Süddeutsche Zeitung

Opfer der Globalisierung:Das dunkelhäutige Model ist verschwunden

Ausgerechnet in dem Moment, in dem schwarze Schönheit weltweit anerkannt ist, zählt sie auf den Laufstegen nicht mehr. Fotografen und Designer lassen sich zwar noch von dunkelhäutigen Models inspirieren. Doch das große Geschäft mit der Mode konzentriert sich jetzt auf Asien.

Von Catrin Lorch

Eigentlich sei es ja eine gute Nachricht, dass das italienische Label Prada nach langer Zeit wieder einmal ein schwarzes Mädchen für eine Kampagne gebucht hat: die 19-jährige Malaika Firth. Das letzte war Naomi Campbell, und das war - die Generationenfolgen sind naturgegebenermaßen kurz, wo die Karrieren jung sind - im Geburtsjahr von Malaika Firth.

Warum Designer und Fotografen dunkelhäutige Mädchen lieben, lässt sich vor dem Anzeigenmotiv gut nachvollziehen. Auch sechs Kreationen aus dem Hause Prada - vom Straußenleder-Shopper bis zum voluminösen Wintermantel - beschweren die Schönheit der schlanken Frau nicht, sie wirkt lässig, ihre dunklen Augen schauen locker über das Stillleben aus Glencheck und Nappa hinweg. Ein Triumph für die schwarze Frau? Der müsste anders aussehen, schrieb das Portal Style.com ungewöhnlich aufrichtig. "Offen gesagt, wir können uns nicht helfen, aber wir wundern uns darüber, dass die Haut des in Kenia geborenen, katzenäugigen Models, eigentlich ein warmer Schokoladenton, retuschiert wurde und jetzt fast weiß erscheint."

Die Laufstege hellen sich auf

Obwohl die meisten Designer ihnen am liebsten ihre gesamte Kollektion anziehen würden und viel Studios noch jedes Kleidungsstück an einem schwarzen In-House-Model entwickeln - wo es um Anzeigen geht, gilt schwarze Haut als Kassengift. Und wo die Globalisierung neuen Reichtum in Asien oder Russland hervorbringt und die Luxusindustrie zu diesen jungen Märkten aufbricht, bleibt schwarzer Schönheit der Laufsteg versperrt. Sie zählt nicht mehr viel, tragischerweise genau in dem Moment, in dem sie nicht nur in den USA, sondern in der gesamten westlichen Welt endlich anerkannt ist. Kann sein, dass Michelle Obama gerade stilbildend in Washington residiert, in Europa der Otto-Katalog so viele dunkelhäutige Mädchen abbildet wie nie zuvor und Dessous-Versender kaum ein Model buchen, das nicht mindestens als kaffeebraune Brasilianerin durchgeht - die Laufstege, über die internationale Labels ihre Kreationen spazieren lassen, hellen sich auf.

"Etwas läuft entsetzlich verkehrt", ließ sich jetzt das ehemalige Supermodel Iman in der New York Times zitieren. "Man sollte meinen, die Dinge hätten sich geändert, wo wir einen Präsidenten und eine First Lady haben, die schwarz sind. Aber es ist nicht so. Tatsächlich drehen sich die Dinge gerade um."

Chanel verpflichtet asiatische Namen

Die New York Times hat dieser Tage auf ihrer Titelseite den "Rassismus der Mode-Industrie" thematisiert, die Zahlen sind deutlich: In diesem Jahr waren nur sechs Prozent der Frauen, die für Frühjahrs-Schauen der Fashion Week verpflichtet wurden, Farbige - etwa 83 Prozent weiß. Wer die Modenschauen der Gegenwart durchklickt, braucht nicht groß zu zählen: In mancher Saison läuft kein schwarzes Mädchen für Saint Laurent oder Louis Vuitton. Nicht einmal Calvin Klein, ein amerikanisches Label, leistet sich zuverlässig den Auftritt einer Schwarzen. Bei Prada, immerhin, durfte Cora Emmanuel im Frühjahr auf den Laufsteg, ihr folgten aber im Finale Sung Hee und Chiharu Okunugi.

Wo die Mode im Westen als unbezahlbar gilt, weil ein bestickter Hosenanzug so viel kostet wie ein kleiner Sportwagen, im Bereich Couture also, verpflichtete Chanel dafür gleich sieben asiatische Namen: von Xiao Wen Ju, Chiharu Okunugi, Soo Joo Park, Yumi Lambert, Sui He, Tian Yi bis Ming Xi und Fei Fei Sun. Auch bei Armani Privé wurden vier Modelle von Asiatinnen vorgeführt - die vergleichsweise günstigere Ready-To-Wear-Kollektion Giorgio Armani zeigte dagegen Models, deren Typus man demnächst wohl genauso selbstverständlich mit dem Adjektiv "kaukasisch" wird abgrenzen müssen, wo man bislang noch Asiatinnen und Schwarze als Minderheiten benennt.

