Oscars 2012:Countdown bis zum Goldregen

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In diesem Jahr ist alles ein bisschen anders: Wenn am Sonntag in Hollywood zum 84. Mal die Oscars verliehen werden, schnappt der französiche Stummfilm "The Artist" den Amerikanern womöglich den Titel "Bester Film des Jahres" vor der Nase weg. Deutsche sind auch im Rennen. Welche Favoriten am Start sind, und welche Underdogs ihnen in die Quere kommen könnten - Süddeutsche.de ist in der Nacht zum Montag live dabei.

Paul Katzenberger

Noch ist nichts entschieden, doch ein Coup ist es schon jetzt: Als Ende Januar die Nominierungen für die 84. Oscarverleihung bekanntgegeben wurden, gelang es Michel Hazanavicius zumindest ein bisschen an der Dominanz der Amerikaner zu kratzen. Die zehn Nominierungen für seinen Stummfilm The Artist übertraf am Ende nur Altmeister Martin Scorsese, dessen Hugo Cabret mit elf Gewinnchancen ins Rennen geht. Welche Filme und welche Schauspieler bei der diesjährigen Oscar-Vergabe antreten - ein Überblick. Am Sonntag ist Süddeutsche.de live dabei.

Oscarnominierungen
:Hoffen auf die Trophäe

Wer bekommt in diesem Jahr die höchste Auszeichnung im Filmbusiness? Die Nominierungen für die Oscarverleihung stehen fest. Hollywood wartet gespannt auf die finale Entscheidung. Wir bangen mit. Schon mal zum Warmmachen - die Nominierten in Bildern.

[] Hugo Cabret - elf Nominierungen

Mit Hugo Cabret ( Filmkritik) bricht Martin Scorsese in die 3-D-Zukunft auf - und lässt seine Kamera durch alle Winkel eines Pariser Phantasiebahnhofs der dreißiger Jahre jagen. Die Geschichte um den jungen Hugo, der dort unermüdlich die Uhren aufziehen muss, erinnert mit all seiner Mechanik an die Anfangszeiten des Kinos. Scorsese geht es um die Wiederherstellung jener Magie, die das Kino hatte, als es noch jung war. Der am häufigsten nominierte Film der Oscars 2012 tritt vor allem in den technischen Kategorien an - bei den Schauspielern sind die Kinderdarsteller des Films hingegen nicht vertreten.

[] The Artist - zehn Nominierungen

Ein französischer Film, der zu den Top-Anwärtern bei der Oscar-Verleihung zählt, wann gab es das schon einmal? Möglich wurde dieser Erfolg, weil der Stummfilm The Artist ( Filmkritik) von Michel Hazanavicius ohne Sprache auskommt, also auch in Amerika verstanden werden kann. Die romantische Komödie nimmt die Zuschauer mit in die amerikanische Kinofrühgeschichte - so etwas gefällt der Academy. Der Film dürfte gute Chancen auf einen oder mehrere Auszeichnungen haben - drei Golden Globes hat er schon.

[] Moneyball - sechs Nominierungen

Lassen sich sportliche Erfolge kaufen? Diese Frage versucht das Baseball-Drama Moneyball ( Filmkritik) zu ergründen. Erzählt wird die Geschichte eines Managers, der ein wirtschaftlich angeschlagenes Team übernimmt und dank wissenschaftlicher Methoden und gegen alle Widerstände zu Erfolg gelangt. Brad Pitt spielt diese Rolle zwischen kalter Entschlossenheit und untergründiger Leidenschaft, was ihm sehr zu Recht die Oscarnominierung eingetragen hat.

[] Gefährten - sechs Nominierungen

Alle Oscars, die Steven Spielberg in seiner langen Karriere gewinnen konnte, waren Kriegsfilme. Mit Gefährten (War Horse) ( Filmkritik) versucht sich der Erfolgsregisseur nach Schindler's Liste und der Soldat James Ryan erneut an einem Militärepos, doch dieses Mal stehen seine Chancen schlechter, die Academy zu überzeugen. Denn das vor Pathos triefende Pferde-Melodram ist vor allem in technischen Kategorien wie "Beste Kamera" oder "Bestes Produktionsdesign" nominiert, und in denen tritt Spielberg selbst nicht an.

