: "Mama, was machst du hier?" In der hellen Wohnung stehen sie sich unbeholfen gegenüber. Mutter und Sohn fremdeln. Und das am Muttertag.

Cindy Chupacks Film "Otherhood", den sie für den Streamingdienst Netflix gedreht hat, beschäftigt sich mit dem, was nach der Motherhood, also der Mutterschaft, kommt. Mit der Zeit, in der das Muttersein neu definiert werden muss, weil die Kinder erwachsen sind. Wenn sich das Selbstbild umsortiert, und sich Frau fragen muss, was von den vergangenen drei Jahrzehnten bleibt. Harter Stoff. "Otherhood" ist aber trotzdem eine Komödie. Warum auch nicht, gerade die harten Themen sind ja oft die beste Grundlage für richtig gute Comedy. In diesem Film klappt das halb. Die Geschichte beruht auf dem Roman "Whatever Makes You Happy" von William Sutcliffe. Natürlich ist keine Mutter-Kind-Beziehung vergleichbar. Aber der Schmerz, "dass sich jemand Schritt für Schritt von einem trennt", wie es eine der Mütter im Film formuliert, ist universal verständlich.

In "Otherhood" fahren drei Babyboomerinnen nach New York, um ihre Söhne zu treffen. Es besteht Gesprächsbedarf, man nimmt sich eine Woche frei für den Roadtrip. Ein bisschen wie "Hangover" für Mamas. Mit dabei drei unterschiedliche Frauen: die spaßbefreite Witwe, die im Gestern lebende Verlassene und die gemütliche, normale Ehefrau. Diese Stereotypinnen sind wiederum die Mütter von drei Stereotypen: ein Schwuler, ein mittelloser Autor und der wohl reichste Graphic Designer New Yorks, wenn man sich die Größe seines hypertrendigen Appartements und der Sneaker-Sammlung anschaut. Als die Mütter (unangekündigt! frech!) klingeln, haben die Kinder ein eigenes Leben, Rhythmen, Probleme, Fehler. Auch klar. Die Versuche, wieder anzuknüpfen, sich selbst und den anderen zu finden, sind für alle sechs ein Reality-Check. Die vielversprechende Konstellation wird aber verschenkt, weil so viele Klischees bespielt werden. Etwa: Ältere Frauen trinken gerne Bourbon, machen einen auf gebügelt, aber sind auf der Tanzfläche wild und frei. Make-Over, Blumensträuße, man kennt sich nicht mit Social Media aus. Mütter putzen die Apartments ihrer Söhne und kochen unwiderstehliches Essen. Außerdem suchen sie die perfekte Partnerin mit verbundenen Augen aus einer Reihe von 100 Frauen aus. Das ist nicht nur fad, sondern stört auch die etwas dunklere durchaus vorhandene Comedy von "Otherhood".

Bald folgt noch eine dritte Entwicklungsstufe: Grandmotherhood, die Großmutterschaft

Dass das Ganze sich besonders zum Ende hin unrund anfühlt, liegt aber vielleicht auch an der Besetzung. Felicity Huffman ist zwar Pointen-versiert, aber wer die Berichterstattung über sie und den College-Bestechungsskandal im vergangenen Jahr verfolgt hat, muss doch eher daran denken als an ihre Filmrolle. Auch die Besetzung der ernsthaften Witwe geht mit Angela Bassett etwas daneben. Deren sonst so tolle Königlichkeit wirkt in der Vorstadtfrauengeschichte irgendwie drüber. Und dann gibt es noch Patricia Arquette, die auch im Film mitspielt - aber mehr als das gibt dazu eigentlich nicht zu sagen.

"Otherhood" ist ein typisches Werk der Filmemacherin Cindy Chupack, die unter anderem als Produzentin und Autorin für Serien wie "Sex and the City" gearbeitet hat. Eine Gruppe Frauen lebt (überdurchschnittlich) wohlsituiert, ist ständig am Saufen und es gibt auch - à la Carrie Bradshaw - eine Erzählerin, die jedoch nach den einleitenden Minuten nie wieder vorkommt.

Die Frauengeschichte ist aber weder in der Botschaft noch in der Machart so einfallsreich wie man es von Chupack sonst kennt. "Otherhood" fühlt sich streckenweise oll und beige an, wie ein Film aus einem anderen Jahrhundert. Und das liegt nicht am Alter der Protagonistinnen.

Vielleicht will "Otherhood" einem nichts über Mutter-Kind-Beziehungen beibringen, weil die eh so idiosynkratisch sind, dass man niemandem reinquatschen sollte. Vielleicht soll der Film einfach nur auf einen Fakt vorbereiten: Nach der Motherhood kommt die Otherhood. Oder, wie im Film, sogar noch eine dritte Stufe: die Grandmotherhood. Die Großmutterschaft.

Otherhood, USA 2019 - Regie: Cindy Chupack. Buch: Mark Andrus, Cindy Chupack. Mit: Patricia Arquette, Felicity Huffman, Angela Bassett. Netflix, 100 Minuten.

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