Emma Stone
Wie schafft man es in wenigen Szenen, aus dem fantastischen Ensemble von "Birdman" noch mal besonders herauszuragen? Emma Stone ist Sam, die Tochter, die Michael Keaton als Assistentin anheuert, damit sie beschäftigt ist und nicht wieder Drogen nimmt. Tief verunsichert, furchtbar abgeklärt, herrlich mutwillig - Sam ist alles zugleich und dann auch noch Daddys Stimme der Wahrheit. Emma Stone lässt uns in die Seele einer jungen Frau schauen, die man lieben muss - auch wenn alle auf Patricia Arquette als beste Nebendarstellerin setzen.
Boyhood
Zwischen all den schlechten, mittelmäßigen und ganz anständigen Filmen ist es ab und an plötzlich einfach da: das pure Kinoglück. "Boyhood" ist ein zärtliches, melancholisches Meisterstück über die Dinge des Lebens: das kühle Gras im Gesicht nach einem heißen Sommertag; die verliebenswerte blonde Locke, die ein Mädchen sich hinters Ohr streicht. Mit welcher Lust und welchem Leid man diesen Zauber das erste Mal erlebt, wird hier erzählt wie lange nicht mehr. Der Oscar für den besten Film ist Pflicht - außer "Birdman" überholt noch haarscharf.
Richard Linklater
Oscars gibt es ja nicht nur dafür, dass man einen guten Film gemacht hat - die Academy-Mitglieder gehen oft auch danach, ob jemand schon ein echtes Werk vorweisen kann. Der große Innovator Richard Linklater kann das auf jeden Fall - von "Dazed and Confused" über "Before Sunrise" bis zu "A Scanner Darkly". Er hätte den Regie-Oscar aber auch für "Boyhood" allein verdient: Einen Erzählbogen über zwölf Jahre spannen und dann auch zwölf Jahre lang dafür drehen - das ist die Vision des Jahres. Mit diesem Sieg rechnet wirklich jeder.
Bradley Cooper
Your call, deine Entscheidung, murmelt es im Kopfhörer, der "American Sniper" muss selbst entscheiden, ob der Feind in seinem Visier gefährlich ist. Die Entscheidung über den besten Schauspieler wird wohl für einen der Monsterakteure Michael Keaton ("Birdman") und Eddie Redmayne (als Stephen Hawking) fallen. Bradley Cooper aber - sein dritter Oscar-Versuch in Reihe, nach zweimal David O. Russell - wird überdauern als quiet American des Irakkriegs, der von oben das Terrain beobachtet und sichert mit seinen Schüssen. American Zen pur!
Wim Wenders
Mit der Kunst der Überwältigung macht man sich schnell unbeliebt, weil sie ein Relikt sakraler Zeiten ist. Wim Wenders ließ sich davon nie stören, genauso wenig wie der Fotograf Sebastião Salgado. Mit furiosem Pathos haben sie erschöpfte Genres wiederbelebt - Wenders den Dokumentarfilm, Salgado die Bildreportage. Grund genug, Wenders den Doku-Oscar für seinen Salgado-Film "Salz der Erde" zu geben. Allerdings muss das Unbehagen Amerikas an NSA-Whistleblower Snowdenstark genug sein, sonst geht er an Laura Poitras' "Citizenfour".
Rosamund Pike
Sind Männer dumm und Frauen böse - oder ist es umgekehrt? Im Thriller "Gone Girl", einem brutalen Abgesang auf die Liebe, spielt Rosamund Pike ein geheimnisvolles Mädchen zwischen Mausi und Monster. So blitzschnell zwischen Eros und Thanatos wechseln - mit nur einem Augenaufschlag! - kann im Kino derzeit keine wie sie. Weil den Oscar für die beste Hauptdarstellerin aber traditionell nicht die wilden Mädchen gewinnen, sondern die pathetischen Tragikerinnen, wird der Preis wohl an Julianne Moore im Alzheimer-Drama "Still Alice" gehen. David Steinitz