Oscar-Favorit:"The Shape of Water" beschwört die Kraft der Träume

Oscar-Nominierungen 2018: 'The Shape of Water'

Sally Hawkins wirkt als Elisa in "The Shape of Water" so apart und natürlich wie Eliza aus "My Fair Lady".

(Foto: dpa)

Guillermo del Toros Fantasiefilm ist völlig zu Recht für 13 Oscars nominiert. Weil er etwas schafft, was das Kino in den vergangenen Jahren vergessen hat.

Von Fritz Göttler

Benny Goodman ist immer gut in diesem Film, um in Stimmung zu kommen. Diese Stimmung ist schwermütig und romantisch, einzelgängerisch. Die Menschen - die Lebewesen dieses Planeten überhaupt - sind meistens allein, selbst wenn sie sich mal ein paar Tanzschritte gönnen, tun sie das ganz für sich. Immer zum Swinging Jazz der Nachkriegszeit.

Daneben ist der Film aber auch knallhart, manchmal sehr zynisch. Es ist Anfang der Sechziger in Baltimore. Die Zeit des Kalten Kriegs. Es beginnt dort, wo dieser Krieg mit der größten Verbissenheit geführt wird, in den geheimen Regierungslabors.

Guillermo del Toros "The Shape of Water" - in den deutschen Kinos unter dem abgeschwächten Titel "Das Flüstern des Wassers" - löst ein, wozu das Kino geboren scheint, und was es in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren seelenlosen Blockbusterexzessen vergessen hat. Der Film erzählt ein Märchen für Erwachsene, er beschwört die Kraft der Träume.

Für diese Kraft hat der Film auf dem Filmfestival in Venedig den Goldenen Löwen erhalten; nun wird er als einer der stärksten Anwärter bei der Oscar-Verleihung im März gehandelt. 13 Mal wurde "The Shape of Water" nominiert, darunter als bester Film, für die beste Regie und das beste Drehbuch, Sally Hawkins kann auf einen Academy Award als beste Hauptdarstellerin hoffen.

Es ist eine magische love story über zwei ausgestoßene Kreaturen der amerikanischen Gesellschaft, die Putzkraft Elisa, die nicht sprechen kann, und die bei ihrer Arbeit in einem finsteren Labor auf ein Bassin mit einem amphibischen Kiemenmenschen aus dem südamerikanischen Dschungel trifft, der dort untersucht werden soll. Von ihm erwarten FBI und Wissenschaft in ihrer Borniertheit - die womöglich der Borniertheit heute in den USA wieder entspricht - Erkenntnisse im Kampf gegen den sowjetischen Feind. Die Paranoia ist perfekt. Man quält und schikaniert das Wesen, schließlich wird die Vivisektion angeordnet. Elisa flieht mit ihm, versteckt es in ihrer Wohnung. The beauty and the beast.

Regisseur del Toro ist der tollste Träumer des Kinos heute, in all seinen Filmen hat er das Ineinander von Realität und Traum behandelt, manchmal erfolgreich und gefeiert, wie in "Pan's Labyrinth", manchmal mit weniger Erfolg, wie in dem Science-Fiction-Epos "Pacific Rim" oder der Horrorvision von "Crimson's Peek". Er schreckt vor nichts zurück, träumt davon, Mary Shelleys Frankenstein neu zu verfilmen und eine Geschichte von H. P. Lovecraft oder den Grafen von Monte Cristo.

Sally Hawkins, die man meistens aus lebenslustigen, überdrehten Komödien kennt, ist die sanfte, sensible Elisa, die ganz natürliche Wege findet, um mit dem Kiemenmenschen zu kommunizieren und dabei so apart und natürlich wirkt wie die andere große Eliza der Sechziger, das Blumenmädchen aus "My Fair Lady", Audrey Hepburn.

Der Kiemenmensch ist liebevoll gestaltet von Guillermo del Toro und seinen Mitarbeitern, er hat Falten, Hautlappen und Narben - ganz ohne Computertricks. Del Toro hat die Entwicklung des "Monsters" aus eigener Tasche gezahlt.

Am Ende tauchen Elisa und ihr Lover in eine wunderbar magische Welt, das Licht ist gedämpft, Wasser umspielt sie zärtlich. Alles zu swingigen Jazzklängen. Eine Benny-Goodman-Stimmung.

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