Oscars 2008:Ehre gut, Geld noch besser

Wenn man es nur geschickt vermarktet, zieht schon die Nominierung für einen Oscar viele Zuschauer in einen Kinofilm. Der Streifen kann so zum wirklich einträglichen Erfolg werden - die verliehene Statue ist dann häufig nur noch Kür.

Hannah Wilhelm

Für die Regisseure und Produzenten ist es ein Trost, der nicht zu verachten ist. Selbst die vier Filme, die dieses Jahr für einen Oscar als bester Film nominiert waren, aber in der Nacht zum Montag keinen Preis gewannen, haben gewonnen - und wie. Alle fünf Film-Kandidaten einschließlich des Siegers spielten an den Kinokassen viel zusätzliches Geld ein, seit sie am 22. Januar als "bester Film" nominiert wurden: Zusammen fast 100 Millionen Dollar. Und das, obwohl zwei der Leinwandepen bereits eine ganze Zeit zuvor im Kino zu sehen waren. Allein die Nominierung für einen Oscar brachte ihnen Aufmerksamkeit und damit viele neue Zuschauer - die Währung, die in Hollywood zählt.

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(Foto: Foto: Reuters)

Natürlich geht es bei der Oscar-Verleihung auch um Ehre und das ganz große Gefühl. Für Martin Scorsese ging es darum, als er im vergangenen Jahr nach sieben Nominierungen endlich die goldene Statue für die beste Regie entgegennahm. Für Roberto Benigni ging es darum, als er 1999 vor Freude auf den Sessellehnen tanzte. Großes Kino. Aber das Gefühl bleibt dem Abend im Kodak Theatre vorbehalten. Davor und danach geht es - wie immer - vor allem ums Geld.

Um 28,8 Millionen Dollar steigert der Oscar für den besten Film den Marktwert des ausgezeichneten Werks angeblich, errechnete das wichtigste Kinomagazin Variety 2001. Die Zahl wird oft zitiert, doch sie stimmt schon lange nicht mehr. Sie galt in den neunziger Jahren, als die Filme monatelang in den Kinos liefen. Inzwischen ist die Leinwand-Haltbarkeit eines Films geschrumpft. Das Hauptgeschäft wird in ein paar Wochen gemacht, dann verschwindet der Film.

Deshalb ist heute das richtige Timing entscheidend dafür, ob ein Oscar-Gewinn einen Effekt auf die Kinokasse hat. Denkbar ungünstig war es etwa bei "L.A. Crash": Das düstere Großstadt-Drama startete in den USA im April 2005. Im Februar 2006 erhielt der Episodenfilm überraschend den Oscar für den besten Film. Doch da lief "L.A. Crash" schon lange nicht mehr in den Kinos. Der Versuch, den Film mittels Oscar-Rummel wiederzubeleben, brachte nur noch eine mickrige Million Dollar. Was blieb, war die Ehre, sich gegen den großen Favoriten "Brokeback Mountain" durchgesetzt zu haben, das Epos einer unmöglichen schwulen Liebe.

Ganz anders 2000, als überraschend "American Beauty" gewann, der ironische Abgesang eines frustrierten Werbers (Kevin Spacey) auf seine bürgerliche Existenz samt karrieristischer Frau und zickender Tochter. Der Film lief zuvor in den USA gerade mal in sieben Kinos. Nach der Nominierung und dem Gewinn des Oscars spielte er dann mehr als 55 Millionen Dollar ein.

Ähnlich perfekt war das Timing bei Clint Eastwoods "Million Dollar Baby" über den Aufstieg einer Boxerin. Der Film lief Anfang 2005 eher bedächtig an, wurde in den USA nur in knapp 150 Kinos gezeigt und brachte zunächst nur magere 8,3 Millionen Dollar ein. Mitten in diesen verhaltenen Start platzte die Oscar-Nominierung für den besten Film. Sofort kam die Marketingmaschinerie ins Laufen, zahlreiche Filmtheater nahmen "Million Dollar Baby" ins Programm, plötzlich wollten alle Amerikaner die aparte Hilary Swank boxen und sterben sehen. Allein in den fünf Wochen zwischen Oscar-Nominierung und Gewinn brachte der Streifen über 56 Millionen Dollar ein. Hinzu kam: In vielen Ländern lief der Film unmittelbar nach der Preisverleihung an, so in Deutschland. Der Film war durch die vier gewonnenen Statuen in aller Munde und wurde so auch im Ausland ein voller Erfolg. Clint Eastwood hatte alles richtig gemacht.

Was dieses Beispiel zeigt: Noch wichtiger als der Gewinn der goldenen Statue ist für den wirtschaftlichen Erfolg eines Films unter Umständen die Nominierung. Sie gibt - ist der Film Ende Januar noch in den Kinos - einen Impuls. Wenn es dann endlich heißt: "And the Oscar goes to...", ist ein Großteil des Kinogeschäfts schon gemacht, egal welcher Titel sich in dem versiegelten Kuvert befindet. Was für ein Trost für die vier Verlierer von Sonntag Nacht.

Immerhin kann die Auszeichnung dem Film auf jeden Fall bei den DVD-Verkäufen helfen. So war es im vergangenen Jahr bei "The Departed - Unter Feinden", dem Film, für den Regisseur Martin Scorsese endlich seinen ersten Oscar bekam. Da "The Departed" schon im Oktober 2006 gestartet war, war bei der Bekanntgabe der Nominierung das Kinogeschäft bereits gelaufen. Über 120 Millionen Dollar hatte der amerikanische Mafia-Film mit Leonardo DiCaprio, Matt Damon und Jack Nicholson in den Hauptrollen eingespielt.

Dafür boomte nach der Oscar-Verleihung der Absatz der DVDs. Der Film belegte - auch in Deutschland - wochenlang Platz 1 der meistverkauften DVDs. Immerhin.

In anderen Jahrzehnten funktionierte das Geschäft mit dem Oscar noch zuverlässiger: Vor der Verleihung im Jahr 1974 sahen etwa gleich viele Zuschauer den Horrorfilm "Der Exorzist" und den Gangsterfilm "Der Clou". Letzterer gewann sieben der goldenen Statuen, unter anderem den für die beste Regie und den für den besten Film - und plötzlich zog der Film mit Robert Redford und Paul Newman in den Hauptrollen an dem Konkurrenten vorbei. Er spielte insgesamt 160 Millionen Dollar an den Kinokassen ein und war damit der finanziell erfolgreichste Film des Jahres.

Das ist Geschichte. So viel bewirken kann der Oscar heute wohl nur noch für nicht-amerikanische Filme, die den Oscar für die beste fremdsprachige Produktion gewinnen. Ihnen kann die Auszeichnung den Zugang zum internationalen Markt öffnen, zunächst für das Kino, aber später auch für die DVD- und Fernsehvermarktung. So zum Beispiel der deutsche Sieger des vergangenen Jahres "Das Leben der Anderen". Denn: "In vielen Ländern lief der Film kurz vor der Verleihung an, die Kinobesitzer hofften wohl auf einen Oscar", so Dirk Schürhoff, Geschäftsführer der Münchner Firma Beta Cinema, die den Film im Ausland vertreibt.

Und tatsächlich, nach dem Gewinn der Statue blieben die Zuschauerzahlen über Wochen stabil. "In Israel läuft der Film heute noch." An ausländischen Kinokassen spielte das Stasi-Drama insgesamt 50 Millionen Dollar - gekostet hatte die Produktion gerade mal 1,8 Millionen Euro. So weit das Geld. Und dazu kommt ja noch: Die Ehre.

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