Oscar-Moderator Seth MacFarlane:Achtung, dieser Mann ist gefährlich

Lesezeit: 4 min

Seth MacFarlane moderiert die Oscars 2013. (Foto: AFP)

In seiner Zeichentrickserie "Family Guy" macht er Witze über Nazis, Übergewichtige und Blähungen. Nun darf Seth MacFarlane die Oscarverleihung moderieren. Warum der 39-Jährige eine gute Wahl ist.

Von Matthias Kohlmaier

Ein besonders dicker Mann jagt seine Tochter rückwärts um den Küchentisch. Laut lachend furzt er ihr dabei immer wieder ins Gesicht und zwar so lange, bis sich das Mädchen auf dem Fußboden windet und heftig übergibt. Glücklicherweise sind die beiden Menschen nicht echt, sondern Cartoon-Charaktere aus der Serie "Family Guy". Der kreative Kopf hinter solchen wenig appetitlichen aber nicht selten trotzdem urkomischen Szenen: Seth MacFarlane - der Mann, der in der Nacht zum Montag die Oscarverleihung moderieren wird.

"Bleib ganz locker und warte auf den Moment, in dem etwas Spannendes passiert", gab Billy Crystal, MacFarlanes Vorgänger als Oscar-Gastgeber, ihm laut Focus mit auf den Weg. Aber mal ehrlich: MacFarlane hat drei erfolgreiche Zeichentrickserien erschaffen, in denen er einigen Charakteren seine Stimme leiht, hat im vergangenen Jahr mit "Ted" seinen ersten Kinofilm gedreht und 2011 quasi nebenbei noch eine Platte mit Swing-Songs im Stil der 40er und 50er Jahre herausgebracht.

Der Mann ist also bestens im Geschäft, an Selbstvertrauen und der entsprechenden Lockerheit wird es MacFarlane im Dolby Theatre sicher nicht mangeln. Aber daraus könnte trotzdem noch ein Problem erwachsen. Denn wenn MacFarlane locker ist, geht das oft mit Witzen über Hitler, Übergewichtige, Analsex, Aids oder Osama bin Laden einher.

Bumm! Hitler!

Bei der Präsentation der Nominierten für die Oscars sprach MacFarlane über "Amour", den Beitrag des österreichischen Regisseurs Michael Haneke. Das klang bei dem 39-Jährigen so: "'Amour' ist eine deutsch-österreichische Koproduktion. Die letzte war Hitler, aber die hier ist viel besser." Er lässt seiner allzu lockeren Zunge einfach freien Lauf. Bumm! Hitler! Und das in einem Land, in dem seit Janet Jacksons "Nipplegate" der Super Bowl mit ein paar Sekunden Zeitverzögerung übertragen wird, um eventuelle Fauxpas aus der Übertragung tilgen zu können.

Das bedeutet einerseits: Hitler-Witze sind in den USA okay, öffentlich entblößte Brüste nicht so. Und es sollte andererseits zur Folge haben, dass die Oscar-Verantwortliche Vorkehrungen treffen, um ihren Gastgeber bei der Live-Übertragung notfalls abwürgen zu können. Doch weit gefehlt. "Wir arbeiten eng mit ihm zusammen und rechnen deshalb nicht mit Überraschungen", sagte Craig Zadan, einer der Produzenten. Obwohl MacFarlane seine Aufraggeber via Twitter bereits vorgewarnt hat, aus welcher Ecke die Witze bei den Oscars kommen könnten:

Der ein oder andere derbe Spruch MacFarlanes ist von Seiten der Verantwortlichen aber vermutlich einkalkuliert oder sogar gewünscht - in der Hoffnung, ein jüngeres Publikum anzulocken als mit dem 64-jährigen "Harry und Sally"-Darsteller Crystal. Denn für eine ganze Generation junger Amerikaner - vorzugsweise prä- bis postpubertärer Männer - ist Seth MacFarlane ein Held. Aber wie konnte aus dem in Kent, Connecticut geborenen Jungen einer der wichtigsten und bestbezahlten Autoren/Produzenten des Landes werden?

In seiner Jugend war MacFarlane das, was man gemeinhin einen Nerd nennt. Er zeichnete Comics, war großer Star-Trek-Fan (was sich bis heute nicht geändert hat). Künstlerisch begabt, wurde erschließlich an der Rhode Island School of Design angenommen. Und eben dort sollte er die Idee haben, die ihn später reich und berühmt machte: Die Geschichte über einen vollkommenen Trottel und seinen sprechenden Hund.

