Süddeutsche Zeitung

Oscar 2018:"Inclusion rider" - ein Appell an die erste Riege Hollywoods

Frances McDormand beendet ihre Oscar-Dankesrede lapidar mit zwei Worten. Und die halbe Welt fragt sich, was sie bedeuten.

Von Carolin Gasteiger

Das Rätseln begann, als Frances McDormand die Bühne der 90. Academy Awards verließ. Was hatte sie soeben gesagt? Inclusion writer? Die 60-Jährige hatte den Oscar als beste Hauptdarstellerin für ihre Rolle in "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" bekommen und ihre Dankesrede folgendermaßen beendet: "Ich lasse euch mit zwei Worten zurück: inclusion rider."

Diese zwei Worte waren zwar von McDormand lapidar hingeworfen, aber ihre Bedeutung ist enorm.

"Inclusion rider" meint eine Vertragsklausel, die verlangt, dass die Besetzung eines Films möglichst vielfältig ist. Schauspieler können sich also vertraglich zusichern lassen, dass in ihren Filmen Frauen und Minderheiten ausreichend repräsentiert werden.

Die Idee stammt von Stacy Smith, Gründerin und Vorsitzende der USC Annenberg Inclusion Initiative, eines Thinktanks, der Gleichberechtigung und Vielfalt in der Unterhaltungsindustrie untersucht. Smith hatte 2016 mit ihren Mitarbeitern ermittelt, dass die Besetzung in den meisten US-produzierten Filmen nicht der amerikanischen Bevölkerung entspricht. In einem Vortrag auf der Ted Conference im selben Jahr forderte die Wissenschaftlerin eine "Gleichheitsklausel" , eben den "inclusion rider", wörtlich etwa einen "Inklusionsparagrafen", in Filmverträgen einzuführen.

Wie Smith ausführte, befinden sich einem typischen Spielfilm etwa 40 bis 45 sprechende Rollen, nur acht bis zehn dieser Charaktere seien für die Geschichte relevant. Es gebe keinen Grund, warum die anderen 30 nicht der Bevölkerung des Landes entsprächen, in dem der Film spielt. "Eine Gleichheitsklausel eines A-listers (eines einflussreichen Hollywood-Schauspielers; Anm. d. Red.) in seinem Vertrag kann dazu führen, dass die anderen Rollen die Welt widerspiegeln, in der wir tatsächlich leben", so Smith.

Mit dem "inclusion rider" vergleichbar ist die "Rooney Rule" der National Football League, derzufolge die Mannschaften gezielt Angehörige von Minderheiten als potenzielle Spieler einladen sollen.

Frances McDormands Appell für mehr Gleichberechtigung und Vielfalt war zugleich die eindrücklichste Rede des Abends. Zuvor hatte die 60-Jährige alle weiblichen Nominierten aufgefordert, aufzustehen. "Sehen Sie sich um, Ladies und Gentlemen, weil wir alle Geschichten zu erzählen haben und Projekte, die finanziert werden müssen." Dann schloss sie mit dem "inclusion rider" - und prompt bekannten sich auch andere Stars auf Twitter zu der Vielfalts-Vertragsklausel.

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