Ostdeutschland ist einzigartig, und das schon eine ganze Weile. Nach der Selbstbefreiung in einer friedlichen Revolution brach die Wirtschaft hier so rasch ein wie nirgends sonst. Die großen Industrien, die Landschaft und Leute geformt hatten, verschwanden und kehrten nicht zurück. Bis 1993 zogen 1,4 Millionen Menschen von dannen. 1994 kamen in den neuen Ländern 79 000 Kinder zur Welt, 0,77 pro Frau. Nur im Vatikan wurde eine niedrigere Geburtenrate verzeichnet. Der Systemwechsel ging, was nicht ganz ungewöhnlich ist, mit einem Elitenaustausch einher. Er vollzog sich, während die alte Bundesrepublik selbst den Wandel zur postindustriellen Gesellschaft erlebte. Und er war trotz des ökonomischen Zusammenbruchs und der massenhaften Abwanderung mit steigendem Wohlstand und für viele, nicht für alle, mit einer Explosion der Möglichkeiten verbunden.
"Wer wir sind" von Jana Hensel und Wolfgang Engler:Osten, was ist das?
Seit Jahrzehnten liegt Ostdeutschland auf der Couch. Die Schriftstellerin Jana Hensel und der Soziologe Wolfgang Engler erkunden literarisch, was Heimat ist.
Von Jens Bisky
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