Nominierte Filme für den Oscar
:Demokratie, Freiheit, Glaube

Die Stimmen für sind abgegeben: Jetzt heißt es Warten bis zur Oscar-Nacht am Sonntag. Unter den Nominierten sind auffallend viele Filme, bei denen es um essenzielle Themen der menschlichen Gemeinschaft geht. Für die Kategorie "Bester Film" werden "Lincoln" und "Schiffbruch mit Tiger" die besten Chancen eingeräumt. Wer hat ihn verdient?

Stimmen Sie ab!

Als MacFarlane nach seinem Studium bei Hanna-Barbera Cartoons arbeitete, wurde 1997 Fox auf ihn aufmerksam. 40.000 Dollar soll der TV-Sender MacFarlane für eine Pilotfolge "Family Guy" geboten haben. Der damals 24-Jährige lieferte - und unterschrieb wenig später einen Vertrag für eine ganze Staffel. Mehr als 200 Episoden der Zeichentrickserie gibt es mittlerweile.

Hauptprotagonist Peter Griffin hat darin eine Vogelscheuche als Adolf Hitler verkleidet, um seinen jüdischen Nachbarn zu vertreiben ("Ich habe eine Judenscheuche gebaut"), Baby Stewie hat auf jede nur erdenkliche Art und Weise versucht, seine verhasste Mutter Lois zu töten, und der sprechende Familienhund Brian hat im Vollrausch mit Tochter Meg geknutscht. Die Süddeutsche Zeitung schrieb 2002 in einer Rezension: "Ein kaputtes, wahnsinniges Erzählen ist das."

Doch mit den Jahren scheint es MacFarlane langweilig geworden zu sein, zumindest lud er sich immer weitere Projekte auf. Seit 2005 läuft seine Zeichentrickserie "American Dad", 2009 kam "The Cleveland Show", ein Spin-Off von "Family Guy", dazu. Und weil ihm das noch nicht reichte, führte er im vergangenen Jahr Regie bei seinem ersten Kinofilm. "Ted" handelt im Wesentlichen von einem zum Leben erwachten Teddybären mit Blähungen, der sexistische Kommentare von sich gibt.

"Ready, Seth, Go": Hollywood ist bereit für die Oscarverleihung. (Foto: AFP)

Wer jedoch Seth MacFarlane als postpubertären Pupswitze-Erzähler abtut, irrt gewaltig. Denn der 39-Jährige kann nicht nur schreiben, schauspielern, Regie führen und Zeichentrickcharakteren seine Stimme leihen. Er kann auch singen - und wird dies vermutlich auch bei den Oscars unter Beweis stellen. Sein Album mit Swing-Songs à la Frank Sinatra mit dem Titel "Music Is Better Than Words" war 2012 sogar für einen Grammy nominiert.

MacFarlanes Musikalität hat, was die Oscarverleihung betrifft, zu einer skurrilen Situation geführt. Denn er präsentiert die Veranstaltung nicht nur, er ist auch selbst nominiert. Dank erfolgreichem Multitasking könnte er als bester Textschreiber für den Song "Everybody Needs A Best Friend" ausgezeichnet werden. Zufrieden scheint MacFarlane mit der Arbeit auch ohne Auszeichnung zu sein. So schrieb er via Twitter an Norah Jones, die den Film-Song für "Ted" gesungen hat: "Selbst wenn wir den Preis nicht gewinnen, du bist die Beste!"

Am Sonntag führt also ein Mann durch den Abend im Dolby Theatre, der vieles kann und dem vieles gelingt. Auch der Job als Gastgeber der Oscars ist ihm daher sicherlich zuzutrauen. Oder um es mit den Worten eines Kommentars unter einem youtube-Video eines von MacFarlane gesungenen Songs zu sagen: "Seth: genius motherfucker!" Ein Kompliment, ganz nach dem Gusto des Adressaten.

© Süddeutsche.de/mkoh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Nominierte Darsteller für den Oscar
:Jung gegen alt

In der Kategorie weibliche Hauptrolle tritt eine Neunjährige gegen eine 86-Jährige an. In anderen Kategorien hoffen unter anderem Anne Hathaway, Philip Seymour Hofmann, Christoph Waltz und Helen Hunt auf den Oscar. Wer hat die Trophäe verdient?

Stimmen Sie ab!

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: