Süddeutsche Zeitung

Oscarverleihung:Biss braucht Jimmy Kimmel gar nicht

Für die Oscarverleihung hätte es sicher aufregendere Moderatoren gegeben. Aber in diesem Jahr ist das gar nicht nötig.

Von Carolin Gasteiger

Kaum eine Entscheidung wird vor der Oscar-Verleihung so genau beobachtet wie die Wahl des Moderators. Ist er weiß, ist er schwarz, männlich oder weiblich, liefert er bissige, politische Pointen wie Jon Stewart oder ist er eine sichere Unterhaltungsbank wie Billy Crystal? Im vergangenen Jahr sollte Chris Rock als Afroamerikaner gegen die #OscarsSoWhite-Kritik anmoderieren. Wer die Oscars präsentiert, ist immer auch Ausdruck dessen, wie die Academy sich selbst sieht.

In diesem Jahr macht Jimmy Kimmel den Job. Aufregend ist das nicht. Aufregend wäre es gewesen, wenn sich die Academy für Frauen entschieden hätte, etwa Tina Fey und Amy Poehler. Oder nochmal für Chris Rock. Aber erstere sind durch die Moderation der Golden Globes für die Oscars verbrannt. Und Chris Rock war einigen wohl doch ein wenig zu bissig. Der 49-jährige Kimmel ist eine sichere Wahl. Große Galas sind ihm vertraut. Er hat schon zwei Mal die US-Fernsehpreise Emmys moderiert, 2012 außerdem das jährlich stattfindende Dinner der Korrespondenten im Weißen Haus.

Seit inzwischen elf Jahren moderiert er seine eigene Late Night Show auf ABC. In Jimmy Kimmel Live! stellt er Menschen auf der Straße fiese Fragen ("Hatten Sie am Valentinstag Sex?"), zeigt in Clips, wie Eltern ihren Kindern erzählen, sie hätten alle Halloween-Süßigkeiten aufgegessen oder lässt Prominente die gemeinsten Tweets über sich selbst vorlesen. In einer Folge von "Celebrities Read Mean Tweets" war der damalige US-Präsident Obama zu Gast. Einer der Tweets lautete, Obama werde als "schlechtester Präsident in die Geschichte der Vereinigten Staaten" eingehen. Der Tweet stammte vom republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump. Obamas Kommentar: "Wenigstens werde ich als Präsident in die Geschichte eingehen."

Es sind die ersten Oscars unter Trump. Und spätestens, seit "The Salesman"-Regisseur Asghar Farhadi verkündetet, aufgrund des vom Präsidenten verhängten Einreiseverbots für Muslime nicht zu der Gala nach Los Angeles zu kommen, fühlt das liberale Hollywood sich politisch verpflichtet. Meryl Streep lieferte bei den Golden Globes bereits eine flammende Rede gegen Trump, Julia Louis-Dreyfus tat es ihr bei den SAG Awards nach. John Irving mahnte zuletzt in einem SZ-Gastbeitrag, das liberale Hollywood dürfe Intoleranz nicht tolerieren, sondern müsse zusammenstehen. Es wird einige geben, die es sich nicht nehmen lassen, Trumps Tiraden publikumswirksam zu kommentieren. Unabhängig davon, ob Kimmel sie thematisiert oder nicht.

Trump zu ignorieren, wäre fahrlässig

Trump ganz zu ignorieren, wäre fahrlässig. Immerhin sehen sich auch in miesen Jahren noch Millionen von Menschen die Oscars an (34,4 Millionen US-Zuschauer im vergangenen Jahr waren der zweitniedrigste Wert in der Oscar-Geschichte). Das hat Kimmel aber auch nicht vor: "Es kommt darauf an, was die Woche so passiert", kündigt er an und fügt hinzu: "Ich schätze, bis dahin wird wieder irgendetwas Verrücktes sein." Es sieht aus, als wolle Kimmel die Ereignisse für sich sprechen lassen und nicht selbst noch bissig kommentieren. Das dürften schon Laudatoren und Preisträger für ihn erledigen.

Von Kimmel hingegen ist eher leichtere Unterhaltung zu erwarten. So wie die publikumswirksame Pseudo-Fehde, die sich Kimmel seit inzwischen zehn Jahren mit Matt Damon liefert. Ausgelöst hatte sie der Running Gag in Kimmels Show, Matt Damon nicht auftreten zu lassen ("Apologies to Matt Damon, we're running out of time"). In einem Video gestand Kimmels damalige Freundin Sarah Silverman eine Affäre mit Damon (worauf dieser mit einem Video antwortete, in dem er mit einer Affäre mit Ben Affleck prahlt). Die "Erzfeindschaft" geht so weit, dass Damon zuletzt behauptete, der Vater von Kimmels Kind zu sein. Wie der Guardian schreibt, passt die Art, wie sich die beiden bekriegen, zum selbstbezogenen Humor der Oscars. Könnte also gut sein, dass Damon auch bei den Academy Awards auftaucht. Und nicht nur, weil sein Film "Manchester by the Sea" nominiert ist. Kimmels Strategie ist schon klar: Er wolle alles tun, damit Damon mit "Manchester by the Sea" nicht gewinne oder es zumindest nicht erfährt, so Kimmel. "Mein Ziel ist, ihn von der Bühne fernzuhalten", zitiert ihn der Hollywood Reporter.

Jimmy Kimmel wirkt immer souverän, seine Pointen sitzen und er kann mit Stars umgehen, ohne sie wie sein Namensvetter und Komikerkollege Jimmy Fallon allzu sehr zu hofieren. Aber richtig Biss hat Kimmel nicht. Aber das ist bei den diesjährigen Academy Awards auch nicht nötig. Selten war eine originelle Oscarmoderation so zweitrangig wie in diesem Jahr.

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