[] The Descendants - fünf Nominierungen

Im Herzen grundanständig, doch nicht frei von menschlichen Schwächen: Die Rolle eines Vaters, der sich nach dem Bootsunfall seiner Frau endlich um seine zwei Kinder kümmern muss, ist George Clooney auf den Leib geschneidert. In dem Drama The Descendants ( Filmkritik) füllt er sie vor der wunderschönen Kulisse Hawaiis mit Bravour aus. Neben Regisseur Alexander Payne ( Sideways, About Schmidt) ist der Hollywood-Star in diesem Jahr für die Auszeichnung als "Bester Hauptdarsteller" und "Beste Regie" nominiert. Die Gewinnchancen stehen für beide nicht schlecht, doch gerade in diesen beiden Kategorien ist die Konkurrenz hoch.

[] The Help - vier Nominierungen

Im Südstaatendrama The Help brillieren vor allen die Schauspielerinnen. Viola Davis fordert Berühmtheiten wie Glenn Close oder Meryl Streep als "Beste Hauptdarstellerin" heraus und in der Kategorie "Beste Nebendarstellerin" machen sich Jessica Chastain und Octavia Spencer sogar gegenseitig Konkurrenz. Beide Schauspielerin verdanken ihre Nominierung ihrer Rolle in The Help.

[] Midnight in Paris - vier Nominierungen

Wenn es Oscars zu vergeben gibt, dann ist Woody Allen seit Jahrzehnten ein Kandidat: Unglaubliche 21 Mal war der New Yorker bereits für den Academy Award nominiert - drei Mal wurde er ihm schließlich verliehen. Nun ist er mit Midnight in Paris ( Filmkritik) wieder im Rennen um die bedeutendste Trophäe der Filmwelt. Seine Zeitreise in das Paris der zwanziger Jahre war der größte Kassenerfolg für Allen seit 30 Jahren. Bekäme er dafür den Oscar, so wäre es sein erster seit 25 Jahren. Sein letzter Academy Award datiert aus dem Jahr 1987 für das Drehbuch von Hannah und ihre Schwestern.

[] The Tree of Life - drei Nominierungen

Ginge es nach der Gewichtigkeit des Themas, so müsste in diesem Jahr wohl Terence Malick der Oscar für The Tree of Life ( Filmkritik) zugesprochen werden. In dem Drama, das in Cannes im vergangenen Jahr den Hauptpreis abräumte, stellt der Kinopoet die ganz großen Fragen der Menschheit und nimmt den Zuschauer zurück an den Anfang der Welt. Die Filmkritik konnte sich allerdings kaum einigen, ob Malicks Fluss der Bilder nun mehr Genie oder Wahnsinn darstellt - der Film wurde sehr widersprüchlich aufgenommen. Auf das Urteil der Academy darf man also gespannt sein.

[] Extrem laut und unglaublich nah - zwei Nominierungen

Das Staraufgebot in Extrem laut und unglaublich nah (Extremely Loud & Incredibly Close) ( Filmkritik) ist beeindruckend - neben Sandra Bullock und Tom Hanks steht auch Max von Sydow in dem 9/11-Drama vor der Kamera. Der von Stephen Daldry wuchtig und drastisch in Szene gesetzte Film lief bereits im Wettbewerb der Berlinale außer Konkurrenz, erzeugte dort aber wenig Resonanz. Die Geschichte eines Elfjährigen, der von seinem Vater, der bei den Anschlägen auf das World Trade Center umkam, ein letztes Rätsel hinterlassen bekam, dürfte nur Außenseiterchancen haben.

Oscarnominierungen
:Hoffen auf die Trophäe

Wer bekommt in diesem Jahr die höchste Auszeichnung im Filmbusiness? Die Nominierungen für die Oscarverleihung stehen fest. Hollywood wartet gespannt auf die finale Entscheidung. Wir bangen mit. Schon mal zum Warmmachen - die Nominierten in Bildern.