Warb Benetton vor einigen Jahrzehnten mit den "United Colours", fällt es jetzt auf, wenn sich Designerinnen wie Stella McCartney aus London einen bunten Mix leisten, den man eigentlich erwartet hätte, da die Welt doch bunter wird. Aber McCartney zielt mit ihrer Marke auch auf Kundinnen, die reflektiert genug sind, vegan produzierte Mode hoch zu schätzen. Für ihr Label laufen Blonde und Dunkelhaarige - aber auch Cora Emmanuel und Joan Smalls und die noch dunklere Herieth Paul. Und Raf Simons - ein Belgier, der gerade von Dior verpflichtet wurde - ließ sich nach Protesten im Internet, die Schauen des Hauses seien bisher zu weiß, in die Pflicht nehmen und gleich sechs Schwarze in seinen Herbstentwürfen laufen; allerdings betonte man, er reagiere damit nicht auf die Kritik, sondern auf die grellen Farben der Röcke.

Doch die Luxusmarken, die ihre größten Boutiquen in Asien, im arabischen Raum oder Russland planen, laden sich lieber Koreanerinnen, Chinesinnen und Japanerinnen ins Fotostudio. "Etro buchte acht Models für eine Broschüre, sechs waren asiatisch", erzählt Ted Linow von Mega Model Agency, einer Agentur, die auch Alek Wek vertritt, ein Model, das mit tiefdunkler Haut zur Ikone wurde. Anders als ihre prominenten Vorgängerinnen wie Iman, Naomi Campbell oder Tyra Banks spiele sie zudem nur ungern mit ihrer Identität herum. "Es gibt so gut wie keine Fotos, auf denen sie sich weißer inszeniert", sagt Linow. Natürlich werden auch Bilder von Alek Wek manchmal nachträglich aufgehellt - aber sie selbst bleibe zurückhaltend, wo andere schwarze Mädchen auch schon mal mit blonden oder besonders glatthaarigen Perücken herumprobierten.

Es könnte ohnehin sein, dass sich solche Inszenierungen demnächst nach anderen Polen ausrichten.

Das auf den vielversprechenden Namen Chanel Iman getaufte Model, nach ihrer eigenen Website das "jüngste und erfolgreichste afro-amerikanische Fashion-Model ihrer Zeit", hatte ihren ersten großen Auftritt zusammen mit Iman, Alek Wek und Naomi Campbell, als die Vogue Italia vor ein paar Jahren für die inzwischen legendäre "Black Issue" alle Modestrecken mit ausschließlich schwarzen Frauen besetzte. Inzwischen moderiert die 22-Jährige auch im US-amerikanischen Fernsehen und hat im letzten US-Wahlkampf Barack Obama unterstützt. Sie leistete sich Anfang des Jahres einen in diesem diskreten Geschäft ungewöhnlich lauten Ausbruch. Dass Designer sie mit der Begründung abwiesen, sie hätten "schon ein schwarzes Mädchen gefunden. Wir brauchen dich nicht mehr", erschien ihr doch zu rassistisch.

"China ist bei mir"

Doch offensichtlich weiß auch Chanel Iman, welches Terrain es zu erobern gilt. Auf Youtube kann man eine Homestory mit Chanel Iman sehen, zu Hause in Los Angeles. Dass es dabei vor allem um deren Mutter geht, ist vorausschauend inszeniert. Die wurde nämlich, als Tochter eines US-Soldaten, im koreanischen Seoul geboren - und gibt vor der Kamera in Aussehen und Anmutung die asiatische Tigermutter. Dass sie mit Vornamen China heißt, beschert der Annäherung die schönsten Wortspiele. "Wo auch immer ich hinfahre, China ist bei mir", sagt Chanel und wedelt mit der koreanischen Vogue. Natürlich sei sie über ihr Cover-Shooting für die US-Ausgabe glücklich gewesen, "aber den größten Eindruck auf die Familie hat mein Titelfoto für die Vogue Korea gemacht." Die Schlusseinstellung ist dann eine elegante, durch und durch hybride Verortung - innig sitzen Mutter und Tochter auf der Klavierbank nebeneinander, im Hintergrund schimmern die Paneele eines antiken chinesischen Paravents, lackschwarz, bevölkert von Damen in Kimono-Pastell.

Der Schönheitsbegriff kann sich auch in der globalen Welt immer noch nicht vom Lokalen lösen. Die New York Times zitiert Kyle Hagler, eine Chefin von IMG Models, die geduldig und über Jahre die Karriere der in Puerto Rico geborenen Joan Smalls aufbaute, bis diese im Ranking der Top Models einen festen Platz besetzte: "Unglücklicherweise gibt es genügend einflussreiche Entscheider im Business, die mit der Idee von Schönheit, die vielleicht etwas weiter weg von ihnen selbst liegt, nichts anfangen können."

Die in Fragen der Alltagsästhetik so einflussreiche Modewelt verzichtet skandalöserweise darauf, als Avantgarde einem Wandel des Bewusstseins voranzugehen. Und so werden sich andere schwarze Models, die keine asiatischen Wurzeln ausgraben können, wahrscheinlich noch gedulden müssen, bis ihre Zeit reif ist; bis der alte Westen und die USA - oder gar Afrika - eines Tages wieder im Zielfernrohr der Luxusindustrie auftauchen.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2013/khil/pak/rus
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