Oscars 2017:Hollywood in der Zwickmühle

Oscars 2017: Emma Stone und Ryan Gosling in einer Szene von "La La Land" - gleich werden sie in die Luft entschweben. Aber gewinnen sie dafür auch einen Oscar?

Emma Stone und Ryan Gosling in einer Szene von "La La Land" - gleich werden sie in die Luft entschweben. Aber gewinnen sie dafür auch einen Oscar?

(Foto: AP)

Alles außer politisch: Ausgerechnet der große Publikumsliebling "La La Land" könnte in der Oscar-Nacht zum Problem werden.

Von Tobias Kniebe

Wohl in jedem anderen Jahr hätte diese Oscar-Story ausgereicht, alle Herzen höher schlagen zu lassen. Ein junger Regisseur träumt den absoluten, eigentlich unmöglichen Traum: eine aufwendige Wiederbelebung des Musicals. Breitwandig, bilderselig und farbensatt, mit singenden, tanzenden, steppenden Stars und einer tiefen Verneigung vor der Vergangenheit. Arbeitstitel: "La La Land".

Er findet tapfere Produzenten, aber lange kein Geld. Er muss sich tausend Zweifel anhören. Er verabschiedet sich von seiner ursprünglichen Besetzung, darunter einem wirklichen Freund, mit dem er zusammen angefangen hat: Verrat! Er findet zwei Stars, sie legen leidenschaftliche Performances hin, die Kritiker jubeln, das Publikum ist beglückt. Und bei den Oscars gibt es dann Nominierungen für fast alle, vierzehn insgesamt, so viele wie zuvor nur bei "Titanic" und "All About Eve".

Wo, bitte schön, soll an dieser dramatischen Erfolgsgeschichte der Haken sein? Auf den ersten Blick gibt es keinen. Außer eben vielleicht, dass die 89. Oscarverleihung, die Sonntagnacht im Dolby Theatre in Hollywood stattfinden wird, die erste der Ära Trump ist - und damit fast zwangsläufig eine hochpolitische Veranstaltung. Die Stimmung unter den überwiegend liberalen Filmschaffenden ist erregt, der nominierte iranische Regisseur Asghar Farhadi ("The Salesman") fehlt aus Protest gegen Trumps Reisebann, was wiederum die Chancen des deutschen Beitrags "Toni Erdmann" schmälern könnte. Der tritt gegen "The Salesman" in der Auslandskategorie an und könnte das Nachsehen haben, wenn es einen besonderen Solidaritätseffekt für Farhadi gibt.

"Toni Erdmann" hat in Jack Nicholson einen prominenten Unterstützer

Anderseits: In Jack Nicholson, der diesen "Toni Erdmann" unbedingt in einem Remake spielen will, hat er auch einen sehr prominenten Unterstützer. Aber wie auch immer, es werden geballte Fäuste Richtung Washington und kritische Dankesreden erwartet, und Farhadis Hollywood-Agentur, die Stars wie Angelina Jolie und Harrison Ford vertritt, plant statt einer Party eine Straßendemonstration.

Dazu passt "La La Land", dieser ziemlich unpolitische Nostalgietrip von Damien Chazelle, mit Emma Stone und Ryan Gosling in den Hauptrollen, nun allerdings nicht - er steht der fortschrittsseligen Botschaft, die in diesem Jahr von den Oscars ausgehen soll, sogar irgendwie im Weg. Gleich drei Werke des schwarzen Kinos machen ihm im Rennen um den Besten Film Konkurrenz: Denzel Washingtons "Fences", Theodore Melfis "Hidden Figures" und Barry Jenkins' "Moonlight". Ein vierter Film, Garth Davis' "Lion", hat eine indische Hauptfigur. Zusammen boten sie jede Menge saftige Rollen für nicht-weiße Schauspieler - der Ertrag sind sieben Nominierungen. So viele Nicht-Weiße gab es in den Schauspielkategorien noch nie, was in Hollywood Erleichterung ausgelöst hat. Vorangegangen waren zwei Oscarjahre, in denen in diesen Sparten überhaupt nur Weiße nominiert waren, was den anklagenden Hashtag #oscarssowhite nach sich zog (siehe Infografik).

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SZ-Grafik; Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences

Zieht Denzel Washington an Ryan Gosling vorbei?

"La La Land", der große Favorit, passt da nicht recht ins Bild. Sein schwarzer Nebendarsteller, John Legend, ist nicht nominiert, und dann spielt Legend im Film auch noch einen Musiker, der die Traditionen des Jazz und damit seine Wurzeln verrät. Am Ende ist es sein weißer Musikerfreund, verkörpert von Ryan Gosling, der ihn an die Kraft der reinen künstlerischen Lehre erinnern muss. Diese Art von unreflektierter weißer Arroganz schon im Drehbuch hat gerade in den letzten Wochen kritischen Gegenwind erzeugt. Zwar geht kaum ein Oscar-Experte davon aus, dass "La La Land" in den Hauptkategorien Bester Film und Beste Regie noch zu schlagen sein wird, und auch in sehr vielen anderen Departments wird er am Ende ganz vorne liegen - aber zum Beispiel bei den Hauptrollen ist die Lage längst nicht mehr so klar, wie sie im Januar noch zu sein schien.

Wut, Frustration, Härte: Denzel Washington liefert eine Oscar-würdige Performance

Beim Besten Hauptdarsteller deuten einige Zeichen darauf hin, dass Denzel Washington in der Gunst der Oscar-Wähler an Ryan Gosling vorbeigezogen ist. Beim wichtigen Preis der Schauspielergewerkschaft (SAG) haben die Kollegen bereits Washington vorgezogen. Das gilt als Vorzeichen für die Oscars, wo die Schauspieler ebenfalls die Mehrheit der Abstimmenden stellen. Und warum nicht: In "Fences", wo er Regisseur und Hauptdarsteller zugleich ist, bleibt Washington den Worten des schwarzen Dramatikers August Wilson leidenschaftlich treu - und schafft gerade damit eine überzeugend lebendige Figur. Er spielt einen Schwätzer und Charmeur und Geschichtenerzähler, unter dessen jovialer Oberfläche aber Wut, Frustration und autoritäre Härte lauern, definitiv eine Oscar-würdige Performance.

Ryan Gosling würde man den Preis natürlich auch gönnen - man gönnt ihm aber genauso noch ein paar wilde Jahre, in denen er noch nicht in den Kreis der staatstragenden Großmimen aufgenommen ist.

Dasselbe würde man im Grunde auch seiner "La La Land"-Partnerin Emma Stone wünschen, die mit 28 Jahren so aussieht, als wäre sie gerade den Jugendrollen entwachsen. Sie scheint in diesem Jahr aber wirklich dran zu sein, wenn nicht noch aus der Tiefe des Raumes eine Französin vorprescht, um alle englischsprachigen Konkurrentinnen zu überholen. Das gab es auch schon mal, und in diesem Jahr könnte es Isabelle Huppert sein, nominiert für ihren tollen Auftritt im französischen Psychothriller "Elle".

Bei den Nebendarstellern schließlich dürfte kein Weg an Viola Davis vorbeiführen, die gleichwertig neben Denzel Washington in "Fences" spielt. Und an Mahershala Ali, der in "Moonlight" eine Art Traumfigur verkörpert, einen warmherzigen Drogendealer. Wenigstens in diesen Kategorien darf, ehrlich gesagt, diesmal kein Weißer gewinnen, sonst ginge die ganze Diversitätsdebatte von vorne los. Und das nicht zu Unrecht - die Wahrheit liegt schließlich nicht in den Nominierungen, sondern in den Preisen.

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