Nur selten finden sich im Hauptfeld der Oscar-Nominierungen Filme ausländischer Herkunft. Der Jahrgang 2012, bei dem der französischen Stummfilm The Artist zehn Mal die Chance bekommt, den Oscar zu gewinnen, ist der große Ausnahmefall. Die Oscar-Verleihung gleicht daher häufig einer Selbstbeweihräucherung Hollywoods, das Weltkino spielt kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildet die Kategorie "Bester fremdsprachiger Film". In ihr finden sich oft Filme, die erst durch ihre Nominierung bekannt werden. Die Filme in diesem Jahr:

Ein Porträt für den Oscar: Was hier abgebildet ist, wollen die Nominierten gerne alle in der Hand halten. (Foto: AP)

[] Bullhead (Belgien)

Filme wie Bullhead werden nur selten für den Oscar nominiert. Der mutige Thriller ist kein Kriegsfilm, kein Familiendrama und hinter ihm steht auch kein bekannter Filmemacher. Stattdessen vermeidet Michael Roskam bei seinem Spielfilmdebüt altbekannte Sujets und platziert seine Geschichte in das seltsame - aber real existierende - Milieu der belgischen Hormonmafia, die mit Substanzen handelt, die Schlachtvieh fetter machen sollen. Die Geschichte um einen Gangster, der die Verletzungen seiner Kindheit durch asoziales Gebaren verbirgt, schlug überraschend den belgischen Cannes-Grand-Prix-Gewinner Der Junge mit dem Fahrrad aus dem Rennen um die Oscar-Nominierung und gehört in dieser Kategorie plötzlich zu den Favoriten.

[] Footnote (Israel)

Mit Footnote bekommt Joseph Cedar bereits zum zweiten Mal die Chance, den Oscar für den "Besten fremdsprachigen Film" zu gewinnen: Bereits 2008 war der israelische Regisseur für den im Libanon spielenden Kriegsfilm Beaufort nominiert, der damals allerdings gegen den österreichischen Konkurrenten Die Fälscher den Kürzeren zog. In seinem neuen Film wendet sich Cedar erneut einem typisch israelischen Thema zu - es geht um die Rivalität zwischen einem Vater und seinem Sohn, die beide an der Universität den Talmud lehren.

[] In Darkness (Polen)

Dieser Holocaust-Film kommt aus dem Land, das am stärksten von dem Völkermord durch die Nazis betroffen war. Und das merkt der Zuschauer auch. Denn in der Körperlichkeit seiner wichtigsten Figuren beglaubigt sich der Film als ein Produkt des alten tragischen Ostmitteleuropas. Erzählt wird die Geschichte einer Gruppe von Juden, die der Räumung des jüdischen Ghettos im damals noch polnischen Lwow, zu deutsch Lemberg, durch die Flucht in ein Versteck in der Kanalisation der Stadt entgeht. In der Klaustrophobie dieser Unterwelt spielen sich In Darkness ( Filmkritik) viele Szenen einer starken und verzwickten Emotionalität ab, doch leider verzettelt sich der Film in verwirrenden Nebenhandlungen.

[] Monsieur Lazhar (Kanada)

Der weithin unbekannte frankokanadischen Regisseur Philippe Faradeau vertritt sein Land in diesem Jahr mit Monsieur Lazhar bei der Oscar-Verleihung. Der ruhige Film greift auf einfühlsame Art und mit lakonischem Humor ein schwieriges Thema auf: die Integration von Migranten im Vielvölkerstaat Kanada. Personifiziert wird der Stoff duch "Monsieur Lazhar", einen algerischen Asylbewerber, der in Montreal die Chance bekommt, in einer Schule übergangsweise als Lehrer beschäftigt zu werden. Der höfliche und stille Mann will aber so gar nicht in den modernen Schulbetrieb passen, hält absolut nichts von gruppendynamischer Sitzordnung und lässt Diktate zu Balzac-Texten schreiben - beide Seiten müssen sich aneinander gewöhnen und in gegenseitiger Toleranz üben. Monsieur Lazhar fiel schon bei einigen Filmfestivals auf, dürfte bei der Oscarverleihung aber nur Außenseiterchancen haben.

[] Nader und Simin - eine Trennung (Iran)

Der Siegerfilm der Berlinale 2011 gilt in diesem Jahr als Favorit für den Fremdsprachen-Oscar. In Nader und Simin - eine Trennung ( Filmkritik) erzählt Regisseur Asghar Farhadi ein Familiendrama, das unter den vielen Kleinproblemen in dem autoritären Staat Iran fast nebenbei abläuft. Ein Ausnahmefilm, der durch die Dichte seines Erzählgewebes besticht und präzise erklärt, wie das lebensfeindliche Ayatollah-System seine Bürger beschwert.

