Orte der Moderne in Berlin:Schokoladen und Garagen

Moderne Neues Bauen
(Foto: Mila Hacke)

Eine sehenswerte kleine Ausstellung des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf stellt zehn Berliner "Orte der Moderne" vor.

Von Jens Bisky

"Neuzeitliche Wohnkultur" versprach 1928 ein Werbeprospekt für das Appartementhaus Kaiserdamm 25. Hans Scharoun hatte es für "den alleinstehenden Menschen" entworfen. Neben Warmwasser, Zentralheizung und beheizten Treppenhäusern standen Fahrstühle, "luftige Dachliegeterrassen", eine Garage im Haus und ein Atelier für einen Künstler zur Verfügung. 1937 zog die Fotografin Gerda Schimpf in das Haus am Kaiserdamm. Sie hatte am Bauhaus studieren wollen, was die Machtübernahme der Nazis verhinderte. Die selbstbewusste Junggesellin wurde als Porträtfotografin prominenter Frauen bekannt und wohnte 77 Jahre lang, bis zu ihrem Tod 2014, in Scharouns Appartementhaus.

Gerda Schimpf hat einen prominenten Auftritt in der kleinen Ausstellung des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf, das zehn "Orte der Moderne" vorstellt und als Auftakt einer individuellen Stadterkundung konzipiert ist. Man nimmt eine Karte mit und macht sich auf den Weg in ein nicht ganz so bekanntes Berlin. Gewiss, jeder kennt Hans Poelzigs "Haus des Rundfunks" oder das Ufa-Premierenkino "Universum", heute Spielstätte der Schaubühne. Aber nur wenige waren schon einmal im Ladengeschäft der Schokoladenmanufaktur Erich Hamann in der Brandenburgischen Straße (Foto). Gestaltet hat es 1928 Johannes Itten, der in den ersten Jahren am Weimarer Bauhaus lehrte. Seine private Kunstschule bezog 1929 eine modernen Neubau in der Konstanzer Straße, das Gebäude ist heute ein Wohnhaus. Wie wichtig es ist, auf die architektonischen Kleinode in der Großstadt zu achten, beweist das Schicksal der Kant-Garagen. Den sechsgeschossigen Automobil-Aufbewahrungs-Palast mit einer Vorhangfassade, wie auch das Dessauer Bauhaus eine hat, und einer Wendelrampe wie in einem königlichen Palast, wollte der Eigentümer 2013 abreißen - und Berlin damit um eines der schönsten Beispiele des Amerikanismus aus der Weimarer Republik bringen. Nach Protesten, Gutachten, Diskussionen fand man schließlich eine Lösung, das Gebäude zu erhalten und anderweitig zu nutzen. Auch darüber informiert die Ausstellung in der schönen Neorenaissance-Villa Oppenheim. (Orte der Moderne, Villa Oppenheim, Berlin, bis 10. November, www.villa-oppenheim-berlin.de)

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