Nein, so wie bei den Emmys im vergangenen September soll es bei den Oscars nicht werden, haben sich die Produzenten der wichtigsten Filmpreisverleihung der Welt gedacht. Damals, im September, lautete der Dresscode "Come as you are", und in Pandemiezeiten deuteten das viele der Nominierten als "behalt einfach deinen Schlafanzug an". Der Regisseur und Oscarpreisträger Steven Soderbergh, der Schauspieler und Fernsehregisseur Jesse Collins und die Produzentin Stacey Sher ("Django Unchained") sind dieses Jahr für die Inszenierung der Oscar-Gala verantwortlich, und sie sind strenge Gastgeber: Die Oscars sollen strahlen, Virus hin oder her! Ihren Dresscode für die Nominierten beschreiben sie als "Verschmelzung von inspirierend und ambitioniert, in klareren Worten: Formelle Kleidung ist cool, wenn Sie möchten, aber legere ist es absolut nicht." Reiß dich zusammen, Hollywood, heißt das wohl.
Die glamoursteigernde Maßnahme, die die Nominierten weit mehr irritiert als die Bitte um schicke Garderobe, ist aber eine andere. Das Produzententeam schreibt in seinem Brief an die Nominierten, dass es keine Video-Schalten geben wird für jene, die nicht zur Zeremonie nach Los Angeles anreisen. Corona zählt nicht als Ausrede. Wer bei der Entgegennahme seines Preises sicht- und hörbar sein möchte, soll gefälligst persönlich erscheinen.
Das klingt natürlich erst einmal reichlich abgehoben. Der Widerstand gegen den Anreisezwang formiert sich bereits unter den Oscar-Anwärtern, die nicht um die Ecke in den Hügeln von Hollywood wohnen, sondern in exotischen Weltgegenden wie Europa. Die britische Regisseurin und Schauspielerin Emerald Fennell, die unter anderem für die Beste Regie nominiert ist, sagte, sie hoffe sehr, nach L.A. reisen zu können, werde aber kein Gesetz brechen, indem sie den Atlantik durchschwimme.
Alle Teilnehmer werden vor der Verleihung auf das Virus getestet
Der Hintergrund für die Strenge der Verantwortlichen ist die durchwachsene Erfahrung mit virtuellen Preisvergaben während der Pandemie. Die Grammys waren ein uneinheitlicher Zusammenschnitt von Gästen vor Ort und Einspielern aus der Ferne. Die Emmys waren unterhaltsam, weil Jimmy Kimmel gut moderierte, aber visuell nicht gerade berauschend. Bei den Golden Globes bedankte sich Daniel Kaluuya ohne Ton für seinen Preis als Bester Nebendarsteller. Und auch im besten denkbaren Fall wäre eine Zoom-Schalte zu den Stars nur eine besser gestylte Version der täglichen Videokonferenzen aus dem Home-Office, von denen einfach alle Menschen die Nase gestrichen voll haben. Dass bei den Stars ein paar teurere Möbel im Hintergrund stehen könnten als beim Jürgen von der In-House-IT ist da ein geringer Trost.
Das Oscar-Team hat aber auch deshalb das Gefühl, eine edle Show abliefern zu müssen, weil die Live-Übertragung schon seit Jahren kränkelt. Die Einschaltquoten sinken, im vergangenen Jahr erreichten sie ein Rekordtief. Seit das so ist, haben die Macher der Show einiges versucht. Die Veranstaltung wurde gekürzt. Sie hat keinen Moderator mehr. So richtig geholfen hat bisher nichts. Trotzdem ist die Verleihung, die üblicherweise im Dolby Theatre stattfindet, nach wie vor die Preisverleihung mit den meisten Zuschauern weltweit. Da muss man doch etwas machen können, wird man sich bei der Academy gedacht haben.
2021 wird also einiges anders sein. Die Sause steigt erst Ende April statt wie sonst Ende Februar und zwar in der Union Station, einem historischen Bahnhofsgebäude in L.A.. Der Ort sei "ikonisch" und auch besser geeignet, um den Infektionssschutz zu wahren, heißt es. Dass sie damit genauso streng sein werden wie mit ihrem Glamour-Zwang, haben die Oscar-Produzenten angekündigt. Die Show werde ablaufen wie ein Filmdreh unter Corona-Bedingungen mit Tests für alle Teilnehmer. Gerüchten zufolge sollen die Nominierten sogar vorher in Quarantäne gehen, was aktuelle Dreharbeiten, an denen sie beteiligt sind, für viele teure Tage unterbrechen würde. Im schlechtesten Fall könnte die Strenge der Oscar-Produzenten am Ende nicht zu mehr Stil führen, sondern dazu, dass sich alle sehr ernsthaft fragen, ob eine Show mit sinkenden Einschaltquoten einen solchen Aufwand wirklich wert ist.