[] Pina (Deutschland)

Auch Deutschland konkurriert in diesem Jahr um den Oscar, allerdings nicht in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film", sondern "Bester Dokumentarfilm". In dieser Kategorie war Wim Wenders schon einmal für den Academy Award nominiert - im Jahr 2000 mit Buena Vista Social Club. Nun geht der Cannes-Gewinner von 1984 mit Pina ( Filmkritik) ins Rennen. In der Tanzhommage an die Wuppertaler Choreographin Pina Bausch nutzt Wenders die 3-D-Technik, um die Zuschauer näher an die Darsteller zu rücken als es je im Theater möglich wäre. Pina gewannn bereits den Deutschen Filmpreis 2011, doch Wenders sieht sich selbst als "bunten Vogel in dem Feld" der sozialkritischen Filme seiner Mitstreiter. Ein gutes Omen gibt es allerdings: In den USA sei Pina in 80 Städten "wahnsinnig gut" angelaufen, so der deutsche Autorenfilmer.

Die deutschen Hoffnungen ruhen zudem auf den Hamburgern Max Zähle und Stefan Gieren, die für Raju in der Kategorie "Live-Action-Kurzfilm" nominiert sind. Der Film über eine Adoption in Indien hat bereits den bronzenen Studenten-Oscar gewonnen. Im Feld der Oscar-Nominierten ist auch die Berlinerin Lisy Christl. Sie verantwortete das Kostümdesign von Roland Emmerichs Shakespeare-Film Anonymous ( Filmkritik).

Nichts geht für einen Schauspieler über den Oscar, deswegen liegt auf den Auszeichnungen für die besten Haupt- und NebendarstellerInnen das besondere Augenmerk der Öffentlichkeit. In diesem Jahr sind etliche altbekannte Filmgrößen im Rennen, es gibt aber auch Überraschungen.

Glenn Close blickt auf eine lange Filmkarriere als Femme fatale zurück, doch nun brachte ihr ausgerechnet die Verkörperung einer Frau in Männerkleidern (in Albert Nobbs) die insgesamt sechste Oscarnominierung ein. Im Gegensatz zu Close, der diese Auszeichnung noch nie zugesprochen wurde, ist Meryl Streep schon zwei Mal mit dem Oscar ausgezeichnet worden. Nun hat sie als Margaret Thatcher in The Iron Lady ( Filmkritik) zum 17. Mal die Chance, den Academy Award zu gewinnen. Schon jetzt sind sich die Kritiker einig, dass sie in der Rolle brilliert. Ebenfalls für die Darstellung einer historische Persönlichkeit könnte Michelle Williams den Academy Award erstmals einheimsen - sie mimt Marilyn Monroe in My Week with Marilyn ( Video). Es ist ihre dritte Oscarnominierung. Im Rennen sind außerdem Rooney Mara als Lisbeth Salander in der Stieg-Larsson-Adaption Verblendung ( Filmkritik) und Viola Davis als schwarzes Dienstmädchen in The Help. Das Südstaatendrama bietet auch Jessica Chastain und Octavia Spencer die Chance für die Auszeichnung als "Beste Nebendarstellerin". In dieser Kategorie hat vor allem Melissa McCarthy für ihre Rolle in dem Kassenknüller Brautalarm ( Filmkritik) gute Chancen.

Bei den Männern können sich George Clooney, Jean Dujardin und Brad Pitt gute Chancen ausrechnen - sie spielen jeweils die Hauptrolle in den Filmen The Descendants, The Artist und Moneyball, die ohnehin favorisiert sind. Im Vergleich dazu war die erste Oscarnominierung des Mexikaners Demián Bichir eine Überraschung, würde er für seine Rolle eines Latino-Gärtners aus Los Angeles in A Better Life den Hauptdarsteller-Oscar bekommen, wäre dies eine Sensation. Gute Chancen hat hingegen Gary Oldman, der für die Darstellung der John-le-Carré-Figur George Smiley in Dame, König, As, Spion ( Filmkritik) schon viel Lob der Filmkritik bekam. Bei den männlichen Nebendarstellern hat wohl Christopher Plummer die besten Chancen, der sich in Beginners ( Filmkritik) im hohen Seniorenalter erstmals zu seiner Homosexualität bekennt. Der Kanadier tritt in dieser Kategorie allerdings gegen namhafte Konkurrenten an: Sowohl Kenneth Branagh (für seine Rolle in: My Week with Marilyn) als auch Max von Sydow ( Extrem laut und unglaublich nah) haben wieder die Chance, den Oscar zu gewinnen - beide Schauspieler waren bereits mehrfach für den Academy Award nominiert, haben ihn aber noch nie gewonnen.

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